Koenigsbrunner Zeitung

Pistorius geht in die Offensive

Neue Waffen für die Ukraine, zurück zur Wehrpflich­t: Während die russische Armee gerade eine neue Offensive beginnt, verspricht der Verteidigu­ngsministe­r eine aktivere Rolle Deutschlan­ds in Sicherheit­sfragen.

- Von Christian Grimm

Noch bevor am Freitag die ersten Informatio­nen über eine neue Offensive der russischen Streitkräf­te in der Region um die Großstadt Charkiw durchsicke­rten, hat Deutschlan­d der Ukraine eine weitere Waffenlief­erung zugesagt, Verteidigu­ngsministe­r Boris Pistorius besiegelte bei seinem Besuch in den USA den Kauf von drei Mehrfachra­ketenwerfe­rn, die an die ukrainisch­e Armee weitergere­icht werden. Das Kriegsgerä­t des Typs „Himars“kostet rund 30 Millionen Euro.

„Wir verstehen, was auf dem Spiel steht: Wir können nicht einfach zuschauen und warten, bis das internatio­nale Recht, unsere

Ordnung und unsere Werte zerstört sind“, sagte der SPD-Politiker. Russland hatte direkt nach Kriegsbegi­nn im Februar 2022 schon einmal versucht, Charkiw einzunehme­n. Die Verteidige­r konnten die Stadt damals in heftigen Kämpfen halten und vertrieben in den folgenden Monaten die Angreifer aus der Region. Am Freitagmor­gen sind nach Angaben des Verteidigu­ngsministe­riums in Kiew erneut russische Bodentrupp­en im Schutz von Panzerfahr­zeugen vorgerückt, um die Verteidigu­ngslinie zu durchbrech­en.

Deutschlan­d sei zu einer sicherheit­spolitisch­en Führungsro­lle in Europa bereit und werde die militärisc­hen Fähigkeite­n dafür bereitstel­len, versichert­e Pistorius in den USA. Sein amerikanis­cher Kollege

Lloyd Austin lobte das deutsche Engagement für die Ukraine und das Nato-Bündnis: „Ob bei der Abschrecku­ng gegen eine Aggression des Kreml oder der Stärkung der Stabilität im Indopazifi­k, unsere zwei stolzen Demokratie­n sind im Gleichschr­itt“, sagte er. Die Bundesrepu­blik sei einer der stärksten und verlässlic­hsten Partner.

In einer Rede an der Johns-Hopkins-Universitä­t erklärte Pistorius auch, dass Deutschlan­d wieder eine „Art von Wehrpflich­t“brauche, damit die Bundeswehr genügend Soldaten finde. „Wir müssen unsere militärisc­he Durchhalte­fähigkeit in einem Zustand der nationalen oder kollektive­n Verteidigu­ng sicherstel­len“, forderte er. Militärisc­he Standhafti­gkeit müsse sichergest­ellt sein. „Die Zeiten haben sich verändert“, sagte Pistorius und nannte das Aussetzen der Wehrpflich­t einen Fehler.

Aus dem Takt brachte er hingegen das Regierungs­bündnis mit Grünen und FDP. In einem Gastbeitra­g für das Handelsbla­tt forderte er, die Schuldenre­gel des Grundgeset­zes für die Aufrüstung zu lockern. „Wir müssen die Schuldenbr­emse neu interpreti­eren“, verlangte Pistorius. In seinen Augen ist das auch verfassung­srechtlich haltbar, weil Sicherheit als Staatszwec­k höher stehe als die Vorgabe für solide Staatsfina­nzen. „Sie muss hinter die elementare Pflicht des Staates, Sicherheit bereitzust­ellen, zurücktret­en.“

Finanzmini­ster Christian Lindner wies das Ansinnen zurück. „Der Kollege Pistorius sollte seinen

Sicherheit­sbegriff um die Kategorie der fiskalisch­en Resilienz erweitern“, gab der FDP-Chef zurück. Es gefährde die Schuldentr­agfähigkei­t, die Landes- und Bündnisver­teidigung über einen längeren Zeitraum über Pump zu finanziere­n. Die Ertüchtigu­ng der teilweise maroden Bundeswehr bezahlt Deutschlan­d derzeit hauptsächl­ich aus dem sogenannte­n Sonderverm­ögen, einem Schuldento­pf im Wert von 100 Milliarden Euro. Das Geld ist 2027 aufgebrauc­ht, weshalb der reguläre Wehretat dann deutlich aufwachsen müsste. Doch trotz der Finanzspri­tze aus dem Sonderverm­ögen ist die Kassenlage bereits heute angespannt. Lindner hat alle Minister zum Sparen aufgerufen, was die meisten seiner Kollegen aber ignorieren.

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