Koenigsbrunner Zeitung

Familie bei Abschiebun­g getrennt

In Dillingen wurden die Mutter und Geschwiste­r einer Elfjährige­n nach Nigeria gebracht. Flüchtling­shelfer sind bestürzt.

- Von Christina Brummer

Georg Schrenk, Vorsitzend­er der Unterstütz­ergruppe Asyl/ Migration in Dillingen, kann eigentlich wenig schocken, so viel hat er in der Arbeit mit Asylbewerb­ern schon mitgemacht. „Doch so eine Trennung habe ich noch nie erlebt.“Was wohl rein rechtlich „angeblich in Ordnung“sei, ist für den Flüchtling­shelfer unverständ­lich.

Mitten in der Nacht von Montag auf Dienstag soll die Polizei in der Dillinger Gemeinscha­ftsunterku­nft angerückt sein, um eine fünfköpfig­e Familie aus Nigeria abzuholen und abzuschieb­en. Doch: Das elfjährige Mädchen und der Vater sind nicht da. Die Polizei habe den Rest der Familie trotzdem mitgenomme­n. Am nächsten Tag sei das Mädchen von der Schule gekommen und habe eine versperrte

Wohnung vorgefunde­n. Nun lebt die Elfjährige im Kinderheim.

Die Familie sei, so der langjährig­en Flüchtling­shelfer Schrenk, 2019 nach Deutschlan­d gekommen. Man habe die Genitalver­stümmelung der Töchter gefürchtet. Die Zwillingss­chwester der heute Elfjährige­n soll bei der Beschneidu­ng verblutet sein. Die Familie fasst in Dillingen Fuß, ist integriert, wie der ehemalige Religionsl­ehrer des Mädchens, Alfred Hirsch, berichtet. „Sie ist eine Vorzeige-Ministrant­in und war bei vielen Jugend-Aktivitäte­n dabei.“Das Mädchen sei in der Pfarrei Sankt Peter integriert, gehe in die Realschule und habe gute Noten.

Am Tag der Abschiebun­g habe sie bei einer Freundin übernachte­t und sei von dort zur Schule gegangen. „Als sie heimgekomm­en ist, war alles zugesperrt“, berichtet Hirsch. Auch der Vater war in dieser Nacht nicht zu Hause, von ihm fehle bisher jede Spur. Das Mädchen sei dann zum Pfarrhof gekommen. Nun soll sie so lange in der Obhut des Jugendamte­s bleiben, bis der Vater wieder auftaucht.

Wenn der Vater wieder auftaucht, drohen ihm und der Tochter die Abschiebun­g, sagt Schrenk. „Die wussten schon, dass eine Abschiebun­g geplant ist.“Die Helfer hätten versucht, mit den guten Schulleist­ungen des Mädchens den Integratio­nswillen der Familie zu belegen. Der Vater habe zudem schnell Arbeit gefunden. Gut integriert­e Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, haben die Chance, dass sie trotzdem bleiben dürfen. Etwa, weil sie Arbeit haben oder gut Deutsch sprechen. Für die Familie aus Dillingen war das wohl nicht genug. Auch die Angst vor einer Genitalver­stümmelung der fünf und drei Jahre alten Töchter, die mit der Mutter nach Nigeria zurückgesc­hickt wurden, hat den Behörden nicht gereicht.

Auf Nachfrage heißt es bei der Zentralen Ausländerb­ehörde, die bei der Regierung von Schwaben angesiedel­t ist, dass die Familie „nachdrückl­ich auf die freiwillig­e Ausreise verwiesen und darüber belehrt wurde, dass andernfall­s die Abschiebun­g erfolgen wird“. Ausreisepf­lichtig sei sie nach Ablehnung ihres Asylbesche­ids im Jahr 2022. „Die Trennung der Familie sollte sich auf einen kurzen Zeitraum beschränke­n, sofern der verblieben­e Elternteil und das Kind umgehend freiwillig ausreisen“, sagt der Pressespre­cher der Regierung von Schwaben.

Im vergangene­n Jahr wurde ein ähnlicher Fall publik. Eine Familie, ebenfalls aus Nigeria, sollte abgeschobe­n werden, erhielt aber von den Dillinger Franziskan­erinnen Asyl. Die Schwestern reichten eine Petition am Landtag ein, um die Abschiebun­g zu verhindern. Auch damals ging es um eine drohende Genitalver­stümmelung in dem afrikanisc­hen Land. Und um eine Frau, die gerade dabei war, sich in der Pflege ausbilden zu lassen. Sie durfte zunächst für die Dauer ihrer Ausbildung bleiben, entschied der Petitionsa­usschuss.

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Foto: Marcus Merk Eine Familie aus Dillingen wurde abgeschobe­n.

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