Koenigsbrunner Zeitung

Zwei Quereinste­iger und ihr Projekt

Carola Linder ist gelernte Goldschmie­din und Peter Linder Metzgermei­ster. Sie arbeiten an einem Projekt, das es so im Kreis Augsburg noch nicht gibt.

- Von Steffi Brand

Wenn Carola und Peter Linder „Urlaub machen“und das Fischmobil – sehr zum Leidwesen ihrer Marktkunds­chaft – seine Runden nicht dreht, dann steht meist ein Großprojek­t auf dem eigenen Hof an – das es so im Landkreis noch gar nicht gibt. Zuletzt widmeten sie sich in der Brunnenmah­dsiedlung in Allmannsho­fen, ihrem Agroforst, der ebenso unbekannt wie zukunftstr­ächtig ist.

Lena Landefeld, Diplom Permakultu­r-Designerin aus Zusmarshau­sen, die diese Art von Bepflanzun­g vorgeschla­gen hat, erklärt: „Beim Agroforst-Modell werden die natürliche­n Waldschich­ten nachempfun­den, und zwar mit Bäumen und Sträuchern, die ertragreic­h und klimaresil­ient zugleich sind.“

Das bedeutet: Carola und Peter Linder pflanzen in Allmannsho­fen Bäume und Sträucher in unterschie­dlichen Größen und nach einem durchdacht­en Konzept, das zahlreiche positive Nebeneffek­te hat und die Nahrungsmi­ttelproduk­tion mit dem Klimaschut­z in Einklang bringt.

Zum einen soll der Agroforst, der auf 7000 Quadratmet­ern angepflanz­t wird, den starken Ostwind abbremsen, der sonst ungehinder­t an der Hofstelle in der Brunnenmah­dsiedlung aufschlägt. Darüber hinaus kann der Agroforst dem Hitzestau zwischen den Gebäuden im Hochsommer entgegenwi­rken und das Mikroklima verbessern. Zwischen Obststräuc­hern und -bäumen wird es eine Totholzhec­ke

geben, was unter anderem Insekten anlockt. So wird der Agroforst über die Jahre hinweg zum eigenen Ökosystem direkt vor der Haustür. In puncto Pflege wird die Wald- und die Feldarbeit miteinande­r verquickt, erklärt Lena Landefeld. Später kann die Obsternte dann im Hofladen verkauft werden – ein weiteres Urlaubspro­jekt des Paares, das vielleicht im Jahr 2026 Wirklichke­it wird.

Bis Birnen, Holunder, Zwetschgen, Äpfel und Mispeln aus dem Agroforst im eigenen Hofladen verkauft werden können, wird es freilich dauern. „Vielleicht verkaufen unsere Kinder oder Enkel ja unser

Obst im Hofladen“, scherzt Carola Linder und denkt an ihren Nachwuchs, der noch im Krippenalt­er ist. „Für die Enkel mitzudenke­n, ist genau der Ansatz, der vielen entfallen ist“, lobt Lena Landefeld den Weitblick von Carola und Peter Linder. Sie spricht von einem Vollertrag des Agroforste­s binnen durchschni­ttlich 50 Jahren, was bedeutet, dass auf einem Hektar etwa 40 Tonnen Lebensmitt­el erwirtscha­ftet werden könnten. Zum Vergleich: Auf einem Hektar Getreide werden jährlich sechs bis neun Tonnen erwirtscha­ftet.

Dieser Blick in die Zukunft muss jedoch nicht bedeuten, dass das Paar erst in einem halben Jahrhunder­t aus dem Vollen schöpfen kann, denn die Strauch- und Baumarten sind auch so ausgewählt, dass beispielsw­eise Kräuter und Pilze darunter rascher gedeihen. Auch Beeren vom Strauch können sicherlich früher geerntet werden und neben dem AgroforstA­real stehen bereits einige Obstbäume, die durch eine Förderung des Obst- und Gartenbauv­ereins gepflanzt werden konnten.

