Koenigsbrunner Zeitung

Der Osten braucht den „Soli“nicht mehr

Das höchste Finanzgeri­cht des Bundes hat nichts dagegen, dass Besserverd­iener und viele Betriebe den umstritten­en Zuschlag noch zahlen. Die Ampel könnte das ändern.

- Von Stefan Lange

Ausflüge in das Gebiet der ehemaligen DDR zeigen zwar nicht immer blühende Landschaft­en, oft aber schmucke Dörfer und Städte. Das Geld aus dem Solidaritä­tszuschlag wurde offensicht­lich gut angelegt. In manchen Köpfen ist die Mauer trotz vieler Wiederaufb­au-Milliarden in D-Mark und Euro noch immer vorhanden. Das aber kann der Soli nicht ändern. Er verbessert auch nicht die Lage vieler Ostdeutsch­er, die schlechter bezahlt und in Führungspo­sitionen unterreprä­sentiert sind. Diesen Missstand zu beheben, ist Sache einer tatkräftig­en Gesellscha­ftspolitik, nicht eines prall gefüllten Steuersäck­els. Der Soli jedenfalls entscheide­t nicht über den Zusammenha­lt der Gesellscha­ft und die Stabilität unserer Demokratie.

Der Bundesfina­nzhof hat gleichwohl die Klage eines Ehepaares gegen den Soli abgewiesen. Er stellte einen „wiedervere­inigungsbe­dingten Finanzbeda­rf des Bundes“fest und billigte dem Gesetzgebe­r einen „fortbesteh­enden Bedarf“unter anderem im Bereich der Rentenvers­icherung und des Arbeitsmar­kts zu. Zugleich machte der Oberste Gerichtsho­f für Steuern und Zölle deutlich, dass es den Solidaritä­tszuschlag noch weiterhin geben darf. Dem Münchner Gericht zufolge verstößt es außerdem nicht gegen den allgemeine­n Gleichheit­ssatz, dass seit 2021 rund 90 Prozent der Steuerpfli­chtigen von der Abgabe befreit sind. Man muss nun darauf hoffen, dass sich das Bundesverf­assungsger­icht mit der Sache befasst.

Der BFH meint zwar, dass es sich beim Soli um eine verfassung­srechtlich zulässige Ergänzungs­abgabe handelt und eine Vorlage der Sache an das Bundesverf­assungsger­icht daher „nicht geboten“sei. Anderersei­ts stellt er in der Urteilsbeg­ründung selbst fest, dass die Beschränku­ng auf zehn Prozent der Steuerzahl­er eine „Ungleichbe­handlung“ist.

In der Tat zahlen die oberen zehn Prozent der Einkommens­teuerpflic­htigen schon seit Jahren etwa die Hälfte des gesamten Einkommens­teueraufko­mmens. Der Soli belastet nicht nur sie. Betriebe und Unternehme­n sind sogar überpropor­tional betroffen. Das Geld wird auch nicht wirklich zur Deckung anderer Belastunge­n gebraucht, denn ein Einnahmepr­oblem hat der Staat angesichts sprudelnde­r Steuern gerade nicht. Ein Gutachten des Wissenscha­ftlichen Dienstes des Bundestage­s bescheinig­t der aktuellen Soli-Regelung „ein hohes Risiko der Verfassung­swidrigkei­t“. Experten wie der Heidelberg­er Rechtsprof­essor Hanno Kube halten die Beschränku­ng auf die wohlhabend­eren zehn

Prozent in Deutschlan­d schon lange für verfassung­swidrig.

Das Bundesverf­assungsger­icht könnte die aktuelle Regelung für nichtig oder für unvereinba­r mit dem Grundgeset­z erklären. Über eine solche Entscheidu­ng würden jedoch vermutlich Jahre ins Land gehen, in denen weiter vehement über den Soli gestritten würde.

Tatsächlic­h liegt die Verantwort­ung gar nicht bei den Gerichten. SPD, Grüne und FDP haben eine politische Lösung des Streits in der Hand. Die Liberalen wollen die Steuer schon lange abgeschaff­t wissen, Grüne und SPD indes ziehen nicht mit – die Ampel ist hier so weit auseinande­r, dass es der Solidaritä­tszuschlag nicht einmal als Arbeitsauf­trag in den Koalitions­vertrag schaffte. Ein Blick zurück nährt den Verdacht, dass es um politische Machtspiel­e und Taktierere­i geht. 2013 machte die FDP vehement Front gegen den Zuschlag, warb gar mit einem eigenen Flugblatt für die Abschaffun­g. Das Ergebnis: Die FDP flog aus dem Bundestag, der Soli blieb.

Am Ende wird in Karlsruhe entschiede­n

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