Alles besser als der Zaubertrank aus dem Topf
Überall gibt es magische Grenzen, die der Mensch nur allzu gerne überwinden würde. Im Marathon ist es die Zwei-Stunden-Schallmauer, die lange Zeit als unüberwindbar galt. Dann fand sich ein Geldgeber (passenderweise ein Chemiekonzern), der alles daran setzte, das Umfeld für ein Rekordrennen zu schaffen, und nannte es die „1:59 Challenge“. Eine Herausforderung, die Eliud Kipchoge annahm und unter nahezu klinisch sterilen Bedingungen tatsächlich rund 20 Sekunden unter zwei Stunden blieb.
Im Schwimmen wiederum gibt es die 20-Sekunden-Schallmauer über 50 Meter Freistil. Der Weltrekord steht auf der 25-Meter-Bahn bei 20,16 Sekunden, gehalten vom US-Star Caeleb Dressel. Diesen steckte ein Hersteller von Schwimmutensilien in einen Hightech-Anzug und ließ ihn allein gegen die Uhr schwimmen. Dieser Rekordversuch misslang. Und hätte im Erfolgsfall ebenso wenig als offizieller Weltrekord gezählt wie der Marathon unter zwei Stunden. Beide sind (oder wären) in einer perfekten Umgebung zustande gekommen, die mit einem realen Wettkampf nur wenig zu tun haben. Den Sponsoren geht es um den öffentlichen Widerhall, den solche Unternehmungen auslösen. Die offizielle Sprachregelung lautet, dass man die Menschen inspirieren wolle.
Jüngster Beitrag in dieser Serie ist der Versuch des japanischen
Skispringers Ryoyu Kobayashi, über 300 Meter weit zu fliegen. Im isländischen Skigebiet Hlidarfjall hatte ein österreichischer Brausehersteller dafür eigens eine Schanze errichten lassen. Auf dieser flog Kobayashi am vergangenen Mittwoch weit, aber nicht weit genug. Er landete bei 291 Metern. Das wäre zwar Weltrekord, denn die bisherige Bestmarke des Österreichers Stefan Kraft liegt bei 253,5 Metern. Doch der Ski-Weltverband Fis teilte umgehend mit, dass die Weite aufgrund der irregulären Bedingungen nicht gewertet werde. Anerkannt werden Weltrekordversuche üblicherweise nur in Weltcup-Wettbewerben. Der Weltverband wies zudem darauf hin, dass das Material der Springer von einem von der Fis zertifizierten Kontrolleur geprüft werden muss.
Was bleibt, ist auch in diesem Fall eine extrem aufwendige PRAktion, die nun in den zuständigen Marketingabteilungen aufbereitet und in die Welt (vorzugsweise der sozialen Medien) getragen wird. All das mag man affig finden. Übertrieben. Maßlos. Und doch ist es in seiner offensichtlichen Künstlichkeit ehrlicher als das, was Sportler zeigen, deren außergewöhnliche Leistungen am Ende doch nur mit einem Zaubertrank aus dem Suppentopf in Verbindung stehen.