Koenigsbrunner Zeitung

„Alle Religionen unter einem Dach“: Die Mission der Ahmadiyya-Gemeinde

Die kleine Moschee in Oberhausen ist ein Besucherma­gnet. In dieser Woche wird dort ein Jubiläum gefeiert. Was den jungen Imam antreibt – und was er zur strengen Geschlecht­ertrennung sagt.

- Von Stefanie Schoene

Luqman Ahmad Shahid hat einen besonderen Arbeitspla­tz: Die Baitun-Naseer-Moschee in der Donauwörth­er Straße. Seit 2019 lebt er in Augsburg und ist Imam der Ahmadiyya-Gemeinde, die die kleine Moschee vor knapp sechs Jahren eröffnet hat. Die Zentrale der Ahmadiyya Muslim Jamaat (AMJ) in Frankfurt hat den 33-jährigen Shahid nach seiner Ausbildung am gemeindeei­genen Institut für Islamische Theologie im hessischen Riedstadt nach Augsburg entsandt. Bei der AMJ hat er eine Festanstel­lung. Doch schon kurz nach seiner Ankunft hier stoppte Corona das öffentlich­e Leben. „Eine schwere Zeit, für Hausbesuch­e brauchte man Unterschri­ften des Arbeitgebe­rs, um zehn Uhr abends wurden die Bürgerstei­ge hochgeklap­pt. Erst seit einem halben Jahr fange ich an, auch die Stadt zu entdecken“, berichtet der 33-Jährige.

Die lichtdurch­flutete Moschee im Augsburger Stadtteil Oberhausen ist ein Besucherma­gnet. Nächste Woche werden 90 Schülerinn­en und Schüler aus BadenWürtt­emberg durch das Haus geführt, Universitä­t und Hochschule Augsburg schauten schon mehrfach mit Studierend­en vorbei, Firmen, das Ausländera­mt und der Runde Tisch der Religionen waren auch da. Neben den fünf Gebeten, die er täglich unter der blau beleuchtet­en Kuppel mit den umlaufende­n arabi- schen Schriftzüg­en ab- hält, bestimmen vor allem Seelsor- ge, Koranunter­richt für Kinder und Jugendlich­e und eben die Öffentlich­keitsarbei­t den Tagesablau­f des Imams. Der Austausch mit den vielen Besucherin­nen und Besuchern gefällt ihm. „Wir sitzen dann

hier in großer Runde auf dem Teppich. Es ist für den Austausch wichtig, dass man sich hier wohlfühlt“, sagt er.

Jetzt steckt er in den Vorbereitu­ngen für das 100. Jubiläum, das die deutsche Ahmadiyya-Gemeinscha­ft in diesem Jahr begeht. Der Grundstein für die erste deutsche Moschee der Gemeinde wurde 1923 in Berlin gelegt, wenige Jahre nach dem Tod des AhmadiyyaG­ründers Mirza Ghulam Ahmad (1835–1908). Die Feiern in den 225 deutschen Gemeinden starteten schon Anfang Januar, am 2. Februar steigt auch die Augsburger Moschee mit einem Empfang ein. Shahid ist der erste feste Imam der 1998 in Pfersee gegründete­n Gemeinde. Die Zahl ihrer Mitglieder

ist in den letzten Jahren von 300 auf 220 gesunken. Ihr Einzugsgeb­iet reicht bis nach Kempten und Ulm.

Shahid kam als Jugendlich­er nach Deutschlan­d. Er wurde in Pakistan geboren, machte in der Stadt Rabwah, einem Fluchtort der Ahmadis in der Wüste Pakistans, Abitur. „Es gibt in Pakistan fast täglich Morde an Ahmadis, unsere Gebetsorte werden überfallen. Wir dürfen uns bei Strafe nicht muslimisch nennen, nicht zum Gebet rufen. Wir dürfen nicht ins Militär, keine Beamten werden“, berichtet Shahid. 2007 floh er nach Deutschlan­d, erhielt Asyl. In Frankfurt lernte er seine Frau kennen, die 2010 als Flüchtling in Hessen ankam. Auch sie stammt aus Rabwah. Sie leben mit ihren Töchtern in Oberhausen, nicht weit von der Moschee entfernt.

Shahid wünscht sich Kontakte in die Stadtgesel­lschaft. Er hat um die Aufnahme an den runden Tisch der Religionen gebeten. Und er hält seit Januar einen regelmäßig­en Gesprächsk­reis ab. Das Projekt dauert sechs Monate. Jeweils am letzten Mittwoch des Monats lädt er in die Stadtbüche­rei. „Es muss dabei nicht unbedingt um Religion gehen, jeder kann kommen.“Dass die Ahmadiyya-Anhänger ihren Gründer Mirza Ghulam Ahmad als Propheten verehren, bringt ihnen seit jeher Feindschaf­ten seitens der anderen muslimisch­en Strömungen und Rechtsschu­len ein – diese halten Religionss­tifter Muhammad für den letzten Propheten. Imam Shahid sagt: „Ahmad wollte alle Religionen unter einem Dach versammeln. So sehen wir auch unseren Auftrag.“Unter dem Dach des Islam, denn der sei die „aktuellste Version der Software“, wie er lachend erklärt.

Auf die strenge Geschlecht­erordnung, die das Händeschüt­teln und offenen Blickkonta­kt zwischen Männern und Frauen verbietet, angesproch­en, antwortet er: „Das sind Gebote aus Koran und Sunna. Die Spirituali­tät leidet, wenn Männer und Frauen in einem Raum sind.“Auch das Gebot, nur in der eigenen Religionsg­emeinschaf­t zu heiraten, sieht er gelassen. „Für die Heirat mit einem Nicht-Ahmadi kann man die Erlaubnis seiner Heiligkeit, des Kalifen in London, beantragen. Dann geht das.“

Ein Experte, der unter anderem zur Ahmadiyya forscht, ist Muhammad Sameer Murtaza, deutscher Islamwisse­nschaftler und Autor aus Bad Kreuznach. Er begrüßt Dialoge der Stadtgesel­lschaft mit der Ahmadiyya, so lange auch mit anderen muslimisch­en Gemeinden Kontakt gehalten wird. Wie er erklärt, unterschei­de sich die Ahmadiyya fundamenta­l vom Islam, weshalb sie von sunnitisch­er und schiitisch­er Seite als Sekte eingestuft werde. „Sie ist vom Mainstream-Islam so weit weg wie das Mormonentu­m von der katholisch­en Kirche, dessen sollte man sich im Dialog bewusst sein“, so Murtaza. Eine Gelegenhei­t, ins Gespräch zu kommen, sind die Feierlichk­eiten der Gemeinde zum hundertjäh­rigen Bestehen in dieser Woche, zu denen Imam Luqman Shahid neben Vertretern aus Politik und Religionen auch den derzeitige­n Deutschlan­dEmir der Gemeinde, Abdullah Wagishause­r, eingeladen hat.

Termin Gefeiert wird das Jubiläum am Mittwoch, 1. Feburar, um 18 Uhr in der Bait-un-Naseer-Moschee in der Donauwörth­er Straße 165. Die Gemeinde bittet um Anmeldung per Mail an info.amjaugsbur­g@gmail.com

 ?? Fotos: Bernd Hohlen, Stefanie Schoene ?? Die Bait-un-Naseer-Moschee in der Donauwörth­er Straße wurde im Jahr 2017 eröffnet.
Fotos: Bernd Hohlen, Stefanie Schoene Die Bait-un-Naseer-Moschee in der Donauwörth­er Straße wurde im Jahr 2017 eröffnet.
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Luqman Shahid

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