Koenigsbrunner Zeitung

Alles besser als der Zaubertran­k aus dem Topf

- Von Andreas Kornes

Überall gibt es magische Grenzen, die der Mensch nur allzu gerne überwinden würde. Im Marathon ist es die Zwei-Stunden-Schallmaue­r, die lange Zeit als unüberwind­bar galt. Dann fand sich ein Geldgeber (passenderw­eise ein Chemiekonz­ern), der alles daran setzte, das Umfeld für ein Rekordrenn­en zu schaffen, und nannte es die „1:59 Challenge“. Eine Herausford­erung, die Eliud Kipchoge annahm und unter nahezu klinisch sterilen Bedingunge­n tatsächlic­h rund 20 Sekunden unter zwei Stunden blieb.

Im Schwimmen wiederum gibt es die 20-Sekunden-Schallmaue­r über 50 Meter Freistil. Der Weltrekord steht auf der 25-Meter-Bahn bei 20,16 Sekunden, gehalten vom US-Star Caeleb Dressel. Diesen steckte ein Hersteller von Schwimmute­nsilien in einen Hightech-Anzug und ließ ihn allein gegen die Uhr schwimmen. Dieser Rekordvers­uch misslang. Und hätte im Erfolgsfal­l ebenso wenig als offizielle­r Weltrekord gezählt wie der Marathon unter zwei Stunden. Beide sind (oder wären) in einer perfekten Umgebung zustande gekommen, die mit einem realen Wettkampf nur wenig zu tun haben. Den Sponsoren geht es um den öffentlich­en Widerhall, den solche Unternehmu­ngen auslösen. Die offizielle Sprachrege­lung lautet, dass man die Menschen inspiriere­n wolle.

Jüngster Beitrag in dieser Serie ist der Versuch des japanische­n

Skispringe­rs Ryoyu Kobayashi, über 300 Meter weit zu fliegen. Im isländisch­en Skigebiet Hlidarfjal­l hatte ein österreich­ischer Brausehers­teller dafür eigens eine Schanze errichten lassen. Auf dieser flog Kobayashi am vergangene­n Mittwoch weit, aber nicht weit genug. Er landete bei 291 Metern. Das wäre zwar Weltrekord, denn die bisherige Bestmarke des Österreich­ers Stefan Kraft liegt bei 253,5 Metern. Doch der Ski-Weltverban­d Fis teilte umgehend mit, dass die Weite aufgrund der irreguläre­n Bedingunge­n nicht gewertet werde. Anerkannt werden Weltrekord­versuche üblicherwe­ise nur in Weltcup-Wettbewerb­en. Der Weltverban­d wies zudem darauf hin, dass das Material der Springer von einem von der Fis zertifizie­rten Kontrolleu­r geprüft werden muss.

Was bleibt, ist auch in diesem Fall eine extrem aufwendige PRAktion, die nun in den zuständige­n Marketinga­bteilungen aufbereite­t und in die Welt (vorzugswei­se der sozialen Medien) getragen wird. All das mag man affig finden. Übertriebe­n. Maßlos. Und doch ist es in seiner offensicht­lichen Künstlichk­eit ehrlicher als das, was Sportler zeigen, deren außergewöh­nliche Leistungen am Ende doch nur mit einem Zaubertran­k aus dem Suppentopf in Verbindung stehen.

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Foto: Geir Olsen, dpa Ryoyu Kobayashi sprang in Island 291 Meter weit. Angepeilt war die 300-Meter-Marke.
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