Die „kaiserlichen“Wurzeln der Mindelburg
Mindelheim enthüllt neueste Erkenntnisse zur Mindelburg: Ein Forscherteam geht davon aus, das Kaiser Friedrich Barbarossa beim Bau seine Finger im Spiel gehabt habe.
Die Mindelburg birgt viele Geheimnisse, die sie immer nur Stück für Stück preisgibt und auch nur jenen, die sich intensiv mit ihr beschäftigen. Seit drei Jahren dreht ein interdisziplinäres, ehrenamtliches Forschungsteam nicht nur sprichwörtlich jeden Stein um, um der Entstehungsgeschichte von Mindelheims Wahrzeichen auf die Spur zu kommen. Mal wurden dabei ungewöhnliche Ziegel entdeckt, mal ein Geheimgang, mal wurde durch Untersuchungen deutlich, wo genau eigentlich Georg von Frundsberg gehaust hat. Nun haben die Forschenden neue Erkenntnisse über die Entstehung der Mindelburg zutage gebracht, die zeigen, dass das Gebäude mit großer Wahrscheinlichkeit „kaiserliche“Wurzeln hat. Bei einer Pressekonferenz am Freitag wurden diese Ergebnisse vorgestellt.
Lange dachte man, dass die Mindelberger die Burg erbaut hatten, doch eigentlich waren sie als Ministeriale – heute würde man „Beamte“sagen – gar nicht dazu in der Lage, ein so großes, prächtiges Bauwerk zu erschaffen. Wer hat die Burg also stattdessen errichtet – und warum überhaupt? Zunächst schaute sich das Forschungsteam dazu die Burg einmal genauer an: Dazu wurden Sichtöffnungen gemacht, also Wände und Böden geöffnet. Regelrecht „durchlöchert“habe man die Burg, sagte Bürgermeister Stephan Winter augenzwinkernd, doch die Ergebnisse könnten sich sehen lassen.
Bernhard Niethammer hat sich über die Bauforschung an eine Altersbestimmung gewagt. Dabei wurde rasch klar, dass die Mindelburg einst ganz anders gewirkt haben muss: Der Wald sei erst im 19. und 20. Jahrhundert dazugekommen. Im Mittelalter habe es dort keine Bäume gegeben, der Weitsicht wegen. Die Burg habe deshalb auch eine „immense Fernwirkung“gehabt.
Vieles von dem, was Niethammer analysiert hat, spricht für eine
Bauzeit im 12. Jahrhundert: Da sind etwa die Fenster, die denen romanischer Kirchtürme oder dem Kreuzgang von Steingaden von 1176 ähneln. Da ist die Gliederung der Fenster, die – wie sich zeigte – bereits im Bau so entstanden ist. Da ist das Sonderformat der hochwertigen Ziegel, die so nur von 1150 bis 1200 genutzt wurden, etwa bei der Peterskirche am Augsburger Perlachberg. Und da ist eine Mauerlatte, die untersucht wurde und die auf das späte 11. Jahrhundert oder auf die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts hindeutet – eine genauere Angabe sei leider nicht möglich, weil nicht ausreichend Jahresringe im Holz vorhanden waren.
Für Niethammer gibt es in der Region keinen vergleichbaren Bau, der so wie die Mindelburg vermittle: „Ich habe die Mittel, ich habe die Rechte und ich habe das Potenzial, das zu erbauen.“In seinen Augen sei der Erbauer „auf der Höhe der Zeit“gewesen und habe klar seinen Herrschaftsanspruch deutlich machen wollen.
Wer aber war derjenige, der hier zeigen wollte, dass er das Sagen hat? Zeitlich kamen vor allem zwei Geschlechter als Bauherren infrage – die Welfen oder die Staufer. Die Quellenarbeit von Dr. Lorenz Maier, Experte für das Hohe Mittelalter, brachte hier Ergebnisse, die er nun ebenfalls vorstellte. Mindelheim selbst sei schon vor dem Bau der Mindelburg erwähnt worden, nämlich als Salierkönig Heinrich III. im Jahr 1046 den Königshof-Bezirk Mindelheim an die Kirche von Speyer verschenkte. Doch die Altstadt und ihr Grundriss geben Hinweise darauf, dass die Staufer in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts hier aktiv waren. Das würde auch zu der Theorie passen, die Maier zur Mindelburg hat.
Wir schreiben das Jahr 1167, als nach einer Seuche auf dem Italienzug die Adelsgeschlechter in Schwaben regelrecht „aussterben“und Kaiser Friedrich Barbarossa so immer mehr Land hinzugewinnt. Auch Herzog Welf VI. verlor seinen einzigen Erben in Italien und entschließt sich 1175 dazu, sein Herzogtum an den Kaiser zu verkaufen. „Mit dem Geld hat sich Welf ein schönes Leben gemacht“, so Maier. Das Herzogtum Schwaben war damit in der Hand von Barbarossa – und der ernannte 1178/79 seinen Sohn Friedrich V. – damals noch ein Teenager – zum Herzog. Doch ein Herrschaftszentrum für den Herzog wie es der Altdorf-Ravensburger Hof für die Welfen gewesen war, fehlte den Staufern. Dies war der Grund für den Bau der Mindelburg, sind sich die Forschenden einig.
Mindelheim hätte also das Zentrum Schwabens werden sollen – doch die Geschichte kam dazwischen: Das Herzogtum kam nicht richtig zur Entfaltung, sondern ging im Königreich auf. Die Mindelburg konnte nicht zu einem Machtzentrum werden, wie ursprünglich geplant. „Sie war zwar als Herzogsburg gedacht, ist aber wohl nie in dieser Funktion gebraucht worden“, fasst Maier die Entstehungsgeschichte zusammen.
Wie es dann mit der Burg weiterging, darauf ging Dr. Reinhard Baumann, Experte für das Späte Mittelalter, noch ein. Die Herzöge von Teck (1365 bis 1439) hätten die unvollendete staufische Herzogsburg zu einer spätmittelalterlichen Burganlage umgebaut. Die darauffolgenden Rechbergs hätten kaum die finanziellen Mittel gehabt, um etwas zu verändern. Anders die Frundsbergs, die von 1467 bis 1586 hier lebten. Dreimal gab es große Veränderungen an der Burg, jeweils für die „geliebte Gattin“, wie Baumann erklärte.
Es blieben nicht die letzten Umbauten: Wer auch immer länger in der Burg „hauste“, riss ab, baute auf oder um. Zahlreiche Nutzungen hat das Gebäude schon erlebt. „Diese Burg war ständig in einer Bauveränderung, Erneuerung und Überarbeitung im Laufe der Jahrhunderte und ist bis in unsere Gegenwart hinein immer wieder verändert worden“, so Baumann. Und vermutlich beinhaltet sie bis heute so manches Geheimnis, das es noch zu entdecken gilt.