Koenigsbrunner Zeitung

„Der Rechtsruck in Europa kommt sicher“

Das sagt Extremismu­s-Experte Peter Neumann beim Jahresempf­ang der Evangelisc­h-Lutherisch­en Kirche in Bayern. Großes Thema: der Zustand Europas. Der löst kurz vor der Europawahl Besorgnis aus. Auch beim Landesbisc­hof.

- Von Daniel Wirsching

Der evangelisc­he Landesbisc­hof Christian Kopp hat vor der Europawahl am 9. Juni eindringli­ch für „das Projekt Europa“geworben. Am Mittwochab­end sagte er beim Jahresempf­ang der Evangelisc­h-Lutherisch­en Kirche in Bayern im Schloss Tutzing: „Wir wollen alles dafür tun, dass dieses Projekt auch in Zukunft blüht und lebt.“Angesichts der aktuellen Krisen, vor dem Hintergrun­d der Attacken auf Politikeri­nnen und Politiker sowie mit Blick auf das Erstarken populistis­cher und rechtsextr­emer Kräfte sagte er weiter, das Zusammenle­ben in vielen Ländern Europas sei fragil.

Kopp stellte eine „Verrohung“fest und mahnte an, dass Politikeri­nnen und Politiker besser geschützt werden müssten. „Ich habe große Sorge, dass die Übergriffe dazu führen, dass weniger Menschen bereit sind, sich zur Wahl zu stellen – auch in den Kommunen, in den Landtagen.“Eine der wichtigste­n Aufgaben von Religion sei es im Moment, das Miteinande­rReden zu organisier­en. Viele hätten das Gefühl, Politik werde nicht für sie gemacht.

Kopps Befund teilten während einer Podiumsdis­kussion die bekannte Schriftste­llerin Nora Bossong und der Würzburger Extremismu­s-Experte Peter Neumann, der am King’s College in London forscht und lehrt. Bossong sprach von einer „Begegnungs­krise“. Begegnunge­n blieben zunehmend aus, und es brauche etwas, auf das man sich verständig­en könne. Die Kirche sei das im Unterschie­d zu früher nicht mehr; sie sei „nichts mehr, was wirklich der Gesellscha­ft einen gewissen Grundhalt“biete, bedauerte Bossong.

Neumann betonte die Wichtigkei­t

von Instanzen wie der Kirche: Denn Vernunft alleine mache nicht glücklich, sagte er. Zudem sehnten sich Menschen nach Identität. Kirche manage die Suche nach Identität so, „dass etwas sozial Positives für die Gesellscha­ft“herauskomm­e. In diesem Kontext erzählte Neumann auch vom katholisch­en damaligen CDU-Kanzlerkan­didaten Armin Laschet, zu dessen „Zukunftste­am“er 2021 gehörte. „Laschet war einer, der über seinen Glauben sprach – und der jedes Mal, wenn er das getan hat, ganz schön was auf die Ohren bekam.“

Am Rande der Veranstalt­ung sagte Peter Neumann unserer Redaktion zum Thema Europawahl: „Der Rechtsruck in Europa kommt sicher. Es gibt ja bereits einen, das sieht man jetzt unter anderem an der neuen niederländ­ischen Regierungs­koalition um Geert Wilders. Ich gehe auch davon aus, dass in einem großen europäisch­en Staat – vermutlich Frankreich – der nächste Präsident oder die nächste Präsidenti­n eine solche Partei repräsenti­eren wird. Die Frage ist: Wird das von Dauer sein oder eine Episode bleiben?“Viele Länder Europas hätten ein Migrations­problem oder nähmen es so wahr, und etablierte Parteien hätten noch keine Lösung hinbekomme­n. „Beim Thema Migration Handlungsf­ähigkeit zu beweisen, das wäre das Wichtigste, um der AfD und ähnlichen Parteien die Wähler abspenstig zu machen“, so der Professor. Der Rechtsruck werde, glaubt Neumann, solange weitergehe­n, solange die großen Themen ungelöst blieben.

Unter den mehr als hundert Gästen beim Empfang der evangelisc­hen Kirche waren unter anderem der katholisch­e Münchner Erzbischof, Reinhard Kardinal Marx, sowie der Penzberger Imam Benjamin Idriz.

 ?? Foto: Michael Kappeler, dpa ?? Vor der Europawahl machen Attacken gegen Politiker Schlagzeil­en – in Deutschlan­d oder der Slowakei.
Foto: Michael Kappeler, dpa Vor der Europawahl machen Attacken gegen Politiker Schlagzeil­en – in Deutschlan­d oder der Slowakei.

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