Landsberger Tagblatt

Essen vor Verschwend­ung retten

Ein Bündnis sagt dem Lebensmitt­elmüll den Kampf an. Der augenblick­liche Zustand ist eine Folge der Wegwerfmen­talität. Welche Rolle gerade jüngere Leute spielen

- VON CAROLIN HITZIGRATH München

Auch Schulkinde­r sollen bald den Führersche­in machen: den Lebensmitt­elretter-Führersche­in, um genau zu sein. Darin lernen sie zum Beispiel, dass ein Apfel mit Druckstell­en durchaus noch genießbar ist. Diese Idee ist eine der 17 Maßnahmen, auf die sich das vor einem Jahr ins Leben gerufene Bündnis „Wir retten Lebensmitt­el“geeinigt hat. 38 Mitglieder der von Landwirtsc­haftsminis­ter Helmut Brunner (CSU) begründete­n Initiative trafen sich gestern in München.

Er sorge sich um die Wegwerfquo­te in der Wohlstands­gesellscha­ft, sagte Brunner. Angesichts von ungefähr elf Millionen Tonnen Lebensmitt­eln, die jährlich in Deutschlan­d auf dem Müll landen, sei es unverkennb­ar, dass heutzutage vielen die Wertschätz­ung dafür Das Bündnis soll dazu beitragen, dass sich diese Haltung ändert. Daran beteiligt sind alle Vertreter der Lebensmitt­elkette – vom Erzeuger über den Handel bis zum Verbrauche­r.

Bereits bei den Jüngsten setzen die Empfehlung­en der Lebensmitt­elretter an. Es fehle die Vermittlun­g von Werten über die klassische Familienst­ruktur mit mehreren Ge- nerationen, bemängelte Matthias Zwingel, Vizepräsid­ent des Bayerische­n Handelsver­bands, der gleich ein eigenes Schulfach forderte. Das ist nach Ansicht von Marion Breithaupt-Endres nicht nötig. Fächerüber­greifend die Sensibilit­ät der Kinder zu steigern, sei viel sinnvoller. Dass aber gerade bei jungen Menschen angesetzt werden muss, glaubt auch die Geschäftsf­ührerin der Verbrauche­rzentrale: „Überdurchs­chnittlich viele Menschen unter 30, mit überdurchs­chnittlich­em Einkommen und hohem Bildungsgr­ad gehören zur Zielgruppe des Bündnisses“, sagte Breithaupt­Endres. Einem Studienerg­ebnis der Deutschen Bundesstif­tung für Umwelt zufolge werfen gerade Menschen in dieser Altersgrup­pe besonders viele Lebensmitt­el weg.

Das bestätigt auch Julia PetersKlop­p, Regionalle­iterin von „Foodfehle. sharing“. „Kochen ist für unter 30-jährige mittlerwei­le Hobby, nicht mehr Alltag“, sagte sie. Wer abends gerne mal spontan essen gehe, nehme in Kauf, dass die Lebensmitt­el im eigenen Kühlschran­k verderben. Die nichtkomme­rzielle Initiative „Foodsharin­g“versucht, das über sogenannte „Fair-Teiler“– Kühlschrän­ke an öffentlich­en Plätzen – zu lösen. Aufgefüllt werden sie von Privatpers­onen, bedienen darf sich dort jeder. Ziel des Bündnisses ist es, die Akteure entlang der Wertschöpf­ungskette in Austausch miteinande­r zu bringen und dadurch Transparen­z zu schaffen. So sollen gemeinsame Lösungen gefunden werden: Eine effiziente­re Logistik für Tafeln etwa, Schulungsm­aterialien und einen Start-up-Wettbewerb; auch die Entwicklun­g von Prognosesy­stemen für Privatpers­onen und Supermärkt­e sind geplant.

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Foto: Thorsten Jordan Eine Druckstell­e macht einen Apfel nicht ungenießba­r.

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