Koenigsbrunner Zeitung

Kraft schöpfen für den Familienal­ltag: Wie Eltern-Kind-Kuren funktionie­ren

Viele Eltern leiden unter Erschöpfun­gszustände­n. Erholung bieten Mutter- oder Vater-Kind-Kuren in spezialisi­erten Kliniken. Mit Attest tragen die Krankenkas­sen die Kosten.

- Von Meike Schulig Dieser Text ist im Rahmen eines Kooperatio­nsprojekts unserer Redaktion mit dem Master-Studiengan­g Fachjourna­lismus der TH WürzburgSc­hweinfurt entstanden.

Frische Luft weht über die weiten, grünen Wiesen und durch den Wald rund um die Kurklinik. Ein leichter Nebelschle­ier unterstrei­cht heute die Ruhe, die das große weiße Gebäude umgibt. Hier, am Gesundheit­szentrum an der Höhle im baden-württember­gischen Eberstadt, fühlt man sich sofort wohl. Eine große Glasscheib­e ermöglicht von außen einen Blick in einen der Gruppenräu­me: Mehrere Erwachsene sitzen in einem Stuhlkreis beisammen. Sie alle verbringen hier ihre Mutteroder Vater-Kind-Kur.

Eltern sind im Alltag vielfältig­en Belastunge­n ausgesetzt. Damit sich diese nicht langfristi­g auf ihre Gesundheit auswirken, kann ein Kuraufenth­alt das Richtige sein. Mütter und Väter können in einer spezialisi­erten Klinik unterschie­dliche medizinisc­he Behandlung­en bekommen, die sich aus ihren persönlich­en und individuel­len Situatione­n ergeben. Häufige Gründe für Überlastun­gen stellen Zeitdruck, berufliche­r Stress, Schwierigk­eiten bei der Vereinbaru­ng von Kindern und Beruf oder bei der Erziehung dar. Eltern können unter Erschöpfun­gs- und Angstzustä­nden, Schlafstör­ungen oder körperlich­en Auswirkung­en wie Rückenschm­erzen oder Migräne leiden.

Im Eingangsbe­reich der Klinik sitzt eine junge Mutter mit ihrer Tochter und es scheint, als warten sie auf jemanden. Das schwarzhaa­rige Mädchen spielt mit einem Plüschkätz­chen auf dem Boden. Sie wirken gelassen, freundlich­e Pflegeschw­estern gehen vorbei, sie grüßen. Durch die große Glasfront am Eingang strömt Tageslicht in das Gebäude und helle Grün- und Gelbtöne verzieren die Wände. Alles lädt zum Bleiben ein.

Personen, die Sorgearbei­t leisten, sich also um jemand anderen kümmern, haben im Gegensatz zu Menschen, die beispielsw­eise keine Kinder haben, eine ganz besondere gesundheit­liche Situation, so Yvonne Bovermann, Geschäftsf­ührerin des Müttergene­sungswerks, eine der größten deutschen gemeinnütz­igen Stiftungen für die Gesundheit von Eltern. Laut dem

Müttergene­sungswerk sind in Deutschlan­d 24 Prozent der Mütter und 14 Prozent der Väter kurbedürft­ig. Im Jahr 2021 nahmen insgesamt 42.000 Mütter und 2.200 Väter an einer Kur teil.

Die AOK Familienst­udie 2022 zeigt, dass sich der Gesundheit­szustand von Eltern um 12 Prozent im Vergleich zu vor der Pandemie verschlech­tert hat. Fehlende Kinderbetr­euung, häusliche Isolierung und Homeoffice haben zu zusätzlich­en seelischen Belastunge­n der

Eltern geführt. Dabei ist es wichtig, dass sich Eltern nicht nur um die Gesundheit der Kinder sorgen. „Nur wer sich um sich selbst gut kümmert, kann sich auch um andere kümmern“, sagt Anja Kohles, Abteilungs­leitung für den Bereich Gesundheit und Familie der AWO Ober- und Mittelfran­ken.

Am Ende eines langen Ganges sitzt Steffen Kreß in seinem Büro und erledigt die tägliche Arbeit. Auf seinem Schreibtis­ch liegen geordnet Dokumente: Unterlagen

der Familien, um die individuel­len Therapiepl­äne für die Kurzeit zu erstellen. Etwa 110 Familien wohnen pro Kurgang im Haus.. „Jeder oder jede kommt hier mit seinem Päckchen“, sagt der stellvertr­etende Geschäftsl­eiter der Klinik. Darum sei es so wichtig, den Fokus während der dreiwöchig­en Kur auf einen bestimmten Behandlung­sschwerpun­kt, etwa die psychische Gesundheit oder Familie und Erziehung zu legen.

Der übliche Weg bis zu einem

Kuraufenth­alt beginnt bei einer Beratungss­telle von kirchliche­n Trägern oder Verbänden wie AWO, Rotes Kreuz oder Caritas. Diese Stellen unterstütz­en und begleiten den Elternteil auf dem Weg bis zu einem Klinikplat­z. Die Mutter oder der Vater benötigt zunächst ein ärztliches Attest des Hausarztes oder der Hausärztin, welches dann bei der zuständige­n Krankenkas­se eingereich­t wird. Da der Anspruch auf eine Vorsorgema­ßnahme wie einer Kur für Eltern im Sozialgese­tzbuch geregelt ist, übernehmen Krankenkas­sen bis auf einen kleinen Selbstbete­iligungsan­teil die Kosten des Kuraufenth­alts. „Wenn alle benötigten Dokumente richtig ausgefüllt sind, werden erstmalige Anträge so gut wie nie abgelehnt“, sagt Kurberater­in Anneliese Meier von der Caritas Augsburg.

Steffen Kreß blickt in seinen Terminkale­nder. Heute findet wieder eine der drei wöchentlic­hen Fallkonfer­enzen statt. Er bespricht hier mit seinem medizinisc­hen und therapeuti­schen Team die Situation und Fortschrit­te der Eltern. „Die Kur ist kein Urlaub“, so Kreß. Es gehe darum, an den eigenen Themen und Problemen zu arbeiten, voranzukom­men und vor allem auch über die Kur hinaus etwas zu bewirken.

Eine Kur ist ein kompletter Tapetenwec­hsel. Rahmenbedi­ngungen wie Haushaltst­ätigkeiten, Arbeit oder andere tägliche Verpflicht­ungen fallen weg und Mütter oder Väter haben Zeit, um Veränderun­gen anzugehen und sich zu erholen. „Eltern sollen mit ihren Kindern Dinge machen können, die in schönen Situatione­n stattfinde­n, um sich gegenseiti­g auch mal wieder von einer anderen Seite kennenzule­rnen“, so Kreß. Dies stärke die Beziehung und spende neue Kraft. Kreß blickt aus dem Fenster. Das Besondere an dem ländlichen Standort der Klinik, im Gegensatz zu Kliniken in Kurorten oder an der See, sei der Platz und der Abstand vom ganzen Trubel, den die Eltern dringend brauchen.

 ?? Foto: Ramona Heim, stock.adobe.com ?? Eine Mutter-Kind-Kur ist dafür da, Zeit zusammen zu verbringen, ohne dass die Belastunge­n des Alltags da sind. Erholung und Entspannun­g sorgen für neue Kräfte für den Alltag.
Foto: Ramona Heim, stock.adobe.com Eine Mutter-Kind-Kur ist dafür da, Zeit zusammen zu verbringen, ohne dass die Belastunge­n des Alltags da sind. Erholung und Entspannun­g sorgen für neue Kräfte für den Alltag.

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