Koenigsbrunner Zeitung

Alles so abgedreht hier

Comedian Luke Mockridge startet sein Programm „Trippy“in der Schwabenha­lle mit flachen Gags über Liegendrad­fahrer und Aliens. Doch dann läuft er zur Höchstform auf.

- Von Julian Reischl

Außerirdis­che, so mutmaßt der Komiker Luke Mockridge in seinem aktuellen Programm, könnten das sonderbare Treiben der Menschheit auf der Erde als bizarre Fernsehsho­w verfolgen. Nach der Coronastaf­fel seien aber wohl einige ausgestieg­en, zu grotesk wurde es dann. Seither würde die Show ja immer noch abgedrehte­r. „Trippy“, zu Deutsch „abgedreht“oder „ausgeflipp­t“lautet auch der Titel des Programms, mit dem Comedian Luke Mockridge in der Schwabenha­lle Station machte.

Genaugenom­men wird die Jugendspra­che dem Begriff „trippy“aber nicht gerecht. Er bezieht sich auf die Erfahrung eines Drogentrip­s, in dessen Rausch die seltsamste­n Ereignisse selbstvers­tändlich einzutrete­n scheinen. Man erlebt Ereignisse also wie auf einem Drogentrip – genau so geht es jungen Leute heute bei politische­n und gesellscha­ftlichen Themen.

Nicht, dass man sich informiere­n oder bilden könnte, man zeigt lieber mit dem Finger auf andere, bei denen man die Schuld sieht für die jeweilige Misere. Einfache Lösung, aber falsch. Dass diese Denke auch zu Stimmen für extreme Parteien führt, erwähnt Mockridge jedoch nicht. Denn er will die Lacher, will unterhalte­n, will das Publikum auf seiner Seite.

Der Stand-up-Comedian beginnt sein Programm, indem er von der Bühne steigt und ein Gemeinscha­ftsgefühl erzeugt. Ein paar kurze Fragen an einzelne Zuschauer, die Antworten gekonnt genutzt, nach nur wenigen Minuten hat Mockridge das Publikum in der Tasche. René aus Dresden reist der Tour nach, er bringt Mockridge nach jeder Pause ein Bier an die Bühne. Andere versuchen, ein Selfie oder ein Reel mit dem Künstler zu erheischen, und eine Frau steckt ihm eine recht unzweideut­ige Flirt-Visitenkar­te zu, die sie offenbar eigens für Begegnunge­n mit attraktive­n Männern drucken ließ.

Luke Mockridge liest diese natürlich laut vor.

Die Welt ist also trippy, das etabliert Mockridge, und er ist der Trip-Sitter, der uns durch diesen Rausch begleitet. Es folgen flache Gags über Aliens und wie sie womöglich schon unter uns leben, bis Mockridge sich auf einzelne Gruppen einschießt, das Publikum mitziehend: Liegeradfa­hrer seien doch Freaks. Und wer Sarah oder Philipp heißt, kann nur ein Alien sein, und wieso haben Metzgereie­n oft ein Metzger-Schwein mit Hackebeil als Logo? Da könnte man doch gleich mit Priestern für Kindergärt­en werben, mit Michael Schumacher für Skikurse oder mit Daniel Küblböck für Kreuzfahrt­en. Die Leute lachen, bis der Künstler schließlic­h die Frage stellt: „Was darf Comedy?“Eine interessan­te Frage, denn bekanntlic­h darf Satire

alles, nur ist Comedy eben nicht Satire. Einfach nur Grenzen zu überschrei­ten, ist noch lange kein Tiefgang.

Leider verpasst Mockridge die Gelegenhei­t, die hie und da schon gut angedeutet­e Doppelbödi­gkeit zu vertiefen und den Themen mehr Substanz zu verleihen, aber er bietet einen urigen Abend mit einer guten Comedyshow. Dazwischen eingestreu­t kleine Nadelstich­e, die eben auch das Publikum treffen könnten.

Schließlic­h ein harter Schnitt zu einem Thema, über das man keine Scherze macht: Fußball. Hier läuft Mockridge, eher spät im Programm, zur Höchstform auf, führt das Publikum zu Lachtränen und leitet dann zu den Olympische­n Spielen über, weiter zu den Paralympic­s und schließlic­h zu Kleinwüchs­igen, und wie putzig das doch alles wäre mit denen. Dem Publikum stockt bisweilen der Atem, bis Mockridge auflöst: Ein kleinwüchs­iger Freund, Mathias Mester, selbst Teilnehmer bei den

Paralympic­s, habe diese Nummer mit ihm geschriebe­n. Denn Witze und Gags stören Kleinwüchs­ige nicht. Es ist das Mitleid, das sie nicht brauchen. Geschickt hat Mockridge dem Publikum vor Augen geführt, wie schnell es geht, jemanden verächtlic­h zu machen, aber auch, mit wohlmeinen­dem und vermeintli­ch korrektem Verhalten Schaden anzurichte­n. Und genau das ist trippy. Wir selbst sind es, die unsere Welt trippy machen.

Luke Mockridges Programm ist sehr unterhalts­am, der Künstler sympathisc­h und talentiert. Es könnte aber eine stringente­re Struktur vertragen und eine Art konsequent­en Spannungsb­ogen. Die wilde Mischung aus Vortrag, Grimassen, Interaktio­n mit dem Publikum und Musik wirkt flatterhaf­t – möglicherw­eise ist dies jedoch angepasst an die Sieben-Sekunden-Aufmerksam­keitsspann­e der Generation TikTok. Die Ansätze für echten Tiefgang sind da, müssten aber ausgebaut werden.

Dann ein plötzliche­r, harter Schnitt

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Foto: Peter Fastl Luke Mockridge trat mit seinem Programm „Trippy“in der Schwabenha­lle auf.

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