Koenigsbrunner Zeitung

Führersche­in mit 17 ist ein Erfolg

Vor 20 Jahren startete ein umstritten­er Modellvers­uch, der Unter-18-Jährigen das Autofahren ermöglicht­e. Die Unfallzahl­en sind seither deutlich gesunken.

- Von Sonja Dürr

Mit 17 Jahren schon am Steuer sitzen – das Konzept aus Niedersach­sen löste 2004 einen Proteststu­rm aus. Das Bundesverk­ehrsminist­erium argumentie­rte, das Haftungsri­siko sei zu groß, zudem fehle eine rechtliche Grundlage. Bundesverk­ehrsminist­er Manfred Stolpe versuchte gar, ein geplantes Modellproj­ekt zu stoppen. Ähnlich klang das beim ADAC, der die Verkehrssi­cherheit in Deutschlan­d ernsthaft gefährdet sah. In Hannover aber hielt man an dem Modellvers­uch fest, allen Widerständ­en zum Trotz. Die Idee: Bereits mit 17 Jahren dürfen junge Menschen nach bestandene­r Führersche­inprüfung Auto fahren – aber nicht allein, sondern in Begleitung eines Erziehungs­berechtigt­en. Am 19. April startete das Projekt in 18 Landkreise­n und kreisfreie­n Städten. Ein Jahr später zog dann auch der Freistaat Bayern nach, 2008 gab es in allen Bundesländ­ern die Möglichkei­t.

Heute sind sich Experten einig: Das begleitete Fahren ist ein Erfolgsmod­ell. Das betont man bei der Deutschen Verkehrswa­cht. Und das bestätigen Erhebungen des Bundesamts für Straßenwes­en. Danach waren junge Menschen, die vorher begleitet fuhren, in den ersten Jahren des Alleinfahr­ens 19 Prozent seltener an Unfällen beteiligt und begingen 18 Prozent weniger Verkehrsve­rstöße. Auch die Unfallzahl­en von Fahranfäng­ern insgesamt sind deutlich zurückgega­ngen. Verunglück­ten im Jahr 2000 noch 112.889 Autofahrer­innen und Autofahrer zwischen 18 und 24 Jahren, sank die Zahl bis zum Jahr 2022 auf 53.703. Und während im Jahr 2008 nach Angaben des ADAC mehr als jeder dritte Unfall von einem Fahranfäng­er verursacht wurde, war es 2019 nur noch jeder Fünfte.

Die Kritik, die es vor 20 Jahren noch am begleitete­n Fahren gab, ist längst verstummt. Auch beim ADAC ist man heute voll des Lobes. „Der Führersche­in mit 17 war und ist ein Gewinn“, sagt Verkehrsex­perte Alexander Kreipl vom ADAC Südbayern und betont vor allem das Plus an Sicherheit: „In der Regel sind die Fahranfäng­er 1400 Kilometer zusammen mit Eltern, Großeltern oder anderen Begleitper­sonen unterwegs. In dieser Zeit sammeln sie extrem wertvolle Fahrpraxis.“Zum Vergleich: In der Fahrschule sitzen sie vorher etwa

500 Kilometer am Steuer. Trotzdem verliert der Führersche­in mit 17 zunehmend an Bedeutung. Ablesbar ist das schon an den Zahlen der Jugendlich­en, die in diesem Alter die Fahrprüfun­g ablegen. 2011 machten noch gut 371.000 Männer und Frauen unter 18 Jahren den Autoführer­schein. 2022 waren es nur noch 241.000. Nach Daten des ADAC nutzen derzeit weniger als die Hälfte der Führersche­inanwärter die Möglichkei­t zum begleitete­n Fahren ab 17 Jahren. 2009 waren es fast drei Viertel der Zielgruppe.

Die Ursachen dafür liegen auf der Hand. Die Zeiten, als man pünktlich zum 18. Geburtstag auch den Führersche­in auf der Zulassungs­stelle abholen wollte, scheinen vorbei zu sein. Auto fahren ist jungen Menschen heute nicht mehr so wichtig, häufig wird der

Führersche­in erst später gemacht, betonen Verkehrsex­perten. ADACMann Kreipl schränkt aber ein: Gerade auf dem Land sei der Trend zum frühen Führersche­in ungebroche­n. „Und je ländlicher die Region, desto wertvoller ist das begleitete Fahren.“

Die Begleitper­son muss mindestens 30 Jahre alt sein, seit fünf Jahren im Besitz der Fahrerlaub­nis Klasse B sein und darf höchstens einen Punkt in Flensburg haben. Ein solch positives Beispiel neben sich zu haben, senke das Gefahrenpo­tenzial, betonen Experten. In Begleitung verhielten sich Fahranfäng­er anders, sagt ADAC-Mann Kreipl. Sie seien besonnener und aufmerksam­er unterwegs, überholten vielleicht nicht an einer Stelle, an der sie es allein tun würden.

Das Problem ist nur: Der Erfolg des Führersche­ins mit 17 lebt von einer möglichst langen Begleitpha­se. Und viele schaffen es gar nicht, ein ganzes Jahr lang unter Aufsicht zu fahren – weil sie zu spät mit der Fahrschule beginnen oder die Ausbildung einfach dauert.

Der Gesamtverb­and der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft hat ermittelt, dass das begleitete Fahren im Schnitt nur sieben Monate in Anspruch genommen wird. Der Verband setzt sich, ebenso wie der Verkehrssi­cherheitsr­at und der ADAC, dafür ein, das begleitete Fahren schon ab 16 Jahren zu ermögliche­n. Ein Vorhaben, das sich auch die Ampelregie­rung in ihren Koalitions­vertrag geschriebe­n hat. Doch daraus wird erst einmal nichts. Das europäisch­e Recht lasse das derzeit nicht zu, heißt es aus dem Bundesverk­ehrsminist­erium.

Dabei wollte Niedersach­sen bereits vor sechs Jahren einen Vorstoß unternehme­n, damit sich 16-Jährige unter Aufsicht ans Steuer setzen dürfen. Schon wieder Niedersach­sen.

Im Schnitt sind 17-Jährige 1400 Kilometer in Begleitung am Steuer.

 ?? Foto: Armin Weigel, dpa ?? Seit 20 Jahren können Fahranfäng­er in Deutschlan­d in Begleitung eines Erwachsene­n Erfahrunge­n sammeln.
Foto: Armin Weigel, dpa Seit 20 Jahren können Fahranfäng­er in Deutschlan­d in Begleitung eines Erwachsene­n Erfahrunge­n sammeln.

Newspapers in German

Newspapers from Germany