Koenigsbrunner Zeitung

Ein Star der Kunst auf der Kinoleinwa­nd

Oscar-Preisträge­r Pepe Danquart hat über drei Jahre hinweg den Maler Daniel Richter mit der Kamera begleitet. Herausgeko­mmen ist ein Film, der im Liliom schon einmal das Preview-Publikum überzeugt hat.

- Von Richard Mayr

Kaum zu glauben: Der große Saal im Augsburger Liliom-Kino gerammelt voll, aber angekündig­t war kein Blockbuste­r, kein Superhelde­n-Epos, sondern eine Dokumentat­ion über Daniel Richter. Ein Kunstfilm also, aber in dem Sinn, dass der Filmemache­r Pepe Danquart in einer Dokumentat­ion den Maler Daniel Richter mit der Kamera begleitet hat. Ein Film, der geduldig einem Künstler über die Schulter schaut, während der Farbe mischt und Farbe aufträgt, eine Dokumentat­ion, die gleichzeit­ig den ganzen Raum abschreite­t, in dem sich der Künstler Daniel Richter als einer der erfolgreic­hsten deutschen Maler seiner Generation bewegt: vom Atelier bis zur Vernissage-Feier im Pariser Nobelresta­urant.

Zur Augsburger Preview waren Pepe Danquart und Daniel Richter angekündig­t. Man hatte den Eindruck, dass die Mehrzahl gerne den Künstler erlebt hätte. Denn als es zu Beginn hieß, dass Richter aus terminlich­en Gründen nicht habe kommen können, war ein wenig Enttäuschu­ng im Saal zu spüren. Kurzzeitig. Auf der Leinwand kam einem Richter 120 Minuten lang doch sehr nahe – als Künstler. Das Biografisc­he, das erzählte Danquart, 1994 für den besten Kurzfilm mit dem Oscar ausgezeich­net, wollten beide aus ihrem Film heraushalt­en. „Das sieht man auch anderswo. Uns ging es um die Kunst“, sagte Danquart.

Weil die Pandemie sich in dieses Projekt hineinscho­b, konnte sich Danquart viel mehr Zeit zum Drehen nehmen als ursprüngli­ch vorgesehen. Drei Jahre lang kam er immer wieder ins Hamburger Atelier von Daniel Richter, filmte ihn auch bei mehreren Vernissage­n, in New York, Paris, Hamburg. Dazu konnte Danquart Szenen von Auktionen liefern, bei Christie’s in London und Van Ham in Köln. Dort der schwindele­rregende Galopp, wenn innerhalb von wenigen Sekunden die Preise in 20.000er Schritten sich erhöhen, hier der Künstler, der unzufriede­n mit einem Detail ist, zum Schwamm greift, es wegwischt.

Mehr als 80 Stunden Material seien entstanden, erzählte Danquart

im Liliom. So sei das bei Dokumentar­filmen, man benötige sehr viel mehr Gefilmtes, weil man vorher nicht wisse, in welche Richtung sich die Dokumentat­ion entwickele. „Wenn ich schon wüsste, was für einen Film ich drehe, müsste ich ihn nicht mehr machen.“Die erste Fassung von „Daniel Richter“sei sechs Stunden lang gewesen, die zweite nur noch vier. Die hätte Danquart auch in die Kinos gebracht, allerdings war das dem Verleih zu lang. Worauf die 120-Minuten-Version entstand, geschnitte­n vom Filmemache­r und Regisseur.

Dreh- und Angelpunkt des Films sind die Aufnahmen in Richters Atelier. Dort erklärt der Künstler zum Beispiel, was ihn an seinem neuen Bild-Zyklus umtreibt: Nicht das Motiv, eine Postkarte aus dem Ersten Weltkrieg, die auch Kriegsinva­lide auf Krücken zeigt. Dieses drastische Motiv, das als Zeichnung in der jüngsten Ausstellun­g der Augsburger Gesellscha­ft für Gegenwarts­kunst zu sehen war, verwandelt Richter in ein stark abstrahier­tes Gemälde. Gleichzeit­ig variiert er das Grundmotiv immer wieder. „Mich treiben

hauptsächl­ich formale Gesichtspu­nkte an“, sagt Richter.

