Publikum erlebt ein fast perfektes Verbrechen
Fünf hochkarätige Schauspieler sorgen in der Stadthalle Neusäß mit Hitchcocks „Bei Anruf Mord“als Theaterversion für einen äußerst kurzweiligen Abend.
Wie verübt man nur den absolut „perfekten Mord“? Eine Frage, die sich die meisten Menschen wohl selbst in extremen Ausnahmesituationen nicht stellen. Doch in der Stadthalle Neusäß hat genau diese Frage nun für ein spannendspaßiges Krimi-Vergnügen gesorgt. Fünf hochkarätige Schauspieler haben die Alfred-Hitchcock-Geschichte „Bei Anruf Mord“als Theaterversion auf die Bühne gezaubert und trotz der relativ langen Spieldauer für einen äußerst kurzweiligen Abend gesorgt. Dabei waren es vor allem die vielen kleinen Details, die das Stück zu einem rundum stimmigen Gesamtkunstwerk machten.
Von hoher atmosphärischer Dichte war alleine schon das Bühnenbild gehalten: Die nostalgischen Lampenschirme entführten ebenso glaubhaft in die gute alte Krimi-Zeit der 1950er-Jahre wie die viktorianischen Sofas oder die längst vergessenen Wählscheibentelefone auf dem dunklen Mahagonitisch. Die Geschichte selbst hingegen ist auf den ersten Blick relativ einfach gestrickt: Der vergnügungssüchtige Tony Wendice (Michel Guillaume) hat irgendwann einmal keine Lust mehr, von seiner wohlhabenden Ehefrau Sheila (Yael Hahn) abhängig zu sein, und fasst kurzerhand den Entschluss, sie ins Jenseits zu befördern. Doch er hat ebenso keine Lust, hinterher die Strafe dafür zu zahlen und entwickelt daher einen ausgeklügelten Plan, den er selbst als den „perfekten Mord“bezeichnen sollte.
Und schon im Vorfeld der Tat wurde es richtig spannend auf der Bühne: Die Zuschauenden bekamen von Anfang an mit, wie das geplante Tötungsdelikt und seine anschließende Vertuschung ablaufen würde. Doch je mehr Details man darüber erfuhr, desto mehr wurde klar: Wenn auch nur ein einziger Schritt dieses perfiden Mordplans nicht ganz so reibungslos funktionieren sollte wie vorgesehen, würde es zu einer absoluten Katastrophe kommen …
Höchst überzeugend waren vor allem die Darstellerinnen und Darsteller selbst, die ihre Dialoge nicht gekünstelt führten, sondern auf eine derart natürliche Art und Weise, dass man fast schon glaubte, einer Szenerie aus dem alltäglichen Leben beizuwohnen.
Ganz besonders nett: Als es in der Stadthalle kurzfristig zu kleinen Beleuchtungsproblemen kam, wurden diese von den Schauspielern ganz einfach spontan und äußerst humorvoll in ihre Dialoge eingebaut. Vor allem der Hauptdarsteller Michel Guillaume, den man auch als Kommissar Renner aus Soko 5113 kennt, hat für seine
Gesamtleistung auf der Bühne allen Respekt verdient – seine Textpassagen waren teilweise derart ausgedehnt, dass es schon an ein Wunder grenzte, dass er sich hier an keiner einzigen Stelle verhaspelte.
Auch Frederick Knott, der Schöpfer dieses nostalgischen Kriminalstücks, hatte einige höchst subtile Raffinessen in die Bühneninszenierung eingebaut. So etwa spielten manche Szenen in Zimmern oder Vorgärten, die auf der Bühne selbst gar nicht zu sehen waren, die das Gehirn des Zuschauers dennoch unbewusst ergänzte und eine stimmige Geschichte daraus strickte. Aber Alfred Hitchcock wäre nicht Hitchcock gewesen, wenn es am Ende keine bitterbösen Überraschungen gegeben hätte. Und daher lautete die große und spannende Frage: Wird dieser detailliert durchdachte „perfekte Mord“unter dem Strich tatsächlich funktionieren?
Einen Mord gab es durchaus – doch das Opfer war nicht die ahnungslose Ehefrau. Auch ein Mörder trieb sein tödliches Unwesen auf der Bühne – doch es sollte nicht der geltungssüchtige Tony sein. Wie sich die Geschichte am Ende tatsächlich auflöste, sei dahingestellt. Denn wie sagte bereits schon der Gruselmeister Alfred Hitchcock selbst: „Spannung ist Kaugummi fürs Gehirn“.