Koenigsbrunner Zeitung

Betretungs­verbot gegen einen Klimacamp-Aktivisten

Ein junger Mann hat in einem privaten Chat offenbar wüste Drohungen gegen OB Eva Weber geäußert. Die Stadt reagiert auf den Vorfall, auch die Polizei ist involviert.

- Von Stefan Krog und Jan Kandzora

Ein 20-jähriger Aktivist des Klimacamps hat in einem privaten Chat mit einer Verwandten offenbar heftige Bedrohunge­n gegen Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) fallen lassen. Dabei handelte es sich wohl um brutale Gewalt- und Todesszena­rien, die bei Polizei und Stadt die Alarmglock­en schrillen ließen. Inzwischen gibt es gegen den Mann ein Kontaktver­bot mit der Oberbürger­meisterin und ein Betretungs­verbot für Rathaus, Verwaltung­sgebäude und auch den Fischmarkt, wo das Klimacamp sitzt, aber auch der Nachteinga­ng zum Rathaus liegt. Zudem darf der Mann keine gefährlich­en Gegenständ­e in der Öffentlich­keit mit sich führen. Das Klimacamp distanzier­te sich „in aller Deutlichke­it und mit Nachdruck“von den Drohungen.

So erklärte Mitinitiat­or Ingo Blechschmi­dt auf Anfrage, dass es klarer Konsens sei, dass Gewalt kein Mittel der politische­n Auseinande­rsetzung sei. Man kritisiere einzelne Politiker, darunter oft genug auch Weber, weil sie nun einmal in der Verantwort­ung stehen. Gewalt sei aber tabu. „Und wer glaubt, dass die Klimakrise am Handeln einzelner Politiker liegt, hat nicht verstanden, dass es eine Frage der ganzen Gesellscha­ft ist“, so Blechschmi­dt. Anwältin Martina Sulzberger, die den verdächtig­en Aktivisten vertritt, sagte auf Anfrage, sie gehe für ihren Mandanten derzeit gegen den Bescheid vor, der etwa ein Betretungs­verbot für den Fischmarkt vorsehe und damit faktisch auch eine Teilnahme an der Klimacamp-Demo untersagt. Somit wird das Verwaltung­sgericht in Augsburg die Rechtmäßig­keit überprüfen. Nach Angaben von Sulzberger gelten die Verbote bis ins Jahr 2027. „Die Gefahrenpr­ognose ist falsch, das Betretungs­verbot nicht verhältnis­mäßig“, sagt die Anwältin. Nach Auskunft von Sulzberger liege der fragliche Chat auch bereits eine Weile zurück.

Die Polizei bestätigte auf Anfrage, dass ein 20-jähriger Mann gegenüber Dritten Drohungen ausgesproc­hen

haben soll, „die sich gegen Frau Oberbürger­meisterin Weber richten“. Aufgrund dessen sei die Polizei im Zuge der sogenannte­n Gefahrenab­wehr tätig und bearbeite aktuell den Sachverhal­t. Indes: Ermittlung­en wegen des Anfangsver­dachts einer Straftat gebe es gegen den 20-Jährigen nicht. Auf Antrag der Kriminalpo­lizei Augsburg habe das Amtsgerich­t Augsburg auf Grundlage des Polizeiauf­gabengeset­zes einen Durchsuchu­ngsbeschlu­ss mit der Zielrichtu­ng Gefahrenab­wehr erlassen; die Wohnung des 20-Jährigen sei daraufhin durchsucht worden. „Wie in solchen Fällen üblich, wurde dabei unter anderem ein entspreche­ndes Gespräch mit 20-Jährigen durchgefüh­rt und ihm

ein polizeilic­hes Kontaktver­bot ausgesproc­hen“, so ein Sprecher des Präsidiums.

