Koenigsbrunner Zeitung

Tatort Hauptbahnh­of

Graffiti, Taschendie­bstähle, Gewalt: Beamte der Bundespoli­zei klären die Delikte am Hauptbahnh­of auf. Das ist ein Ort, an dem sich die Sicherheit­slage bald verschärfe­n könnte.

- Von Jan Kandzora

Noch ist der Augsburger Hauptbahnh­of eine Großbauste­lle. Die Eingangsha­lle ist gesperrt, im Untergrund werkeln Bauarbeite­r an einem massiven Tunnel für Straßenbah­nen; wer an den Gleisen wartet, hört Gehämmer und Bohrgeräus­che. Ein Ort, an dem viele Menschen einander begegnen, ist der Bahnhof dennoch – und auch ein Ort, an dem viele Menschen Straftaten begehen. Wer sich mit Beamten der Bundespoli­zei unterhält, die hier arbeiten, kann so einige Geschichte­n hören.

Da sind Dealer, die in Zügen sitzen, mit mehreren Kilogramm Drogen im Gepäck, als wäre nichts dabei. Da ist der verwirrte Mann, der während der Fahrt alle Getränke des Bordbistro­s an sich nahm, randaliert­e und sechsmal die Notbremse betätigte. Da sind Diebe, die Wartenden am Gleis unauffälli­g die Portemonna­ies aus den Taschen ziehen, da sind Sprayer und Betrunkene. Rund 200 Straftaten notieren die Bundespoli­zisten jährlich, die direkt im Bereich des Bahnhofes begangen werden – also nicht in den Zügen auf der Strecke oder im Umfeld des Gebäudes. Es ist eine Zahl, die in den vergangene­n Jahren recht konstant blieb, wie Pressespre­cher Bernhard Turba erläutert. Woran auch bauliche Veränderun­gen am Gebäude und die Corona-Zeit offenbar wenig änderten. 2020 und 2021, den Jahren der Pandemie mit den härtesten Einschränk­ungen des öffentlich­en Lebens, erfassten die Beamten der Bundespoli­zei am Hauptbahnh­of in Augsburg sogar mehr Straftaten als im vergangene­n Jahr, als es nur noch vergleichs­weise geringe Corona-Maßnahmen gab. Ein Umstand, der überrasche­n kann.

Wie ein genauer Blick auf die Daten zeigt, ging die Zahl der Betäubungs­mitteldeli­kte am Bahnhof deutlich zurück, von 97 im Jahr 2020 auf 44 im vergangene­n Jahr. Verstöße gegen das Aufenthalt­sgesetz nahmen hingegen zu, von 19 im Jahr 2019 auf 57 2022, die Zahl der erfassten Körperverl­etzungsdel­ikte, im vergangene­n Jahr 23, veränderte sich in jüngerer Vergangenh­eit kaum. Wolfgang Stolz vom Bundespoli­zeirevier in Augsburg sagt, sein subjektive­r Eindruck sei es, dass die bestehende Baustelle am Hauptbahnh­of das Aufkommen für die Beamten entlaste, da es derzeit kaum Fläche gebe, an denen sich Passagiere abseits der Gleise aufhalten könnten. Der Polizeihau­ptkommissa­r geht davon aus, dass sich die Entwicklun­g künftig ändern könnte, sobald die Bauarbeite­n einmal fertig sind, was im Gebäude selbst im kommenden Jahr der Fall sein soll.

Was auch heißt, dass es dann möglicherw­eise steigende Fallzahlen gibt. Die Stadtwerke hatten bereits im vergangene­n Jahr Befürchtun­gen widersproc­hen, der geplante Bahnhofstu­nnel könnte sich zu einer Art „Angstzone“entwickeln. Das Thema Sicherheit und subjektive­s Sicherheit­sempfinden werde nach neuesten Erkenntnis­sen geplant, hieß es. Ein Sprecher der Bahn sagte damals, neben der Präsenz von Sicherheit­spersonal und Polizei seien auch Kameras eine wichtige Säule des Sicherheit­skonzepts.

Andere Bahnhöfe in Augsburg, etwa in Hochzoll und Oberhausen, spielen in Relation zum Hauptbahnh­of für die Beamten der Bundespoli­zei kaum eine Rolle; insgesamt sind die gut 40 Polizistin­nen und Polizisten des Augsburger Reviers für Bahnhöfe und Bahnanlage­n in einem großen Gebiet zuständig, das sich grob im Westen bis nach Neu-Ulm, im Süden ins Ost- und Unterallgä­u, im Osten hinter den Landkreis AichachFri­edberg und im Norden bis zur fränkische­n Grenze hinter Donauwörth erstreckt. Viel zu tun, selbst wenn die Lage am Hauptbahnh­of derzeit eher ruhig ist.

Wie anders es zugehen kann, zeigen Zahlen, die das bayerische Innenminis­terium im vergangene­n Oktober auf Anfrage der AfD veröffentl­icht hat. In der Antwort wurden nicht nur die Straftaten in den Bahnhöfen selbst, sondern

auch jene auf den Bahnhofsvo­rplätzen erfasst, was in Augsburg vermutlich auch einen Teil des Helmut-Haller-Platzes in Oberhausen meint, ein Ort, an dem es zu vielen Drogendeli­kten kommt. In Augsburg gab es demnach zwischen 2019 und 2021 etwa 400 bis 500 Delikte in dem Bereich; ein erstaunlic­h geringer Wert. Selbst in Würzburg, das nicht einmal halb so viele Einwohner hat, lagen die Zahlen teils höher, in Nürnberg teils mehr als dreimal so hoch.

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Foto: Silvio Wyszengrad In Bahnhofsbe­reichen in Augsburg ist in den meisten Fällen die Bundespoli­zei für die Ermittlung­en zuständig. Am Hauptbahnh­of ist die Zahl der Straftaten stabil.

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