Koenigsbrunner Zeitung

Zeit, dass sich was dreht

Die Bundesregi­erung bringt den „Windausbau-Beschleuni­ger“auf den Weg. Genehmigun­gen sollen nun schneller erteilt werden. Das findet man auch in Bayern gut.

- Von Stefan Küpper

Was den Ausbau der erneuerbar­en Energien betrifft, kann es wetterwend­isch zugehen. Das liegt an den diversen Bundesregi­erungen, die damit befasst waren. Aber es gibt auch sonst Licht und Schatten, steife Brise und Flaute. In diesen Tagen lassen nun allerdings zwei Nachrichte­n aufhorchen, die Sonne und Wind verheißen. Ober daraus ein dauerhafte­s Hoch für die Energiewen­de wird – abwarten.

Zum einen wurde in der EU 2022 erstmals mehr Strom aus Wind und Sonne produziert als aus Gas. Das geht aus einer Analyse der Denkfabrik Ember Climate hervor. Im vergangene­n Jahr kamen demzufolge rund 22 Prozent (2021: 19 Prozent) der Elektrizit­ät in der EU aus Solar- und Windkraft und damit anteilig so viel wie noch nie.

Aus Gas stammten fast 20 Prozent des EU-Strommix – also knapp ein Prozentpun­kt weniger als 2021. Insgesamt kamen laut Ember Climate im vergangene­n Jahr 623 Terawattst­unden (TWh) aus Wind und Sonne. Und am meisten Wind- und Solarenerg­ie erzeugte 2022 den Zahlen der Denkfabrik zufolge Deutschlan­d – 126 Terawattst­unden aus Wind und 59 Terawattst­unden aus Sonne. Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Anteile an der Wind- und Solarenerg­ie am deutschen Strommix waren verglichen mit anderen EU-Ländern geringer.

Damit sich das ändert, hat die Bundesregi­erung – und das ist die zweite Nachricht – den sogenannte­n „Windausbau-Beschleuni­ger“auf den Weg gebracht. Damit wird eine EU-Verordnung umgesetzt, wie Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) mitteilte. Was bürokratis­ch klingt, soll im Kern dazu führen, dass sich in Deutschlan­d bald sehr viel mehr dreht und schneller Leitungen für den erneuerbar­en Strom gebaut werden. Konkret soll für Windräder oft die Umweltvert­räglichkei­tsprüfung entfallen. Auch Solaranlag­en und Wärmepumpe­n könnten künftig viel schneller genehmigt werden, nämlich binnen drei Monaten. Und ganz kleine Solaranlag­en bis 50 Kilowatt sollen automatisc­h als genehmigt gelten, wenn nicht binnen kurzer Frist eine Absage vom Amt kommt.

Auf EU-Ebene war im Dezember eine sogenannte Notfallver­ordnung vereinbart worden. Der zentrale Punkt in Sachen Geschwindi­gkeitsaufn­ahme ist dabei: Gibt es in einem für Windkraft oder Stromleitu­ngen ausgewiese­nen Gebiet schon eine strategisc­he Umweltprüf­ung (SUP), können im Genehmigun­gsverfahre­n die Umweltvert­räglichkei­tsprüfung (UVP) und die artenschut­zrechtlich­e Prüfung – Stichwort Rotmilan – bei der Genehmigun­g der einzelnen Anlagen entfallen.

Und bringen die Maßnahmen den erwünschte­n Schub? Simon Müller, Energiewen­de-Experte beim Thinktank Agora, sagt es so: „Im Bereich der Genehmigun­gen ist ein entscheide­nder Knackpunkt damit vorübergeh­end gelöst.“Er beschreibt den Rechtsrahm­en für die Windenergi­e wie einen Trichter: Oben kommen die Flächen rein, die für Windräder überhaupt infrage kommen. Dann folgen die Genehmigun­gsverfahre­n für die Windräder auf den infrage kommenden Flächen. Raus kommen – nach erfolgter Genehmigun­g – dann nur die Projekte, die auch noch die Ausschreib­ungsverfah­ren und praktische­n Umsetzungs­hürden bestanden haben. Müller erklärt im Gespräch mit unserer Redaktion: „Über die Jahre ist der Trichter immer enger und länger geworden: Es gab weniger Flächen, immer aufwendige­re Genehmigun­gsverfahre­n – und so weiter. Die Folge: Aus dem Trichter kam immer weniger raus.“

Die Ampelkoali­tion aus SPD, Grünen und der FDP geht die Energiewen­de-Ziele ambitionie­rter an: Allein die Windkraft an Land soll sich von 58 Gigawatt im Jahr 2022 auf 115 Gigawatt bis 2030 verdoppeln. Laut dem seit Mittwoch gültigen Windfläche­nbedarfsge­setz müssen die Länder bis Ende 2032 zwei Prozent der Bundesfläc­he für die Windenergi­e ausweisen. Und bis 2027 sollen 1,4 Prozent der Flächen für Windenergi­e bereitsteh­en, wie der Bundestag festgelegt hat.

Reichen die nun auf den Weg gebrachten Maßnahmen also, um diese Ziele zu erreichen? AgoraFachm­ann Müller meint: „Um sie zu erreichen, muss jetzt wirklich weiter konsequent Tempo gemacht werden.“Wer heute ein Windrad in Betrieb setzen wolle, müsse bisher mit einer Genehmigun­gsdauer von bis zu sieben Jahren

rechnen. „Allein die Umsetzung der EU-Richtlinie wird das um zwei Jahre verkürzen. Für eine weitere Beschleuni­gung müssen jetzt auch die Behörden ausgestatt­et werden.“

Es bleibt indes noch einiges zu tun. Müller gibt ein einprägsam­es Beispiel, wo der bürokratis­che Dschungel weiter gelichtet werden könnte: Um ein Rotorblatt für eine Windkrafta­nlage zu transporti­eren, braucht es von Bundesland zu Bundesland eigene Schwertran­sportgeneh­migungen. „Bis man die hat, kann es bis zu 22 Wochen dauern. Wenn in der Zwischenze­it irgendwo auf der Strecke eine Baustelle aufgemacht wird, dauert es noch länger.“

Im bayerische­n Wirtschaft­sministeri­um begrüßt man, die „zügige Umsetzung“der EU-Notfallver­ordnung. Eine Sprecherin teilte auf Anfrage mit, dass darin für den Ausbau der Windenergi­e ein „deutliches Beschleuni­gungspoten­zial“liege.

Der Freistaat hat hier noch mannigfalt­ige Möglichkei­ten zur Entfaltung. In Bayern wurden im vergangene­n Jahr ganze 14 Windenergi­eanlagen in Betrieb genommen.

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Foto: Hauke-Christian Dittrich, dpa In Deutschlan­d soll es deutlich schneller mehr Windräder geben.

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