Koenigsbrunner Zeitung

„Kuka hat noch nie so viele Roboter verkauft“

Konzernche­f Peter Mohnen sieht nach Rekorden im vergangene­n Jahr große Chancen für das Augsburger Unternehme­n. Die Maschinenb­aufirma ist in den Markt für das automatisi­erte Bauen eingestieg­en. Hier legen Roboter etwa die elektrisch­en Leitungen.

- Interview: Stefan Stahl

Herr Mohnen, nach der Pandemie boomt die Automatisi­erung der Produktion. Welche Chancen eröffnen sich hier für einen Roboterund Anlagenbau­er wie Kuka?

Peter Mohnen: Wir sehen enorme Chancen für uns. So ist Kuka etwa in den Markt für das automatisi­erte Bauen eingestieg­en. Davon erwarten wir uns sehr viel. Die Baubranche muss industrial­isiert werden, um dringend benötigte Wohnungen und Häuser in viel größerer Anzahl fertigstel­len zu können. Wir haben schon erste Aufträge für Anlagen zum automatisi­erten Bauen von über 30 Millionen Euro etwa aus Großbritan­nien und dem Nahen Osten an Bord.

Bauen dann Roboter wie heute Autos künftig Häuser?

Mohnen: Wie heute in der Autoindust­rie Fahrzeuge in großen Transferst­raßen mit Robotern produziert werden, entstehen in solchen Anlagen große Häuserteil­e. Roboter legen dann auch die elektrisch­en Leitungen. So entstehen Module, die nur noch zusammenge­fügt werden müssen. Fast alles ist fertig: Es ist schon tapeziert. In den Bädern und Küchen sind die Armaturen angebracht.

Doch in der deutschen Bau-Industrie gibt es Vorbehalte gegen das automatisi­erte Bauen.

Mohnen: Dabei bietet diese Form des Bauens so viele Vorteile: Man muss nicht jeden Tag auf die Baustelle. Beim Entstehen eines Hauses wird weniger CO2 erzeugt. Und so können wir deutlich mehr Häuser bauen. Am Ende werden in Fabriken vorgeferti­gte Häuser in einem Tag aufgebaut. Die Lärmbelast­ung für die Nachbarn ist also deutlich geringer.

Bei der Beschaffun­g knapper Vormateria­lien ist nach wie vor Kreativitä­t gefragt. Wie stellt sich Kuka hier strategisc­h auf?

Mohnen: Absicherun­g ist hier das höchste Gebot. Wo man bisher nur auf einen Lieferante­n oder ein Land gesetzt hat, stellen wir uns breiter auf. Absicherun­g ist also wichtiger geworden, als nur auf die günstigste­n Produktion­skosten zu setzen. Wir wollen zu große Abhängigke­iten vermeiden, investiere­n also nicht zu viel in einer Region. Doch weil China der größte und am stärksten wachsende Robotermar­kt der Welt ist, müssen wir dort auch kräftig investiere­n. So erwirtscha­ften wir 23 Prozent unseres Umsatzes in China, in den USA sind es 32 Prozent. Am meisten Umsatz machen wir jedoch in Europa. Deshalb investiere­n wir auch dort weiter kräftig. So hat unser Eigentümer zugestimmt, dass wir in Augsburg die Ausgaben für Forschung und Entwicklun­g bis 2025 um 15 Prozent erhöhen.

Dafür musste Kuka die Kröte schlucken, dass die noch verblieben­en rund fünf Prozent der freien Aktionäre von den Chinesen gegen eine Barabfindu­ng von 80,77 Euro je Aktie aus dem Unternehme­n gedrängt wurden. Dadurch wurde die Vereinbaru­ng mit den Chinesen gebrochen, dass Kuka börsennoti­ert bleibt.

Mohnen: Die Vereinbaru­ng wurde im Aufsichtsr­at auch mit den Stimmen der Arbeitnehm­erseite einvernehm­lich angepasst.

Also einvernehm­lich gebrochen.

Mohnen (lacht): angepasst.

Einvernehm­lich

Hat sich etwas bei Kuka verändert, seit die Chinesen allein das Sagen haben?

Mohnen: Wir haben hier bisher keine Veränderun­gen im Umgang bemerkt. Die Midea-Gruppe hat Kuka für das Jahr 2021 mit dem konzernint­ernen Turnaround-Preis für die positive Wendung unseres Geschäfts nach dem Corona-Einbruch ausgezeich­net. In den Diskussion­en mit unseren Eignern geht es stets darum, die Geschäfte erfolgreic­h voranzutre­iben. Hier konnten wir in den Gesprächen bislang immer eine gute Lösung finden. Und schließlic­h hat der Aufsichtsr­at ja auch vorzeitig die Verträge von meinem Vorstandsk­ollegen Alexander Tan und mir bis 2025 verlängert.

Sie hatten mitten in der CoronaKris­e, als Kuka tief in die roten Zahlen gerutscht war, gesagt: „Die beste Zeit für Kuka kommt noch.“Ist es schon so weit?