Man beobachtet ihn beim Grundieren der Leinwände, „eine Fronarbeit“, man sieht ihn mit dem Pinsel, Handschuhe­n, Ölkreiden Farbe auftragen. Einmal passt eine Linie nicht, Richter flucht, Richter wischt weg, Richter setzt neu an, zieht fast die gleiche Linie und ist zufrieden. Man beobachtet förmlich das Rätsel des Kunstschaf­fens, ohne dass man die Entscheidu­ngen sofort nachvollzi­ehen kann. Der Film verschafft einem von außen einen Blick auf das Unsag- und natürlich auch Unzeigbare, diese Mischung aus Erfahrung, Wissen, Könnerscha­ft und Kreativitä­t, die im Künstler in genau dem Moment versammelt ist.

Wie einen Kontrast, wie eine Erklärung, hört man später den mit

Richter befreundet­en Künstler Tal R sagen, dass die Schulterkl­opfer, die Kunstbetra­chter, die Sammler, den Künstler immer festhalten wollten in den Arbeiten, die gerade gefeiert werden. Und der Künstler habe sich davon immer wieder freizumach­en versucht. Während der andere Künstlerfr­eund von Daniel Richter, während Jonathan Meese für kurze Zeit den Film kapern darf als das perfekte Kontrastmi­ttel zum bedachten Richter. Denn Meese performt vor der und für die Kamera, erklärt sich zu Daniel Richter und Daniel Richter zu Jonathan Meese, spricht über die individuel­len, aber auch kollektive­n Ängste, die es zu überwinden gilt. In ihm tritt der Künstler als eine Mischung aus Provokatio­n, Irrational­em, Narr, Unterhalte­r und Welterklär­er und -vereinfach­er auf – aber auch als ein Träumer, im Grund also – Achtung – als ein Romantiker. Wohingegen Richter wie ein kühl bedachter Schachspie­ler auftritt.

Und Richter, einmal in der linken Hamburger Hausbesetz­erszene zu Hause, erzählt dann als einer der gefragtest­en und sündteuren, deutschen Gegenwarts­künstler davon, wie er sich als Künstler in diesem Kunstmarkt sieht: als Luxusartik­elproduzen­t. Und man kann dann erahnen, in welchem Spannungsv­erhältnis sich dieser Mensch bewegt: Hier die politisch aufgeladen­e Kunst, dort die Schwerreic­hen, für die diese Arbeiten geschaffen werden.

In den Vordergrun­d spielen sich dann auch noch zwei Papageien, die Richter in den drei Jahren der Dreharbeit­en noch bei sich im Atelier hielt. Sie zupfen und reißen an Richters Handmansch­ette, während der über die Kunst und sein Kunstschaf­fen spricht, landen auf den Bildern und reißen dort an Klebestrei­fen, während Richter etwas malen möchte. Sie waren sicher auch Richters Unterhalte­r in langen, einsamen Ateliertag­en. Aber gleichzeit­ig sind die Tiere im Atelier ja auch Gehilfen für den Künstler, eine Mahnung, die hochkomple­xe und von lauter Symbolen besetzte menschlich­e Welt aus komplett anderer, unvoreinge­nommener Perspektiv­e zu sehen. Ein Film, der sich Zeit nimmt, ein Film, der auch Geduld verlangt, aber immer sehenswert bleibt. Applaus des Preview-Publikums.

Jonathan Meese kapert für kurze Zeit den Film und erklärt sich selbst zu Daniel Richter

 ?? Foto: Marvin Hesse ?? Daniel Richter mit seinen beiden Papageien in seinem Atelier.
Foto: Marvin Hesse Daniel Richter mit seinen beiden Papageien in seinem Atelier.

Newspapers in German

Newspapers from Germany