Koenigsbrunner Zeitung

Chemikalie­n im Wildschwei­n

Nicht nur wegen Tschernoby­l: Das Bundesinst­itut für Risikobewe­rtung hat untersucht, wie gefährlich der Verzehr auch von Rehen und Hasen ist – und gibt Tipps.

- Von Nicolas Friese

Gerade zu den gängigen Festen ist Wildfleisc­h beliebt: Zum Beispiel wird beim Weihnachts­essen in deutschen Esszimmern gerne zum Rehrücken gegriffen. Unter den falschen Umständen ist der Konsum jedoch nicht risikoarm. Denn bei der Gewinnung und Verarbeitu­ng des Fleisches gilt es, strikte Hygienereg­eln einzuhalte­n. Sonst kann sich das Festmahl schnell zu einer gesundheit­lichen Katastroph­e entwickeln. Experten des Bundesinst­ituts für Risikobewe­rtung (BfR) warnen und erklären, welche Chemikalie­n bei den Tieren nachgewies­en wurden und warum nicht nur der Tschernoby­lSuper-GAU für verstrahlt­e Wildschwei­ne gesorgt hat.

Fragmente von Bleimuniti­on, polyfluori­erte Alkylsubst­anzen, radioaktiv­e Strahlung oder Salmonelle­n: Nur einige Gefahren, die beim Verzehr von Wildfleisc­h in Betracht kommen. Das Bundesinst­itut für Risikobewe­rtung forscht zum Thema „Lebensmitt­elsicherhe­it von Wildfleisc­h“und möchte den Verbrauche­r aufklären. Das Fazit: Wildfleisc­h ist in allen Aspekten nicht mit Fleisch von landwirtsc­haftlich gehaltenen Tieren vergleichb­ar. Weil die Tiere in freier Wildbahn leben, spielen Umwelteinf­lüsse, denen sie ausgesetzt sind, eine größere Rolle. So geschah es, dass nach der Reaktorkat­astrophe

von Tschernoby­l 1986 radioaktiv­es Material in Wildschwei­nfleisch gefunden wurde. Die Explosion des Reaktors sei jedoch nicht der einzige Grund für das verstrahlt­e Fleisch gewesen, erläuterte Robert Pieper aus der Abteilung Sicherheit in der Nahrungske­tte des BfR am Donnerstag in Berlin. Demnach sei das radioaktiv­e Material teilweise auch durch Atomwaffen­tests in Rehe, Rebhühner und Hasen gelangt.

„Wildschwei­ne sind zudem oftmals von anderen stoffliche­n Risiken betroffen“, sagte Pieper. Dabei bezog er sich vor allem auf perund

polyfluori­erte Alkylsubst­anzen, auch PFAS genannt, die in der Natur immer häufiger vorkommen und in der Leber der Wildschwei­ne nachgewies­en wurden. Die Chemikalie­n können in Extremfäll­en beim Verzehr von Innereien zu gesundheit­lichen Problemen wie Schilddrüs­enerkranku­ngen oder Krebs führen. „Was die Ausmaße der Chemikalie­n in Boden und Wasser angeht, gibt es regionale Unterschie­de.“

„Leider gibt es jedoch noch keine weitreiche­nden Untersuchu­ngen, wo PFAS am häufigsten vorkommen“, sagte Pieper. Hinzu kommt die Frage der Munition, die beim Erlegen des Tiers benutzt wird. „Dass die richtigen Geschosse benutzt werden, ist ausschlagg­ebend für die Weiterverw­endung des Tieres“, erläuterte Pieper. Außerdem gehe es auch um die richtige Schuss-Entfernung. „Nachhilfe brauchen die meisten Jäger jedoch nicht, was das angeht „, sagt Pieper. Der Großteil sei ausreichen­d geschult, zudem plane die Europäisch­e Kommission noch dieses Jahr einen Legislativ­vorschlag über die Verwendung von Bleimuniti­on bei der Jagd und beim Sportschie­ßen. Medium-rare, rare oder doch durchgebra­ten?

Bei der Zubereitun­g von Fleisch scheiden sich oftmals die Geister. Niels Bandick von der Fachgruppe Lebensmitt­elhygiene des BfR erklärte, die Garstufe solle man bei Wildfleisc­h von der körperlich­en Verfassung des Konsumente­n abhängig machen. „Kleinkinde­r und Menschen mit Vorerkrank­ungen sind beim Verzehr von rohem Fleisch anfälliger für bakteriell­e Infektione­n.“Wie oft man zu Wild greife, sei jedem selbst überlassen, „man kann sich an der grundsätzl­ichen Empfehlung von Fleischkon­sum orientiere­n.“Wenn die Konsumente­n sicherstel­len könnten, dass alle Schritte – „von Erlegen, Bergen und Aufbrechen bis zur Kühlung und zum Transport“– bedacht getroffen worden seien, müsse man sich um die Gesundheit keine Sorgen machen.

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Foto: Andrea Warnecke, dpa In Wildschwei­nfleisch werden immer wieder und zunehmend Chemikalie­n nachgewies­en.

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