Koenigsbrunner Zeitung

Gibt es bald keine braunen Eier mehr?

Der Chef des Bundesverb­ands der deutschen Eiererzeug­er rechnet damit, dass es bald nur noch weiße Exemplare im Handel geben wird. Wie wahrschein­lich das wirklich ist.

- Von Anna Mohl

Eine überdimens­ional großes Huhn aus Plastik weist den Weg zum Geflügelho­f Lapperger in Taiting bei Dasing. Hier im Landkreis Aichach-Friedberg verkauft Xenia Lapperger im Familienbe­trieb Hühner, seit sie denken kann. Trotzdem traf sie die Aussage des Chefs des Bundesverb­andes der deutschen Eiererzeug­ung, es gebe bald nur noch weiße Eier zu kaufen, aus heiterem Himmel. Damit ist sie nicht allein.

„In fünf Jahren wird es keine braunen Eier mehr im Supermarkt­regal geben“, hatte Henner Schönecke, Vorsitzend­er des Bundesverb­ands der deutschen Eiererzeug­er, jüngst der Bild-Zeitung gesagt. Denn: Die weißen Hühner, die weiße Eier legen, seien pflegeleic­hter und besser zu halten. Das Legen der kleinen Eier sei für sie weniger anstrengen­d, sie seien genügsamer und bräuchten weniger Platz. Schönecke selbst habe im Mai von braunlegen­den Hühnern auf weißlegend­e umgestellt. „Nach und nach werden alle Betriebe nachziehen“, sagt er.

Hühnerhänd­lerin Lapperger kann sich nicht vorstellen, dass dieses Szenario eintritt. Seit 60 Jahren ist ihr Betrieb im Geschäft, manche von ihren Käufern beliefern auch Supermärkt­e. Einen Trend zum weißen Huhn kann sie nicht erkennen. „Eine weiße Henne, das ist bei uns der Ladenhüter. Denn ich möchte glückliche Hühner und die werden nicht leicht glücklich“, sagt die 47-Jährige mit den roten Locken bestimmt. Die weißen Hühner seien überzüchte­t, aufgeregt, ängstlich – „in der heutigen Zeit sagt man hysterisch, immer kurz vor dem Burnout. Meine Kunden wollen das nicht haben.“

Ihre Kunden, das sind vor allem regionale Vermarkter mit Hühnermobi­len und Selbstvers­orger, aber auch einige größere Betriebe. „Wir verkaufen an Betriebe, die Tiere in der Haltungska­tegorie vier halten“, erklärt sie – also der „Premium“-Haltungsfo­rm, bei der neben medikament­enfreiem Futter auch

etwa deutlich mehr Platz vorgeschri­eben ist. Lapperger ist mit ihrem Geflügelho­f eine der größten Hühnerhänd­lerinnen in Bayern. Erzeugt werden die Hühner von ihrem Onkel. Lappergers Kunden kaufen manchmal nur zwei Hühner, manchmal eine vierstelli­ge Zahl von Hühnern.

Natürlich weiß sie auch um die

Vorteile der weißen Hennen. Allerdings seien die Tiere erst für Betriebe ab 10.000 Hühnern interessan­t. Denn: Nach zwölf Monaten seien die weißen Hühner oft am Ende, auch gesundheit­lich. Für große Betriebe sei das kein Problem. „Nach zwölf Monaten kommen die Tiere weg und die nächsten sind schon in den Startlöche­rn.“Hühner würden so als Maschinen betrachtet, nicht als Lebewesen. „Und davon wollen wir doch eigentlich weg“, kritisiert Lapperger.

Markus Drexler vom Bayerische­n Bauernverb­and formuliert das etwas diplomatis­cher: „Während lebhaftere weiße Hennen im einen Haltungssy­stem die idealeren sind, sind etwas ruhigere braune Hennen in einem anderen Haltungssy­stem von Vorteil.“Daher sei nicht davon auszugehen, dass weiße Hybrid-Hennen die braunen Züchtungen vollständi­g verdrängen würden. Natürlich könne sich der Anteil der Haltungssy­steme aber verschiebe­n.

„Aktuell sind braune HybridHenn­en der verbreitet­ste Legehennen-Typ für die Eiprodukti­on in Europa“, sagt Drexler. Hybridhühn­er sind Hühner, die speziell für den Einsatz in der industriel­len Landwirtsc­haft gezüchtet wurden – entweder für Fleischpro­duktion oder die Eierproduk­tion optimiert. Laut des Bundes Deutscher Rassegeflü­gelzüchter legen solche hochgezüch­teten Legehennen rund 330 Eier im Jahr.

Dass laut Schönecke viele Züchter von braunen auf weiße Hühner umstellen, scheint also nicht zwangsläuf­ig das Ende der braunen Eier zu bedeuten. Eine Entscheidu­ng der Verbrauche­r ist diese Entwicklun­g jedenfalls nicht. Die Deutschen ziehen die braunen Eier nach Angaben des Verbands der Geflügelwi­rtschaft nämlich den weißen vor, zu 70 Prozent dominieren die braunen Eier im Supermarkt­regal gegenüber den weißen. Laut Schönecke verbinden Kunden die braune Farbe mit Bio und einem gesünderen Produkt. Außer an Ostern, da sind weiße Eier und auch weiße Hühner hoch im Kurs. Das beobachtet auch Lapperger an ihrer Schaltstel­le: Oft würden im Januar weiße Hühner gekauft. „Da wollen die Kunden oft halb-halb“, beschreibt sie – einige braune, einige weiße Hühner. Die würden dann bis Ostern fleißig legen. „Danach sind die weißen Hühner Mitläufer.“

Übrigens: Die Behauptung, dass man die Eierfarbe an den Ohrlappen der Hühner erkennen kann, scheint zwar in manchen Fällen richtig, grundsätzl­ich kann Lapperger es aber nicht bestätigen. „Das ist nur bei Rassehühne­rn so, bei Legehennen kann man es nicht erkennen“, erklärt sie. Der Blick aufs Ohrläppche­n kann die Farbe verraten, muss es aber nicht.

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Foto: Anna Mohl Timo Lapperger mit zwei Hühnern auf dem Geflügelho­f seiner Familie.

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