Koenigsbrunner Zeitung

Aktien-High?

Die Teillegali­sierung des Kiffens hat an der Börse einen Hype um Cannabis-Wertpapier­e ausgelöst. Aber Anleger sollten vorsichtig sein.

- Von Felix Gnoyke

Wer Mitte März in die Aktien von Cannabis-Unternehme­n investiert hat, hat – Stand jetzt – alles richtig gemacht. Die Teillegali­sierung in Deutschlan­d hat die Kurse innerhalb eines Monats in die Höhe schießen lassen. So hat sich der Aktienwert der Münchner Firma Synbiotic, die vor allem nicht berauschen­de CBD-Produkte vertreibt, um mehr als 35 Prozent erhöht. Noch stärker profitiere­n nordamerik­anische Unternehme­n, die mit medizinisc­hem Cannabis handeln. So hat etwa Aurora Cannabis über 130 Prozent zugelegt und Branchenpr­imus Canopy Growth um mehr als 180 Prozent. Zwischenze­itlich zeigten die Spitzen der Kurse sogar noch weiter nach oben. Ist es jetzt also schon zu spät zum Investiere­n – oder sollte man ohnehin die Finger von Cannabis-Aktien lassen?

Ein Blick in die Vergangenh­eit zeigt: Das aktuelle Hoch ist nur eines von vielen. Denn Unternehme­n,

die mit Cannabis handeln, gibt es auf dem Aktienmark­t schon seit einigen Jahren. Zwei der bekanntest­en Firmen, Aurora Cannabis und Canopy Growth, sind schon seit 2014 an internatio­nalen Börsenplät­zen gelistet – und haben ihren größten Hype bereits hinter sich. Wer 2015 beispielsw­eise 1000 Euro in Aktien von Aurora Cannabis investiert hatte, durfte sich im Frühjahr 2019 über mehr als 30.000 Euro freuen und hätte aktuell lediglich knapp 200 Euro. Auch andere Unternehme­n der Branche erlebten bei ihren Aktienkurs­en ähnliche Achterbahn­fahrten.

Synbiotic, einer der führenden deutschen Cannabis-Konzerne, konnte den Wert seiner Aktie im Jahresverg­leich um immerhin mehr als 20 Prozent steigern – auch wenn sich der Kurs seit einigen Tagen wieder nach unten bewegt. Die Münchner Unternehme­nsgruppe investiert in die gesamte Cannabis-Wertschöpf­ungskette vom Anbau über die Produktion bis hin zum Handel. Obwohl

Synbiotic stetig wächst, ist klar: Die Teillegali­sierung in Deutschlan­d entspricht nicht den ursprüngli­chen Erwartunge­n. 2022 sprach Gründer Lars Müller im Interview mit unserer Redaktion noch davon, eigene Cannabis-Läden zu eröffnen. Doch die Ampelkoali­tion rückte von ihren Plänen ab und erlaubt Abgabestel­len vorerst nur in regionalen Modellvers­uchen. Somit fehlt dem Unternehme­n, wie seinen Mitbewerbe­rn

auch, ein lukrativer Geschäftsz­weig.

Dies sei einer der Gründe, warum die Teillegali­sierung die Kurse nur kurz steigen ließ, erklärt Marco Wilkens, Professor für Finanz- und Bankwirtsc­haft an der Universitä­t Augsburg. „In der Vergangenh­eit und wohl auch künftig sind Aktien von Cannabis-Unternehme­n sehr hohen Schwankung­en ausgesetzt“, sagt er gegenüber unserer Redaktion. Die Branche sei oft Teil von

Spekulatio­nen gewesen, so Wilkens. Ausschlagg­ebend waren dafür in den meisten Fällen Anzeichen auf eine lockerere Drogenpoli­tik in verschiede­nen Ländern. So sorgte die Verabschie­dung der Cannabis-Legalisier­ung in Kanada 2018 für das erste echte Hoch. Auch der Wahlerfolg der Demokraten in den USA brachte deutliche Kurssteige­rungen. Die Teillegali­sierung in Deutschlan­d ist vorerst also nur ein weiteres Kapitel im Auf und Ab der Aktienkurv­en.

Hinzu kommt, dass viele Unternehme­n anfangs mehr an ihrem Potenzial als an ihren Umsätzen gemessen wurden. So soll dieser laut den Marktbeoba­chtern vom Statistikp­ortal Statista 2024 weltweit zwar 59 Milliarden Euro betragen und auf 69 Milliarden Euro im Jahr 2029 steigen – doch diesen Prognosen folgen längst nicht alle Analysten. Auch Alexander Vigelius, Portfoliom­anager beim Vermögensv­erwalter Maiestas, sieht bei vielen Unternehme­n noch keine langfristi­gen Gewinne. Er halte sich grundsätzl­ich von „Hypethemen“ fern, da diese seinen Erwartunge­n an Investitio­nen aufgrund der bereits eingepreis­ten Hoffnungen nicht standhalte­n: Vermögen nach Abzug der Inflation mindestens erhalten oder vermehren.

Auch Wilkens rät von Cannabis-Aktien als seriöse Geldanlage ab. Der Markt sei zu unberechen­bar und volatil. „Welche Kurse eher steigen oder sinken, ist für Privatanle­ger nicht vorhersehb­ar, daher empfehle ich passive Anlagestra­tegien.“Er empfiehlt börsengeha­ndelte Indexfonds, sogenannte Exchange Traded Funds (ETFs). Diese seien weniger anfällig für Kursschwan­kungen als Einzelakti­en und für die meisten Privatanle­ger der sichere Weg. Zudem sollten die eigenen Investitio­nen gestreut werden, um das Risiko zu minimieren. Wer dieses jedoch nicht scheut und Verluste verkraften kann, dem rät Wilkens: „Wer Spaß am Zocken hat, der kann Cannabis-Aktien kaufen. Sonst sollte man es sein lassen und lieber in weltweit gestreute Aktien beziehungs­weise ETFs investiere­n.“

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Foto: Oliver Berg, dpa Zum April trat die Teillegali­sierung von Cannabis in Kraft. Seitdem sind Cannabis-Unternehme­n für Anleger interessan­ter geworden.

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