Ärger um Neujahrsempfänge im Rathaus
Dass Fraktionen den Oberen Fletz gratis nutzen dürfen, fraktionslose Stadträte aber nicht, sorgt für Unmut. Teils gehe es nicht um Kommunalpolitik, sondern um Wahlkampf, so ein Vorwurf. Stadtrat Grab droht mit Klage.
Im Stadtrat entzündet sich politischer Ärger über die Neujahrsempfänge der Fraktionen, die traditionell im Januar im Oberen Fletz des Rathauses stattfinden. Hunderte Gäste aus Politik und Stadtgesellschaft kommen zum Austausch zusammen, in der Regel gibt es eine politische Rede. WSAStadtrat Peter Grab droht nun mit einer Klage, nachdem er als Einzelstadtrat die Rathausräume – anders als Fraktionen – nicht kostenlos zur Verfügung gestellt bekommt.
„Diese Benachteiligung ist undemokratisch und somit möglicherweise nicht rechtskonform“, so Grab. Laut seiner Aussage gibt es mehrere andere Einzel-Stadtratsmitglieder, die eine Klage unterstützen würden. Sauer ist auch Einzelstadtrat Roland Wegner (V-Partei). Den Stadtratsfraktionen sei es bei ihrer Entscheidung im Ältestenrat zu Beginn der Legislatur wohl darum gegangen, ihre Privilegien zu sichern. Denn Einzelstadträte hätten natürlich eine politische Funktion und dürften über ihr Wirken informieren.
Das Thema wurde vergangene Woche ganz zum Ende der Stadtratssitzung diskutiert, nachdem
Grab eine Aussprache gefordert hatte. Hintergrund: Während die Fraktionen den Oberen Fletz kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen, müssen Einzelstadträte die Räume für mehrere Tausend Euro mieten – für Vertreter von Wählergruppierungen oder kleinen Parteien ist das kein Pappenstiel. Das Thema hat an Brisanz gewonnen, weil mit sieben fraktionslosen Stadträten so viele Einzelstadträte ohne Fraktion wie noch nie im Gremium sitzen, und gewinnt jetzt an Fahrt, weil aufgrund von Corona in diesem Jahr erstmals wieder Neu- jahrsempfänge möglich sind.
Zwar ist das Interesse, eine eigene Veranstaltung auf die Beine zu stellen, nicht bei allen EinzelStadtratsmitgliedern da, zumindest Grab und Wegner würden aber wollen. Grab veranstaltete in der Vergangenheit auch schon Neujahrsempfänge mit Unterstützung der Stadt; mit Beginn der neuen Legislatur beschloss der Ältestenrat des Stadtrats – ein grundsätzlich nicht öffentlich tagendes Gremium aus den Fraktionen unter Vorsitz der/des Oberbürgermeisters – aber, dass Einzelstadträte ausgenommen sind. Die
Argumentation lautete wohl, dass man die bisher ausnahmsweise gewährte Gratisüberlassung des Rathauses angesichts von sieben Einzelstadträten so nicht mehr zulassen wolle. Grab wetterte, dass es ein Unding sei, dass man erst jetzt davon erfahren habe. Um die „viel beschworene Transparenz“des CSU-Grünen-Regierungsbündnisses sei es wohl nicht weit her.
Allerdings ist die Entscheidung des Ältestenrats inzwischen eher Nebensache, weil die Regierung von Schwaben als Kommunalaufsicht den Standpunkt der Stadt in rechtlicher Hinsicht stützt. Um Stellungnahme hatte V-Partei-Stadtrat Wegner gebeten, der sich ebenfalls benachteiligt sieht. Die Regierung von Schwaben geht mit Blick auf Fachliteratur und Rechtsprechung davon aus, dass Fraktionen anders zu behandeln seien als einzelne Stadträte. Von den Fraktionen gehe ein Bündelungseffekt von Meinungen aus, der der Entscheidungsfindung im Stadtrat zugutekomme, so die Regierung.
Insofern könne deren Öffentlichkeitsarbeit gefördert werden. Allerdings müssten sich Neujahrsempfänge dann auch um die Stadtratstätigkeit
drehen und dürften keine Parteiveranstaltungen sein.
Inwieweit diese Voraussetzung zuletzt erfüllt war, kann man unterschiedlich sehen – speziell in Wahlkampfjahren und mit Gastrednern aus der eigenen Partei ist die Stadtratstätigkeit nur einer von mehreren Aspekten.
Die CSU hatte in diesem Jahr Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) als Gastrednerin eingeladen (in der Vergangenheit war auch schon Ministerpräsident und CSUParteivorsitzender Markus Söder zu Gast), bei den Grünen sprach Landtagsfraktionsvorsitzende Katharina Schulze über grüne Landespolitik. Die Sozialfraktion lud AWO-Präsidentin Kathrin Sonnenholzner ein, die Bürgerliche Mitte wird kommendes Wochenenende Einzelhandelsverbandsgeschäftsführer Andreas Gärtner zu Gast haben. Kommunalpolitik spielte auf allen Empfängen eine Rolle, Landespolitik auf manchen aber auch.
Wegner hat dazu eine klare Meinung: „Neujahrsempfänge sind verdeckte Parteienveranstaltungen, wenn Landtagsspitzenkandidaten reinmarschieren und/oder darauf hingewiesen wird, wie wichtig es sei, dass Abgeordnete aus Augsburg im Landtag sitzen.“Im Übrigen, so Grab, teile er die Einschätzung der Regierung von Schwaben nicht, dass Einzelstadträte nur unwesentlich zur Meinungsbildung im Stadtrat beitragen könnten.
Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) sagt, sie verstehe „den Ärger aus dem Gremium“. Klar sei aber auch, dass man darüber wachen müsse, dass städtische Gelder nicht zur verdeckten Finanzierung von Parteien und Wählergruppen herangezogen werden. Man werde sich Gedanken zum weiteren Vorgehen machen.
Stadtdirektor Bernhard Maurmeir kündigte an, dass es Gespräche mit allen Fraktionen und einzelnen Stadträten geben werde. Man werde mit den Fraktionen darüber sprechen, wie Neujahrsempfänge künftig gestaltet werden müssten, damit Unterstützung bei der Stadt geltend gemacht werden kann. Man werde sich auch grundsätzlich über die Konditionen unterhalten müssen, zu denen der Obere Fletz an Stadtratsmitglieder und Fraktionen für Empfänge vermietet werde.
Landespolitik spielte manchmal auch eine Rolle