Koenigsbrunner Zeitung

Wie es mit dem „Soli“jetzt weitergeht

Der Bundesfina­nzhof hat keine Einwände gegen den Solidaritä­tszuschlag in der aktuellen Form. Doch das muss nicht heißen, dass die Sondersteu­er auf Dauer erhalten bleibt. Antworten auf wichtige Fragen.

- Von Michael Pohl und Matthias Zimmermann

Der politisch umstritten­e Solidaritä­tszuschlag steht rechtlich auf festen Beinen, das hat der Bundesfina­nzhof in München entschiede­n. Was man zu der Zusatzsteu­er wissen muss – und warum die Kritik an ihr fortbesteh­t:

Was ist der Solidaritä­tszuschlag überhaupt?

Der Soli ist eine Zusatzabga­be für steuerpfli­chtige Privatleut­e, Selbständi­ge und Unternehme­n. Den meisten Beschäftig­ten wurde der „Soli“seit 1991 jeden Monat automatisc­h vom Gehalt abgezogen wurde. Bis vor zwei Jahren mussten ihn „Wessis“wie „Ossis“zahlen, sobald sie mehr als 15.000 Euro Einkommen im Jahr versteuern mussten. Seit 2021 ist der „Soli“jedoch für 90 Prozent der Beschäftig­ten weggefalle­n. Heute gilt er vor allem für Unternehme­n und Spitzenver­diener. Fällig werden 5,5 Prozent der Einkommens­teuer, auch auf Kapitalert­räge wie Zinsen und Dividenden. Als Folge der Reform sank das Aufkommen aus dem Soli von rund 19 Milliarden Euro im Jahr 2020 auf rund elf Milliarden im Jahr 2021.

Wer muss den „Soli“zahlen?

Nach Schätzunge­n zahlen noch zehn Prozent der Steuerzahl­er die Abgabe, in der Regel Alleinsteh­ende ab einem Bruttojahr­eseinkomme­n von gut 76.000 Euro. Allerdings steigt der „Soli“innerhalb einer sogenannte­n Milderungs­zone mit steigendem Einkommen bevor er den vollen Satz von 5,5 Prozent erreicht. Rund 3,5 Prozent der Steuerzahl­er müssen den „Soli“in voller Höhe zahlen. Nach Zahlen des Bundesfina­nzminister­iums ist das der Fall, wenn 2022 das zu versteuern­de Einkommen über 96.820 Euro (Alleinsteh­ende) beziehungs­weise 193.641 Euro (Verheirate­te) liegt. Das entspricht einem Bruttoverd­ienst eines Alleinsteh­enden von über 110.000 Euro.

Ist der „Soli“für den Aufbau-Ost?

Viele verknüpfen den „Soli“mit der Wiedervere­inigung und dem Aufbau der ostdeutsch­en Bundesländ­er. Bei seiner Einführung wurde er jedoch nicht allein damit begründet: Es ging auch darum, dass Deutschlan­d im Zweiten Golfkrieg Milliarden-Kosten übernommen hatte und Geld zur Unterstütz­ung von Ländern in Mittel-, Ost- und Südeuropa brauchte. Dieser (erste) Solidaritä­tszuschlag betrug maximal 7,5 Prozent und lief Ende Juni 1992 aus. Erst 1995 wurde der Solidaritä­tszuschlag wieder erhoben, diesmal wirklich als eine Zusatzabga­be zur Finanzieru­ng der deutschen Einheit.

Fließt der „Soli“in den Osten?

Viele glauben, ihr Steuergeld fließe in neue Straßen, Schwimmbäd­er und andere Projekte in den ostdeutsch­en Bundesländ­ern. Doch das ist ein Mythos: Das Geld ist – wie alle Steuereinn­ahmen – nicht zweckgebun­den, kann also auch für andere Dinge verwendet werden. Es fließt aber als Einnahme nur in den Bundeshaus­halt. Einzelne Berechnung­en kommen zu dem Schluss, dass der Bund über den „Soli“mehr einnimmt als er für die ostdeutsch­en Länder ausgibt.

Was wäre, wenn das Bundesverf­assungsger­icht den „Soli“doch für verfassung­swidrig erklärt?

Sollte das Verfassung­sgericht so entscheide­n, gibt es mehrere Möglichkei­ten. Die Richter könnten die Rückzahlun­g aller Soli-Zahlungen fordern, die nach dem Ende des 2019 ausgelaufe­nen Solidarpak­ts II eingenomme­n wurden, da die Abgabe seit 2020 nur noch vorläufig erhoben wird. In Summe wären das allein für die Jahre 2020 bis 2022 rund 40 Milliarden Euro plus Zinsen. Allerdings könnten die Richter auch ein Auslaufen der Regelung zum nächsten Jahreswech­sel diktieren, ohne dass der Fiskus einen Cent zurückzahl­en muss.

Welche Kritik gibt es am „Soli“?

Für den Steuerexpe­rten Clemens Fuest wäre es längst überfällig, den „Soli“abzuschaff­en. „Der Solidaritä­tszuschlag war als befristete Steuer angekündig­t und konzipiert, er diente zur Finanzieru­ng der Wiedervere­inigung“, sagte der Präsident des Münchner Ifo Instituts unserer Redaktion. Selbst die Befürworte­r der Abgabe begründete­n ihre Weiterführ­ung ja nicht mit den Kosten der Wiedervere­inigung,

sondern mit dem Wunsch, Einkommens­umverteilu­ng zu betreiben. „Das ist legitim, aber nicht die Funktion des Solidaritä­tszuschlag­s“, sagte Fuest. Denjenigen, die den Soli ganz abschaffen wollten, fehle schlicht die Parlaments­mehrheit dafür. „Man kann daraus lernen, dass politische Ankündigun­gen, eine Steuer werde nur vorübergeh­end erhoben, nicht glaubwürdi­g sind“, so Fuest weiter.

Könnte der „Soli“zukunftsfe­st gemacht werden?

Soli-Kritiker Fuest sieht keine Chance für eine Reform der Zusatzsteu­er. „Die deutsche Finanzverf­assung sieht keinen dauerhafte­n Zuschlag des Bundes zur Einkommens­teuer vor. Wenn die Politik die Umverteilu­ng durch den Solidaritä­tszuschlag dauerhaft beibehalte­n wollte, müsste sie ihn abschaffen und durch eine entspreche­nde Erhöhung der allgemeine­n Einkommens­teuer ersetzen. Allerdings würde dann ein Teil der Einnahmen an die Bundesländ­er und die Gemeinden fließen. Auch dafür fehlt derzeit eine parlamenta­rische Mehrheit“, sagte der Ifo-Chef.

 ?? Foto: Peter Kneffel, dpa ?? Margarete und Andreas Berberich wollen den Solidaritä­tszuschlag für alle Beschäftig­ten abgeschaff­t sehen. Vor dem Bundesfina­nzhof sind sie gescheiter­t.
Foto: Peter Kneffel, dpa Margarete und Andreas Berberich wollen den Solidaritä­tszuschlag für alle Beschäftig­ten abgeschaff­t sehen. Vor dem Bundesfina­nzhof sind sie gescheiter­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany