„Alle Religionen unter einem Dach“: Die Mission der Ahmadiyya-Gemeinde
Die kleine Moschee in Oberhausen ist ein Besuchermagnet. In dieser Woche wird dort ein Jubiläum gefeiert. Was den jungen Imam antreibt – und was er zur strengen Geschlechtertrennung sagt.
Luqman Ahmad Shahid hat einen besonderen Arbeitsplatz: Die Baitun-Naseer-Moschee in der Donauwörther Straße. Seit 2019 lebt er in Augsburg und ist Imam der Ahmadiyya-Gemeinde, die die kleine Moschee vor knapp sechs Jahren eröffnet hat. Die Zentrale der Ahmadiyya Muslim Jamaat (AMJ) in Frankfurt hat den 33-jährigen Shahid nach seiner Ausbildung am gemeindeeigenen Institut für Islamische Theologie im hessischen Riedstadt nach Augsburg entsandt. Bei der AMJ hat er eine Festanstellung. Doch schon kurz nach seiner Ankunft hier stoppte Corona das öffentliche Leben. „Eine schwere Zeit, für Hausbesuche brauchte man Unterschriften des Arbeitgebers, um zehn Uhr abends wurden die Bürgersteige hochgeklappt. Erst seit einem halben Jahr fange ich an, auch die Stadt zu entdecken“, berichtet der 33-Jährige.
Die lichtdurchflutete Moschee im Augsburger Stadtteil Oberhausen ist ein Besuchermagnet. Nächste Woche werden 90 Schülerinnen und Schüler aus BadenWürttemberg durch das Haus geführt, Universität und Hochschule Augsburg schauten schon mehrfach mit Studierenden vorbei, Firmen, das Ausländeramt und der Runde Tisch der Religionen waren auch da. Neben den fünf Gebeten, die er täglich unter der blau beleuchteten Kuppel mit den umlaufenden arabi- schen Schriftzügen ab- hält, bestimmen vor allem Seelsor- ge, Koranunterricht für Kinder und Jugendliche und eben die Öffentlichkeitsarbeit den Tagesablauf des Imams. Der Austausch mit den vielen Besucherinnen und Besuchern gefällt ihm. „Wir sitzen dann
hier in großer Runde auf dem Teppich. Es ist für den Austausch wichtig, dass man sich hier wohlfühlt“, sagt er.
Jetzt steckt er in den Vorbereitungen für das 100. Jubiläum, das die deutsche Ahmadiyya-Gemeinschaft in diesem Jahr begeht. Der Grundstein für die erste deutsche Moschee der Gemeinde wurde 1923 in Berlin gelegt, wenige Jahre nach dem Tod des AhmadiyyaGründers Mirza Ghulam Ahmad (1835–1908). Die Feiern in den 225 deutschen Gemeinden starteten schon Anfang Januar, am 2. Februar steigt auch die Augsburger Moschee mit einem Empfang ein. Shahid ist der erste feste Imam der 1998 in Pfersee gegründeten Gemeinde. Die Zahl ihrer Mitglieder
ist in den letzten Jahren von 300 auf 220 gesunken. Ihr Einzugsgebiet reicht bis nach Kempten und Ulm.
Shahid kam als Jugendlicher nach Deutschland. Er wurde in Pakistan geboren, machte in der Stadt Rabwah, einem Fluchtort der Ahmadis in der Wüste Pakistans, Abitur. „Es gibt in Pakistan fast täglich Morde an Ahmadis, unsere Gebetsorte werden überfallen. Wir dürfen uns bei Strafe nicht muslimisch nennen, nicht zum Gebet rufen. Wir dürfen nicht ins Militär, keine Beamten werden“, berichtet Shahid. 2007 floh er nach Deutschland, erhielt Asyl. In Frankfurt lernte er seine Frau kennen, die 2010 als Flüchtling in Hessen ankam. Auch sie stammt aus Rabwah. Sie leben mit ihren Töchtern in Oberhausen, nicht weit von der Moschee entfernt.
Shahid wünscht sich Kontakte in die Stadtgesellschaft. Er hat um die Aufnahme an den runden Tisch der Religionen gebeten. Und er hält seit Januar einen regelmäßigen Gesprächskreis ab. Das Projekt dauert sechs Monate. Jeweils am letzten Mittwoch des Monats lädt er in die Stadtbücherei. „Es muss dabei nicht unbedingt um Religion gehen, jeder kann kommen.“Dass die Ahmadiyya-Anhänger ihren Gründer Mirza Ghulam Ahmad als Propheten verehren, bringt ihnen seit jeher Feindschaften seitens der anderen muslimischen Strömungen und Rechtsschulen ein – diese halten Religionsstifter Muhammad für den letzten Propheten. Imam Shahid sagt: „Ahmad wollte alle Religionen unter einem Dach versammeln. So sehen wir auch unseren Auftrag.“Unter dem Dach des Islam, denn der sei die „aktuellste Version der Software“, wie er lachend erklärt.
Auf die strenge Geschlechterordnung, die das Händeschütteln und offenen Blickkontakt zwischen Männern und Frauen verbietet, angesprochen, antwortet er: „Das sind Gebote aus Koran und Sunna. Die Spiritualität leidet, wenn Männer und Frauen in einem Raum sind.“Auch das Gebot, nur in der eigenen Religionsgemeinschaft zu heiraten, sieht er gelassen. „Für die Heirat mit einem Nicht-Ahmadi kann man die Erlaubnis seiner Heiligkeit, des Kalifen in London, beantragen. Dann geht das.“
Ein Experte, der unter anderem zur Ahmadiyya forscht, ist Muhammad Sameer Murtaza, deutscher Islamwissenschaftler und Autor aus Bad Kreuznach. Er begrüßt Dialoge der Stadtgesellschaft mit der Ahmadiyya, so lange auch mit anderen muslimischen Gemeinden Kontakt gehalten wird. Wie er erklärt, unterscheide sich die Ahmadiyya fundamental vom Islam, weshalb sie von sunnitischer und schiitischer Seite als Sekte eingestuft werde. „Sie ist vom Mainstream-Islam so weit weg wie das Mormonentum von der katholischen Kirche, dessen sollte man sich im Dialog bewusst sein“, so Murtaza. Eine Gelegenheit, ins Gespräch zu kommen, sind die Feierlichkeiten der Gemeinde zum hundertjährigen Bestehen in dieser Woche, zu denen Imam Luqman Shahid neben Vertretern aus Politik und Religionen auch den derzeitigen DeutschlandEmir der Gemeinde, Abdullah Wagishauser, eingeladen hat.
Termin Gefeiert wird das Jubiläum am Mittwoch, 1. Feburar, um 18 Uhr in der Bait-un-Naseer-Moschee in der Donauwörther Straße 165. Die Gemeinde bittet um Anmeldung per Mail an info.amjaugsburg@gmail.com