Koenigsbrunner Zeitung

Das Comeback des Bargelds

Einkaufen mit Bezahl-Apps geht schnell und ist bequem. Doch genauso rasch geht der Überblick über die eigene Finanzlage verloren. Unter jungen Leuten breitet sich ein neuer Trend aus: Cash Stuffing.

- Von Sascha Straub

Krisen führen zu Veränderun­gen. Anders lässt sich der aktuelle Trend des Cash Stuffing – wörtlich „Bargeld stopfen“oder auch mit „Kassenstur­z“übersetzt – auf TikTok wohl nicht erklären. So scheint eine Generation von Digital Natives offenkundi­g das Bargeld wiederzuen­tdecken. Verdrängt werden digitale Wallets und FinanzApps durch schnödes Bargeld in Umschlägen. Was passiert da?

Man hebe jeden Monat alles vom Konto ab, was nicht als Fixausgabe­n wie Miete oder Strom bereits regelmäßig abgebucht wird. Mit dem Bargeld befüllt man dann Umschläge, die mit Kategorien wie Kleidung, Freizeit, Lebensmitt­el, Kosmetik oder Fahrtkoste­n beschrifte­t sind. Aus diesen Umschlägen entnehmen die Stuffer dann wöchentlic­h Geld für ihre

Einkäufe und wollen so besser ihr Ausgabever­halten kontrollie­ren.

Das ist enorm viel Aufwand, wenn man dies mit dem unbaren Bezahlen via Karte oder Smartphone vergleicht. Cash Stuffing mag ein kurioser Social Media Trend sein, jedoch wird dahinter auch die finanziell­e Notlage vieler junger Menschen deutlich. Auch wenn dies nur im Windschatt­en der gesellscha­ftlichen Aufmerksam­keit wahrgenomm­en wird, muss man festhalten, dass besonders junge Menschen in Ausbildung oder Studium von Inflation und Preissteig­erungen betroffen sind. Insbesonde­re, wer nicht auf Unterstütz­ung vom Elternhaus zählen kann, den treffen steigende Lebenshalt­ungskosten besonders hart.

Die Vorteile der bequemen Bezahl-App oder der schnellen PayPal-Zahlung auf Raten geraten plötzlich in den Hintergrun­d und erscheinen nicht mehr so attraktiv.

Im Gegenteil, bei manch einem reift vielleicht die Erkenntnis, dass die digitalen Bezahlmögl­ichkeiten durchaus ihre Risiken haben. So weisen die Erfahrunge­n aus der Schuldnerb­eratung schon lange darauf hin, dass der richtige Umgang mit Geld erlernt – ja „begriffen“– sein will, was sich mit Bargeld am besten umsetzen lasse. Wer Bargeld als Zahlungsmi­ttel verwendet, behält seine Ausgaben und Einnahmen besser im Blick, kann effektiver planen und so verhindern, dass sich Schulden anhäufen. Anders als bei der Kartenzahl­ung kann man hier nicht auf Pump kaufen und gerät nicht in Versuchung, sich durch Impulskäuf­e finanziell zu übernehmen.

Cash Stuffing ist somit gar nichts Neues, sondern eher mit dem Führen des guten alten Haushaltsb­uches zu vergleiche­n. Letztlich geht es auch hier um eine monatliche Budgetplan­ung des eigenen Ausgabever­haltens, die überwacht und angepasst werden will. Wie dies am besten gelingt, hängt vom Sparenden ab. Dem einen reicht der regelmäßig­e Blick auf die Kontoumsät­ze, andere bevorzugen eine Exceltabel­le oder das Haushaltsb­uch auf Papier und für manche mag der – genaugenom­men – umständlic­here Weg des Cash Stuffing richtig sein.

Langfristi­g scheint diese Art der Budgetieru­ng aber kaum praktikabe­l. So ist es nicht nur aufwendig, sondern auch riskant, immer einen Großteil seines Einkommens in bar zu verwalten. Der Mensch neigt zudem zu Bequemlich­keit, weswegen sich dieser Trend wahrschein­lich nicht gesellscha­ftlich verfestige­n wird. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass Bargeld auch in einer digitalen Welt noch gebraucht wird.

 ?? Foto: stock.adobe.com ?? Cash Stuffing funktionie­rt so: Man befüllt für jeden Ausgabepos­ten einen Umschlag mit Bargeld - und behält die Kontrolle.
Foto: stock.adobe.com Cash Stuffing funktionie­rt so: Man befüllt für jeden Ausgabepos­ten einen Umschlag mit Bargeld - und behält die Kontrolle.

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