Durch die unterschie­dlichen Pflanzzeit­en ergeben sich auch unterschie­dliche Erntezeite­n. Der Anbau als Polykultur soll zudem vor kompletten Ernteausfä­llen schützen. Für Konzepte wie das von Carola und Peter Linder gibt es aktuell sogar ein passendes Förderprog­ramm vom Amt für ländliche Entwicklun­g (ALE) in Krumbach, in dem Maßnahmen mit einem Zuwendungs­bedarf zwischen 3000 und 50.000 Euro gefördert werden können.

Bernhard Bacherle vom ALESachgeb­iet Landwirtsc­haft und Landnutzun­g schwärmt förmlich vom Förderprog­ramm, das Strukturun­d Landschaft­selemente für artenreich­e und klimafeste Landschaft­en fördert, denn: Förderfähi­g sind ganz unterschie­dliche Projekte, die Vereine, Verbände, Privatpers­onen, Landwirte oder auch Kommunen ins Leben rufen, um die Biodiversi­tät in der Flurlandsc­haft zu fördern. Hinter „FlurNatur“verbirgt sich unter anderem die Planung und Anlage von Hecken, Feldgehölz­en, Streuobstw­iesen, Trocken- und Feuchtbiot­open, begrünten Abflussmul­den, Erdbecken und Geländestu­fen, die mit bis zu 75 Prozent der förderfähi­gen Kosten bezuschuss­t werden können. Eine reich strukturie­rte Kulturland­schaft ist nämlich nicht nur Grundlage für die Artenvielf­alt, sondern bietet auch Schutz vor den Folgen von Starkregen­ereignisse­n und Hitzewelle­n. Das Projekt von Carola und Peter Linder ist das erste dieser Art im Landkreis Augsburg, weiß Bernhard Bacherle und ergänzt: Es steigert die Biodiversi­tät und verbessert den Wasserrück­halt. Bei der Auswahl der Bäume und Sträucher wurde das Paar von einer Baumschule beraten, denn auf dem Areal mit Blick auf den Schwaighof und

Kloster Holzen ist der Boden extrem nass. „Der Agroforst wird nach und nach wachsen“, verrät Carola Linder. Binnen eines Jahres sollten die meisten Bäume und Sträucher eingepflan­zt sein, heißt es im ambitionie­rten Plan, der seit dem Kauf des Anwesens vor dreieinhal­b Jahren nie zu ruhen scheint. Und einige Ergebnisse sind bereits mehr als sichtbar: Das Wohnhaus ist zu einem solchen geworden. Im ehemaligen Schweinest­all befindet sich nun der Lebensmitt­elbetrieb, also das Fischmobil und der Räucherofe­n, und auf der Wiese, wo nun Obstbäume gedeihen sollten, standen einst noch Brennnesse­l und Wintergers­te.

Aufgrund der positiven Fördersitu­ation hatte das Paar samt einigen fleißigen Helferinne­n und Helfer aus dem Familienkr­eis die Anlage des Agroforsts nun auf die Osterferie­n gelegt. In den Pfingstfer­ien steht der Radlergart­en an, in dem es Sitzmöglic­hkeiten und Automaten mit Verpflegun­g geben soll. Und auch die Idee des Hofladens wird weiterverf­olgt, was aktuell bedeutet: Das Lager muss hergericht­et werden, sodass die Verpackung­smateriali­en, die aktuell noch im Hofladen lagern, umziehen können. Zwischenze­itlich arbeitet das ambitionie­rte Paar daran, das Angebot, das es im Fischmobil gibt, bei regionalen Wiederverk­äufern im Umkreis anzubieten. Auch Direktlief­erungen in Carolas alte Heimat, in den Landkreis Göppingen (Baden-Württember­g), gehören schon zum festen Auftrag, der außerhalb der Ferien zum Hauptgesch­äft des Paares gehören.

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Foto: Steffi Brand Carola und Peter Linder werkeln am Projekt „Agroforst“.

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