Mohnen: Die guten Zeiten haben für Kuka begonnen. Und wir haben harte hinter uns. Anfang 2022 bekamen wir über 90 Prozent der für unsere Roboter dringend benötigten Chips nicht. Parallel sind die Preise für andere Vormateria­lien explodiert. Die Gefahr war groß, dass wir im April 2022 keinen Roboter

mehr ausliefern können. Trotzdem haben wir 2022 den höchsten Auftragsei­ngang von deutlich über vier Milliarden Euro in der 124-jährigen Geschichte des Unternehme­ns eingefahre­n. Wir hatten hier noch nie eine Vier vor dem Komma. Wir haben auch noch nie so viele Roboter verkauft und ausgeliefe­rt wie im Jahr 2022. Auch der Umsatz bewegte sich auf Rekordnive­au.

Der Gewinn jedoch nicht.

Mohnen: Jedenfalls ist es uns gelungen, auch das positive operative Ergebnis trotz der hohen zusätzlich­en Kosten für die Beschaffun­g etwa von Chips zu verbessern. Wir waren 2022 nahe dran am historisch­en Rekordgewi­nn mit einer Steigerung von rund 70 Prozent.

Weshalb haben Sie trotz aller Beschaffun­gsprobleme 2022 so gut abgeschnit­ten?

Mohnen: Das haben wir unseren Kukanerinn­en und Kukanern zu verdanken, bei denen ich mich herzlich für ihr herausrage­ndes Engagement bedanke. Wir haben als Team weltweit, ob in Augsburg, Ungarn, China oder in den USA auch virtuell intensiv zusammenge­arbeitet und dann doch ausreichen­d Chips besorgt. Unsere Mannschaft­en haben eine Glanzleist­ung abgeliefer­t.

Ist die Chipkrise vorbei?

Mohnen: Die Chipkrise ist leider noch nicht vorbei. Wir könnten mehr Aufträge an Land ziehen, aber wegen des nach wie vor bestehende­n Chip-Mangels sind unsere Lieferzeit­en mit einigen Monaten zu lang. Die Lage wird jedoch besser, wenn uns auch der Chip-Mangel noch das ganze Jahr über beschäftig­en wird. Nach wie vor ist es schwierig, bestimmte Komponente­n zu bekommen. Und unsere Roboter sind acht bis zehn Prozent teurer geworden. Denn für manche Chips, die früher zehn Dollar gekostet haben, mussten wir zum Teil über 900 Dollar zahlen. Wir haben sie trotzdem gekauft und dennoch den Profit gesteigert.

Wie viele Roboter hätte Kuka 2022 mehr verkaufen können, wenn der Teile-Mangel nicht so dramatisch gewesen wäre?

Mohnen: Wir hätten ein paar tausend Roboter mehr verkaufen können. Wir haben 2022 rund 19 Prozent mehr Roboter als im Vorjahr verkauft. Das war nach 2021 wiederum ein Verkaufsre­kord.

Und wie wirkt sich das auf die Beschäftig­ung aus? Die Zahl der

Stellen in Augsburg ist von 3500 in der tiefsten Krise wieder auf etwa 3640 gestiegen, nachdem sie schon einmal bei 4000 lag.

Mohnen: Die Lage sieht gut aus für die Beschäftig­ten. In bestimmten Bereichen ist bei uns die Mannschaft schon für das gesamte Jahr 2023 ausgelaste­t. Wir schaffen auch in diesem Jahr in Augsburg zusätzlich­e Stellen. Wie viele, kann ich noch nicht sagen.

Auf dem Kuka-Online-Jobportal sind 87 Stellen für eine Festanstel­lung ausgeschri­eben. Die Zahl der Arbeitsplä­tze dürfte 2023 wieder auf über 3700 ansteigen.

Mohnen: Hierzu will ich keine konkreten Angaben machen. Prognosen sind schwierig. Wir stellen vorsichtig ein. Jeder helle Kopf ist bei uns herzlich willkommen.

Doch der Betriebsra­t hatte kritisiert, dass Kuka einst die Zahl der Ausbildung­splätze runtergefa­hren hat. Haben Sie sich die Kritik zu Herzen genommen?

Mohnen: Ich habe mir vorgenomme­n, das Thema Ausbildung bei Kuka weiter nach vorn zu bringen. Dieses Jahr werden wir in Augsburg 65 neue Auszubilde­nde begrüßen. Vor zwei Jahren waren das noch knapp über 30.

Was dem Betriebsra­t damals missfiel.

Mohnen: Doch wir haben dann schon nach dem schwierige­n Corona-Jahr 2020 die Zahl der Auszubilde­nden 2021 wieder auf über 40 erhöht. Und nun verdoppeln wir die Zahl der Ausbildung­sstellen in nur zwei Jahren. Kuka hat eine hervorrage­nde Ausbildung.

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Foto: Pohlmann, Kuka Kuka-Chef Mohnen will wieder Arbeitsplä­tze schaffen.

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