Brandhaus Karolinenstraße: Das tut sich auf der Baustelle
Ein Großbrand fügte dem historischen Wohngebäude nahe dem Augsburger Rathaus verheerende Schäden zu. Jetzt wird der aufwendige Wiederaufbau vorbereitet. Ein Blick hinter die Mauern.
Reste mächtiger Holzbalken ragen schwarz verkohlt in den Raum. Spuren von Löschwasser und Feuchtigkeit ziehen sich noch immer an den Wänden entlang. In der Luft hängt ein merkwürdiger Geruch. Fast eineinhalb Jahre ist es her, dass im historischen Wohnund Geschäftshaus an der Karolinenstraße 15 ein verheerendes Feuer ausbrach und dort tagelang wütete. Noch immer ist das schwer zerstörte Baudenkmal mitten im Augsburger Zentrum ein trauriger Anblick. Und doch: Man sieht es von außen nicht, aber hinter den Kulissen passiert viel.
Eine Nervenprobe haben Architekt Stefan Schrammel und sein Team schon hinter sich. Mitten in dem schmalen Gebäude wurde ein riesiger Baukran installiert. Er ist so hoch, dass er über das sechsstöckige Haus mit Dachspitz deutlich hinausragt. Der Kran und seine tonnenschweren Betonfüße mussten von oben Stück für Stück durch ein Loch in der Holzverschalung gehievt werden, um ihn im Inneren zusammenzubauen. „Es war Zentimeterarbeit“, sagt Schrammel. Alles passierte in einer Nacht. Tagsüber hätten die Behörden dafür mitten im dicht bebauten, verkehrsreichen Zentrum und in der Fußgängerzone keine Genehmigung gegeben, sagt er.
Der Baukran ist ein besonderes Modell. Er dreht sich nicht unten, sondern oben. Dies sei wegen der Gegebenheiten vor Ort notwendig, so Schrammel. Die Baustelle zwischen Karolinenstraße und Steingasse gilt als kompliziert, und das aus mehreren Gründen. Beispielsweise hat das Haus derzeit ein Notdach, damit es trocknen kann und die übrig gebliebene Denkmalsubstanz vor der Witterung geschützt wird.
Das Feuer hat viel wertvolle historische Bausubstanz vernichtet, aber längst nicht alles. Nachdem der Brandschutt entfernt ist, tritt im Inneren an vielen Stellen der Jahrhunderte alte Rohbau zutage. Schrammel deutet auf typisches Augsburger Sparmauerwerk. Die Arkaden sind so konstruiert, dass eine Hauswand zwischen zwei Gebäuden ausreicht. Sie lehnen sich sozusagen aneinander. An anderen Stellen sieht man unter abgeplatzten
neueren Schichten originalen Wandputz, der einst auf Haselruten aufgebracht wurde. Auch Reste früherer Wandbemalungen treten wieder zutage. Unter einer modernen Abdeckung wurde die Holzbalustrade des früheren Balkons zum Innenhof entdeckt. Auch die zentrale Treppe aus dem Barock hat den Großbrand überstanden. Sie ist jetzt mit Spanplatten verschalt, um sie vor Beschädigungen auf der Baustelle zu schützen.
Architekt Schrammel sagt, viele Vorbereitungen für den Wiederaufbau seien inzwischen abgeschlossen. Die Bauhistorie des einstigen Bürgerhauses, das im Kern aus dem 16. Jahrhundert stammt, wurde vor Ort erforscht. Es gab eine Bestandsaufnahme der noch vorhandenen denkmalpflegerisch wertvollen Bauteile. Spezialisten nahmen die Statik des Gebäudes unter die Lupe. Ein großes Ziel ist darüber hinaus, die historische Fassade an der Karolinenstraße mit all ihren gestalterischen Details im Augsburger Zopfstil zu rekonstruieren.
Dafür wurden alte Bauakten und Fotos ausgewertet. Hilfreich ist laut Schrammel zudem ein 3D-Laserscan. Er wurde während des Brandes angefertigt, um zu beobachten, ob sich das Mauerwerk bewegt.
Seit Dezember liegt der Stadt der Bauantrag für den Wiederaufbau vor. „Wir hoffen auf eine Genehmigung möglichst bis zum Frühjahr“, sagt Hausverwalter Jörg Kudszus. Die Abstimmung mit Stadt und Denkmalpflege laufe gut. Von den beteiligten Stellen gebe es „volle Unterstützung“. Als große Herausforderung gilt, den Denkmalkern mit dem Neubau zusammenzufügen.
Bauleiter Martin Geck erklärt, dass aus Brandschutzgründen der größere Teil der alten Bausubstanz künftig wieder hinter Verkleidungen verschwinden muss. Mit Prognosen, wie lange es dauern wird, bis das Wohn- und Geschäftshaus wieder intakt ist, sind die Fachleute vorsichtig. Zunächst müssten spezialisierte Fachfirmen gefunden
werden. Auch bei einem zügigen Ablauf sei wohl nicht mit einer Bauzeit unter zwei Jahren zu rechnen.
Und dann geht es auch noch ums Thema Geld. Der Wiederaufbau des Denkmals, der einen Millionenbetrag kosten dürfte, gilt zwar als finanziell gesichert. Der Brand ist ein Versicherungsfall. Hausverwalter Jörg Kudszus sagt
jedoch, dass Gespräche über eine „wirtschaftliche Lösung“mit der Versicherung laufen. Bis neue Mieter einziehen können, wird es aus seiner Sicht noch dauern. Die neuen Wohnungen im Haus sollen kleiner werden als die alten, aber auch moderner. Die Zeiten der legendären WGs in der Karolinenstraße werden damit wohl nicht mehr zurückkehren.