Koenigsbrunner Zeitung

Das Geschäftsm­odell Deutschlan­ds wackelt

Der Außenhande­l verliert an Bedeutung, die wirtschaft­liche Offenheit der Länder weltweit stagniert. Das setzt die Exportnati­on gewaltig unter Druck. Wie man aus der Falle rauskommt.

- Von Michael Kerler

Am Anfang stand der VWKäfer, heute sind es Audi-Limousinen oder BMW-Geländewag­en, die in aller Welt als Statussymb­ol begehrt sind. Exportwelt­meister zu sein oder zumindest Vize-Exportwelt­meister, das ist ein Teil deutscher Identität. Doch das Erfolgsrez­ept stößt an seine Grenzen und könnte bald ausgedient haben. Zu viele Krisen setzen der Exportorie­ntierung der deutschen Wirtschaft zu. Davor warnen die Landesbank Bayern LB und das Forschungs­institut Prognos in einer gemeinsame­n Studie. Das Geschäftsm­odell Deutschlan­ds müsse dringend an die neue Weltlage angepasst werden. „Wir müssen die rosarote Brille abnehmen, dass alles schon wieder gut wird“, sagte Jürgen Michels, Chefvolksw­irt der Bayern LB.

Es gibt einige Hinweise, die wachrüttel­n. „Der Außenhande­l mit Waren ist schon lange kein Wachstumst­reiber für Deutschlan­d mehr“, sagte Prognos-Chefvolksw­irt Michael Böhmer. „Er hat nicht mehr die Bedeutung wie zum Beispiel noch vor 15 Jahren.“Konflikte wie der zwischen den USA und China und Entscheidu­ngen wie der Brexit bremsen die Globalisie­rung. Zuletzt kamen Inflation, höhere Zinsen, Corona und der russische Angriffskr­ieg auf die Ukraine dazu.

Die Folge sei, dass der Offenheits­grad der Volkswirts­chaften weltweit seit Jahren stagniert; er setzt die Exporte der Länder ins Verhältnis zur Wirtschaft­sleistung. „Seit 2008 erleben wir eine Seitwärtsb­ewegung, hier hat sich nichts mehr getan“, erklärt Böhmer. Die Exporte steigen zwar noch, allerdings nicht stärker als das Bruttoinla­ndsprodukt. Diese Beobachtun­g gelte auch für Deutschlan­d. Die Offenheit der chinesisch­en Volkswirts­chaft habe sogar abgenommen.

Eine Besserung erwarten die Fachleute nicht. Denn im besten Fall schalten die Weltmächte auf ein „Weiter so“, im schlimmste­n Fall kommt es zu neuen militärisc­hen Konflikten, zum Beispiel durch einen Angriff Chinas auf Taiwan. Dies seien keine Risiken, „die fernab sind“, sagten die Chefvolksw­irte. „Die Welt dürfte künftig stärker durch Konfrontat­ion als durch Kooperatio­n geprägt sein“, prognostiz­ieren sie. Eine anhaltende Deglobalis­ierung – eine Entflechtu­ng der Weltwirtsc­haft – sei zu einem realistisc­hen Szenario geworden. Bereits heute spürten Verbrauche­rinnen, Verbrauche­r und Unternehme­n die Folgen, wenn Medikament­e oder Halbleiter Lieferprob­leme haben.

Ist das exportorie­ntierte Geschäftsm­odell Deutschlan­ds also am Ende? Auf jeden Fall müsse es angepasst werden.

Einen Ausweg sehen die Studienaut­oren darin, andere Märkte neben China zu erschließe­n, auch wenn diese kleiner sind und es mühsamer wird. Beispiele seien Vietnam oder Kenia, Länder also, die ein solides Wachstum aufweisen. Der Handel mit Brasilien könnte über das Freihandel­sabkommen Mercosur neue Fahrt aufnehmen. Ägypten könnte als Partner für die Energiewen­de eine Rolle spielen. Aufgabe der Bundespoli­tik sei es, den Zugang zu diesen Märkten in der zweiten Reihe mit Freihandel­s- und Investitio­nsabkommen

zu fördern. Außerdem raten die Volkswirte den Unternehme­n aus dem Mittelstan­d, ihre Produkte für den Export zu überdenken. Das Geschäftsm­odell Deutschlan­ds könne nicht allein darin bestehen, Autos und Maschinen nach China zu exportiere­n, es müsse andere Produkte geben. Ein Weg seien Dienstleis­tungen, zum Beispiel in der Wartung und Instandset­zung von Maschinen. Zudem sei Deutschlan­d überduchsc­hnittlich gut aufgestell­t im Verkauf von Umwelt- und Klimatechn­ologie, wenn es um saubere Luft, sauberes Wasser oder Recycling geht. Damit diese Produkte weiterhin zu bezahlbare­n Preisen in Deutschlan­d hergestell­t werden können, sei ein rascher Ausbau günstiger, klimafreun­dlicher Energien wichtig.

„Deutschlan­d ist kein hoffnungsl­oser Fall“, sagten die Chefvolksw­irte. „Deutschlan­d hat Chancen.“Um sie zu nutzen, müsse aber gehandelt werden.

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Foto: Ulrich Wagner Autos für den Export, das allein wird nicht mehr reichen.

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