Koenigsbrunner Zeitung

Nancy Faesers riskante Doppelroll­e

Die Bundesinne­nministeri­n will offenbar mit Sicherheit­snetz bei der Landtagswa­hl in Hessen als Spitzenkan­didatin antreten und bei einer Niederlage in Berlin bleiben. Selbst aus der Ampel wird Kritik laut. So stehen ihre Chancen.

- Von Michael Pohl

Viele bescheinig­en Olaf Scholz rückblicke­nd ein glückliche­s Händchen, als der Kanzler die hessische Sozialdemo­kratin Nancy Faeser nach der Wahl überrasche­nd zur Bundesinne­nministeri­n erkoren hat. Die 52-Jährige zählt zu den Aktivposte­n der SPD im Bundeskabi­nett, auch weil sie es als einzige Genossin neben Gesundheit­sminister Karl Lauterbach und Scholz in die Umfragelis­ten der zehn populärste­n Politgröße­n der Bundespoli­tik bringt. Doch von Anfang an klebte Faeser das Etikett „Ministerin auf Abruf“an, weil es ausgemacht schien, dass die hessische SPD-Chefin im Oktober bei den Landtagswa­hlen als Spitzenkan­didatin gegen den CDU-Amtsinhabe­r Boris Rhein ins Rennen ziehen will.

Es wird erwartet, dass Faeser am Freitag bei der Klausur der hessischen SPD ihre Kandidatur bekannt geben wird. Und die spannendst­e Frage scheint bereits entschiede­n: Faeser will offenbar nur als Wahlsieger­in nach Wiesbaden wechseln und im Falle einer Niederlage Innenminis­terin bleiben. Auf diese Lösung sollen sich Faeser und Scholz geeinigt haben, wie die Süddeutsch­e Zeitung berichtet.

Gleich wurden Erinnerung­en an den glücklosen Landtagswa­hlkampf in Nordrhein-Westfalen von CDU-Mann Norbert Röttgen wach. Der damalige Bundesumwe­ltminister setzt sich damals gegen seinen Mitbewerbe­r Armin Laschet als CDU-Spitzenkan­didat durch. Doch Röttgen vermasselt­e die Landtagswa­hl 2012 kolossal – mit unglücklic­hen Auftritten und ebenso der Weigerung, sich zuvor festzulege­n, ob er auch als Opposition­sführer von Berlin nach Düsseldorf wechseln wolle.

Der damalige CSU-Chef Horst Seehofer meldete sich in einem legendären „Heute-Journal“-Interview zu Wort („Sie können das alles senden!“) und machte Röttgen für das „Desaster“der CDU persönlich verantwort­lich, weil er „sich nicht voll für das Land entschiede­n“habe. „Dann geht ein Kandidat her für das Amt des Ministerpr­äsidenten und sagt: Ich laufe nicht davon, ich laufe gar nicht hin.“Wenige Tage später feuerte Kanzlerin Angela Merkel Röttgen unter dem Protest der NRWCDU als Bundesumwe­ltminister.

Nun will die SPD die sogenannte „Röttgen-Falle“offensicht­lich damit umgehen, dass Faeser von vornherein klarmacht, sie würde nur als Ministerpr­äsidentin nach Hessen wechseln. Man verweist zudem auf das Geschichts­buch: Vor knapp 30 Jahren trat der konservati­ve CDU-Mann Manfred Kanther auch als hessischer Spitzenkan­didat bei der Landtagswa­hl an und blieb nach der Wahlnieder­lage in Bonn im Kabinett von Helmut Kohl auf seinem Posten.

Doch Faeser weht schon jetzt ein eiskalter Wind selbst aus den

Reihen ihrer Koalitions­partner entgegen. FDP-Parteivize Wolfgang Kubicki sagte, das Bundesinne­nministeri­um sei „keine geeignete Wahlkampfb­ühne in diesen ernsten Zeiten“. Und der GrünenInne­nexperte Marcel Emmerich beschied Faeser, es sei „fast nicht zu schaffen, diese beiden Aufgaben parallel auszuüben“. Noch schärfer tönt es aus der CDU: Der Innenexper­te der Unionsfrak­tion Alexander Throm forderte Faeser zum Rücktritt auf, falls sie Spitzenkan­didatin werde.

Derzeit sind Faesers Erfolgsaus­sichten mau, Hessens CDU-Ministerpr­äsident Boris Rhein abzulösen, der im Mai den zurückgetr­etenen Volker Bouffier beerbt hatte. In Umfragen liegt die SPD zwischen fünf und elf Prozent hinter den Christdemo­kraten. Ihre HessenMiss­ion dürfte die Bundesmini­sterin schon erfüllt haben, wenn die SPD vor den Grünen als zweitstärk­ste Partei bei der Wahl am 8. Oktober aus dem Rennen ginge.

 ?? Foto: Albert, dpa ?? Ministerin Nancy Faeser droht die „Röttgen-Falle“.
Foto: Albert, dpa Ministerin Nancy Faeser droht die „Röttgen-Falle“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany