Essen vor Verschwendung retten
Ein Bündnis sagt dem Lebensmittelmüll den Kampf an. Der augenblickliche Zustand ist eine Folge der Wegwerfmentalität. Welche Rolle gerade jüngere Leute spielen
Auch Schulkinder sollen bald den Führerschein machen: den Lebensmittelretter-Führerschein, um genau zu sein. Darin lernen sie zum Beispiel, dass ein Apfel mit Druckstellen durchaus noch genießbar ist. Diese Idee ist eine der 17 Maßnahmen, auf die sich das vor einem Jahr ins Leben gerufene Bündnis „Wir retten Lebensmittel“geeinigt hat. 38 Mitglieder der von Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU) begründeten Initiative trafen sich gestern in München.
Er sorge sich um die Wegwerfquote in der Wohlstandsgesellschaft, sagte Brunner. Angesichts von ungefähr elf Millionen Tonnen Lebensmitteln, die jährlich in Deutschland auf dem Müll landen, sei es unverkennbar, dass heutzutage vielen die Wertschätzung dafür Das Bündnis soll dazu beitragen, dass sich diese Haltung ändert. Daran beteiligt sind alle Vertreter der Lebensmittelkette – vom Erzeuger über den Handel bis zum Verbraucher.
Bereits bei den Jüngsten setzen die Empfehlungen der Lebensmittelretter an. Es fehle die Vermittlung von Werten über die klassische Familienstruktur mit mehreren Ge- nerationen, bemängelte Matthias Zwingel, Vizepräsident des Bayerischen Handelsverbands, der gleich ein eigenes Schulfach forderte. Das ist nach Ansicht von Marion Breithaupt-Endres nicht nötig. Fächerübergreifend die Sensibilität der Kinder zu steigern, sei viel sinnvoller. Dass aber gerade bei jungen Menschen angesetzt werden muss, glaubt auch die Geschäftsführerin der Verbraucherzentrale: „Überdurchschnittlich viele Menschen unter 30, mit überdurchschnittlichem Einkommen und hohem Bildungsgrad gehören zur Zielgruppe des Bündnisses“, sagte BreithauptEndres. Einem Studienergebnis der Deutschen Bundesstiftung für Umwelt zufolge werfen gerade Menschen in dieser Altersgruppe besonders viele Lebensmittel weg.
Das bestätigt auch Julia PetersKlopp, Regionalleiterin von „Foodfehle. sharing“. „Kochen ist für unter 30-jährige mittlerweile Hobby, nicht mehr Alltag“, sagte sie. Wer abends gerne mal spontan essen gehe, nehme in Kauf, dass die Lebensmittel im eigenen Kühlschrank verderben. Die nichtkommerzielle Initiative „Foodsharing“versucht, das über sogenannte „Fair-Teiler“– Kühlschränke an öffentlichen Plätzen – zu lösen. Aufgefüllt werden sie von Privatpersonen, bedienen darf sich dort jeder. Ziel des Bündnisses ist es, die Akteure entlang der Wertschöpfungskette in Austausch miteinander zu bringen und dadurch Transparenz zu schaffen. So sollen gemeinsame Lösungen gefunden werden: Eine effizientere Logistik für Tafeln etwa, Schulungsmaterialien und einen Start-up-Wettbewerb; auch die Entwicklung von Prognosesystemen für Privatpersonen und Supermärkte sind geplant.