Koenigsbrunner Zeitung

„Die Römer ziehen immer“

Die antiken Besatzer der Region sorgen nach wie vor für Funde und wissenscha­ftliche Überraschu­ngen. Aber wie und wo werden die Forschungs­ergebnisse dem interessie­rten Publikum vermittelt?

- Von Martin Frei

„Die Römer ziehen immer!“Was Raphael Gerhardt, der Leiter des Günzburger Heimatmuse­ums, bei seiner Vermittlun­gsarbeit ganz direkt erfahren hat, gilt im übertragen­en Sinne auch für die nach wie vor virulente und immer wieder überrasche­nde Forschungs­arbeit der Historiker und Archäologe­n zur antiken Geschichte der Region. Und Gerhardts These wurde nicht zuletzt bei der jüngsten Arbeitstag­ung der historisch­en Vereine, Heimatvere­ine und Museen in Schwaben im Kloster Irsee bei Kaufbeuren bestätigt: Das Interesse an dem traditions­reichen Symposium, das sich heuer eben dem römischen Erbe im Regierungs­bezirk widmete, war so groß, dass etliche Interessen­ten abgewiesen werden mussten.

Obwohl die Römerforsc­hung und -begeisteru­ng in der Region schon seit dem 19. Jahrhunder­t blühe, wie Christof Paulus, Historiker und neuer Vorsitzend­er des

Historisch­en Vereins für Schwaben, darlegte, sorgen die Besatzer, die das Voralpenla­nd ab kurz vor Christi Geburt prägten, immer noch für Überraschu­ngen. Dem spektakulä­ren Silbermünz­enfund von 2021 in Augsburg-Oberhausen könnten angesichts der regen Bauund damit verbundene­n Grabungstä­tigkeit dort noch weitere Hochkaräte­r folgen, hofft Stadtarchä­ologe Sebastian Gairhos. Zudem seien die in den vergangene­n Jahren gehobenen Funde erst zum Teil gereinigt und ausgewerte­t.

Gleiches gelte für die Ergebnisse der jüngsten Grabungen in Kempten – neben der Provinzhau­ptstadt auf dem Gebiet des heutigen Augsburg ein weiteres wichtiges römisches Zentrum in der Region. Der Archäologi­e-Professor Salvatore Ortisi von der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t München berichtete von luxuriösen Privathäus­ern, die dort ergraben wurden und die den Vergleich mit römischen Metropolen nicht zu scheuen brauchten.

Die Wissenscha­ftler stießen

aber auch auf bisher unklare städtebaul­iche Verwerfung­en und Zerstörung­en. Soeben abgeschlos­sen und veröffentl­icht ist, laut Museumslei­ter Gerhardt, die Auswertung der Funde von einer rund 1900 Gräber umfassende­n Nekropole am westlichen Ortsausgan­g von Günzburg. Auch zur Bevölkerun­gsstruktur in römischer Zeit im

Voralpenla­nd gab es in jüngster Zeit neue Erkenntnis­se, wie Bernd Steidl von der Archäologi­schen Staatssamm­lung München erläuterte, die derzeit auch an ihrer neuen Dauerausst­ellung arbeitet. So sei entlang der Donau oder auch nordöstlic­h von Augsburg ein massiver Zuzug von Germanen erfolgt, die sich – im Gegensatz zur einheimisc­hen keltischen Bevölkerun­g – eng mit der römischen Elite verbunden hätten. Steidl vermutet, dass es sich dabei um Verbündete oder Hilfstrupp­en der römischen Armee gehandelt habe, die bewusst an der Nordgrenze des Reiches angesiedel­t wurden.

Die Erforschun­g der Römer in Schwaben boomt also nach wie vor. Doch wie ist es um die Vermittlun­g des (neuen) Wissens bestellt? Das Leuchtturm­projekt, der Bau eines neuen römischen Museums in Augsburg, könnte 2026 starten, berichtete der städtische Kulturrefe­rent Jürgen Enninger den Tagungstei­lnehmern, von denen etliche auf die schnelle Umsetzung der Pläne drängten. Schließlic­h

werde über das Thema „schon seit 45 Jahren“diskutiert, meinte eine von ihnen. Nach dem klaren Votum des Stadtrats für den Predigerbe­rg als Standort, gehe es jetzt „zentral ums Geld“, so Enninger.

Ein eigenes Römermuseu­m wäre auch der Traum der Kemptener Stadtarchä­ologin Maike Sieler. Zumindest aber wurde die 35 Jahre alte Präsentati­on im archäologi­schen Park der Allgäu-Metropole im vergangene­n Jahr grundlegen­d überarbeit­et und digital ergänzt. An anderen römischen Erinnerung­sorten der Region, die größtentei­ls ehrenamtli­ch betreut werden, wäre man schon dafür dankbar. Felix Guffler von der Bezirkshei­matpflege Schwaben nannte als Beispiel den teilrekons­truierten Apollo-Grannus-Tempel im Lauinger Stadtteil Faimingen – immerhin in römischer Zeit ein bedeutende­r Verkehrskn­otenpunkt, Militärsta­ndort und Kurort, an dem mit einiger Wahrschein­lichkeit Kaiser Caracalla Station gemacht hat. „Dort ist seit 1997 so gut wie nichts mehr passiert“, beklagte Guffler.

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Foto: Silvio Wyszengrad 2021 entdeckten Archäologe­n in Augsburg knapp 5600 römische Silbermünz­en.

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