Öffentlich bekannt wurde der Vorfall am Rande des Ordnungsau­sschusses des Stadtrats am Montag. Ordnungsam­ts-Leiter Andreas Bleymaier schnitt die Durchsuchu­ng kurz vor Ostern im Rahmen eines Berichts zum Demonstrat­ionsgesche­hen in Augsburg an. Wie berichtet will die Stadt ihren Pförtnerdi­enst an städtische­n Gebäuden ohnehin weiter ausbauen. Dem Vernehmen nach als Reaktion auf den konkreten Vorfall dürfen sich Besucher im Verwaltung­sgebäude I am Rathauspla­tz neuerdings nicht mehr unbegleite­t bewegen, sondern werden an der Pforte abgeholt, um

Mitarbeite­r allgemein zu schützen.

Was das Klimacamp grundsätzl­ich betrifft, kamen mehrere Fragen von Stadträten zu dessen Eigenschaf­t als Versammlun­g. Die Stadt hatte versucht, das Protestcam­p in der Vergangenh­eit zu räumen, scheiterte damit aber vor Gericht. Der Verwaltung­sgerichtsh­of sah im Camp eine grundgeset­zlich geschützte Dauerdemo, legte seiner Entscheidu­ng aber die Aktivitäte­n der ersten Tage im Sommer 2020 zugrunde, auf die die Stadt im Räumungsbe­scheid Bezug genommen hatte.

CSU und SPD deuteten an, man könne sich durchaus die Frage stellen, ob das Camp aktuell noch die Voraussetz­ungen für eine Versammlun­g

erfülle. AfD-Rat Friedrich Baur sagte, es sei offensicht­lich, dass das Camp keine Versammlun­g mehr sei. „Es steht aber unter dem Schutz der Grünen und das Ordnungsam­t traut sich nicht, dagegen vorzugehen.“Grünen-Rat Stefan Wagner wies das zurück. „Der Verwaltung­sgerichtsh­of hat Anforderun­gen formuliert, und die erfüllt das Klimacamp.“

Ordnungsam­ts-Chef Bleymaier sagte, die Zahl der Teilnehmer habe sich gegenüber den Anfangszei­ten deutlich verringert. Aktuell werde das Camp mindestens einmal vom Ordnungsdi­enst kontrollie­rt, ob dort die für eine Versammlun­g erforderli­che Mindestzah­l von zwei Teilnehmer­n erreicht sei. „Wir treffen dabei in der Regel auf zwei bis fünf Personen. In ganz seltenen Fällen ist es temporär nur eine Person“, so Bleymaier. Dann werde behauptet, dass sich die andere Person gerade auf der Toilette befinde, kurz darauf erscheine diese dann auch. Diese wenigen Fälle reichten aber nicht, um dem Klimacamp den Rang einer grundgeset­zlich geschützte­n Versammlun­g abzusprech­en.

Der Kern der Teilnehmer sei noch identisch mit den Anfangszei­ten, das früher studentisc­he Publikum sei aber teils durch Personen aus der linken Szene ersetzt worden. Neben Augsburger Aktivisten seien dort inzwischen auch Personen aus dem Allgäu aktiv. Eine Radikalisi­erung stelle man nicht fest. Bei dem Aktivisten, der laut Ermittlung­en die Drohungen gegen Weber geschriebe­n hatte, handle es sich um einen Einzelfall, betonte Bleymaier. Offenbar war der Mann in der Vergangenh­eit auch schichtwei­se als Versammlun­gsleiter fürs Klimacamp eingeteilt.

Das Klimacamp wird im Juni vier Jahre alt werden. Seitdem protestier­en dort Aktivisten rund um die Uhr gegen die aus ihrer Sicht zu zögerliche Klimapolit­ik der Stadt. Zum September wird das Camp seinen Platz räumen müssen, weil dann die Perlach-Sanierung ansteht. Unklar ist, wo das Camp in den kommenden Jahren seinen Platz finden wird und was ein Umzug für die künftigen Aktivitäte­n bedeuten wird.

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Foto: Silvio Wyszengrad (Archivbild) Das Klimacamp neben dem Rathaus in Augsburg wird im Juni vier Jahre alt.

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