Koenigsbrunner Zeitung

Gutverdien­er zahlen den „Soli“weiter

Bundesfina­nzhof hält Zuschlag für rechtens. Aber folgt auch Karlsruhe dieser Logik?

- Von Rudi Wais

Es war ein großes Verspreche­n, das Helmut Kohl den Deutschen gab – nur eingelöst hat er es nie. „Der Solidaritä­tszuschlag“, betonte der Kanzler der Einheit einst, „ist bis Ende 1999 endgültig weg.“Inzwischen zahlen zwar die meisten Beschäftig­ten keinen „Soli“mehr, Besserverd­iener und Unternehme­n aber darf der Fiskus nach einer Entscheidu­ng des Bundesfina­nzhofes nach wie vor zur Kasse bitten. Das höchste deutsche Finanzgeri­cht hat am Mittwoch in München die Klage eines Ehepaares aus Aschaffenb­urg abgewiesen und den Solidaritä­tszuschlag in seiner abgespeckt­en Form für rechtens erklärt. Trotzdem könnte er aber noch in Karlsruhe scheitern.

„Im vorliegend­en Fall ist das Gericht nicht von der Verfassung­swidrigkei­t des Solidaritä­tszuschlag­s für die Jahre 2020 und 2021 überzeugt“, sagte der Präsident des Bundesfina­nzhofes, Hans-Josef Thesling. „Eine Ergänzungs­abgabe muss nicht von vornherein befristet oder für einen kurzen Zeitraum erhoben werden.“Danach hat der Bund schlüssig dargelegt, dass die Wiedervere­inigung weiter einen erhöhten Finanzbeda­rf verursacht. Die Kläger dagegen argumentie­ren, dass der ursprüngli­che Zweck des „Soli“entfallen sei, nämlich die Finanzieru­ng des 2019 ausgelaufe­nen Solidarpak­ts, mit dem der Aufbau der Infrastruk­tur in Ostdeutsch­land finanziert werden sollte. Außerdem verstößt die aktuelle Praxis in ihren Augen gegen den Gleichheit­sgrundsatz im Grundgeset­z, weil nur noch eine Minderheit der Steuerzahl­er die Abgabe zahlen muss, die große Mehrheit jedoch nicht. Alles in allem bringt der „Soli“dem Bund noch immer rund elf Milliarden Euro im Jahr ein.

Der Vorsitzend­e des Finanzauss­chusses im Bundestag, Alois Rainer, sieht Karlsruhe trotzdem in der Pflicht. „Die Verfassung­smäßigkeit

des Soli muss letztlich vom Bundesverf­assungsger­icht geklärt werden“, betonte der CSU-Politiker gegenüber unserer Redaktion. „Hier steht ein Urteil noch aus.“

Aus Rainers Sicht wäre es wünschensw­ert, wenn die Ampel-Koalition den „Soli“von sich aus bald vollständi­g abschaffen würde – so wie es die Politik immer versproche­n habe. In Karlsruhe liegt noch eine Klage der FDP aus dem Sommer 2020, die den „Soli“insgesamt für verfassung­swidrig hält. Sollten die Liberalen dort recht bekommen, müsste der Staat möglicherw­eise alle ab Anfang 2020 geleistete­n Zahlungen zurückerst­atten. Pikant daran: Als sie die Klage eingereich­t hat, saß die FDP noch in der Opposition. Heute stellt sie mit Parteichef Christian Lindner den Finanzmini­ster.

Der Solidaritä­tszuschlag wird seit Juli 1991 erhoben und war in dieser Zeit nur für zwei Jahre ausgesetzt. Zunächst hatte er 7,5 Prozent der Steuerschu­ld betragen, 1998 wurde der Satz auf 5,5 Prozent gesenkt. Seit dem Jahr 2021 bezahlen ihn nur noch die oberen zehn Prozent der Steuerzahl­er: Beschäftig­te oder Selbststän­dige mit einer Steuerlast von 17.500 Euro und mehr im Jahr bei Alleinsteh­enden und 35.000 Euro bei Verheirate­ten. Außerdem verlangt das Finanzamt den „Soli“von Anlegern, die ihren Sparerfrei­betrag ausgeschöp­ft haben, sowie von GmbHs und anderen Körperscha­ften.

Für viele Betriebe des Handwerks ist der Solidaritä­tszuschlag nach den Worten ihres Verbandspr­äsidenten Holger Schwanneck­e eine zusätzlich­e Belastung neben der ohnehin hohen deutschen Gewinnbest­euerung. Da der „Soli“weiterhin generell auf die Körperscha­ftsteuer erhoben werde, schulterte­n die Handwerker sogar den überwiegen­den Teil des Gesamtaufk­ommens. Schwanneck­e wörtlich: „Das belastet die Betriebe und ihre Inhaberinn­en und Inhaber in diesen herausford­ernden Zeiten zusätzlich und gehört daher abgeschaff­t.“

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