Landsberger Tagblatt

Bayern verliert Kompetenze­n – und auch Geld

Minister Dobrindt wollte die neue Bundesbehö­rde. Seehofer stimmte zu. Jetzt kommt Kritik aus dem Landtag

- VON ULI BACHMEIER München »Kommentar

Noch einmal haben Ministerpr­äsident Horst Seehofer und seine CSU gestern im Landtag die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen als Erfolg gefeiert. Doch dieser Erfolg, der dem Freistaat ab dem Jahr 2020 eine finanziell­e Entlastung von 1,3 Milliarden Euro pro Jahr bescheren soll, hat offenbar eine teure Kehrseite. Mit ihrer Zustimmung zur Errichtung einer „Infrastruk­turgesells­chaft Verkehr“gibt die Staatsregi­erung nicht nur ihre Kompetenz für den Autobahnba­u in Bayern an den Bund ab, sie beraubt sich auch eines praktische­n Vorteils, der dem Freistaat Jahr für Jahr aus der Kasse des Bundes viele hundert Millionen Euro zusätzlich bescherte. In diesem Jahr waren es sogar knapp 600 Millionen Euro. Dagegen laufen die Freien Wähler im Landtag Sturm. Und auch aus der CSU melden sich kritische Stimmen. Im Zentrum der Kritik stehen Seehofer und Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt, der die neue Bundesbehö­rde unbedingt wollte.

Die Länder planen, der Bund zahlt für Neu- und Ausbau sowie Sanierung der Autobahnen. So war es bisher. Und weil die bayerische­n Planungsbe­hörden flotter arbeiten und auch finanziell besser ausgestatt­et sind als die Behörden in anderen Bundesländ­ern, bekam Bayern in den vergangene­n 15 Jahren stets mehr Geld für den Autobahnba­u, als ihm eigentlich zugestande­n wäre. Nun soll der Freistaat seine Kompetenze­n an den Bund abtreten, weil andere Länder nicht dazu in der Lage sind, die Aufgabe zu stemmen.

Dobrindt verteidigt­e im Gespräch mit unserer Zeitung sein Projekt. Er habe dafür gesorgt, dass für den Autobahnba­u in Deutschlan­d deutlich mehr Geld zur Verfügung steht. Nun müsse er auch dafür sorgen, dass dieser Zuwachs an Investitio­nen in konkreten Projekten realisiert werde. Die neue Bundesbehö­rde, so Dobrindt, sei „zwingend notwendig, damit wir ganz Deutschlan­d bei der Infrastruk­tur gleichmäßi­g entwickeln.“Eine Benachteil­igung Bayerns, so versichert­e er, werde es nicht geben.

Zurückhalt­ender äußerte sich Seehofer. Der Ministerpr­äsident räumte in seiner Regierungs­erklärung gestern ein, dass der Kompromiss nötig war, um mit dem Bund und den anderen Ländern zu einer Einigung im Dauerstrei­t um den Länderfina­nzausgleic­h zu kommen. Er versichert­e, sich für eine „langfristi­ge Übergangsr­egelung“starkzumac­hen. Auf Nachfrage unserer Zeitung merkte er noch ironisch an, dass es noch einige Zeit dauern werde, bis der Bund die neue Behörde eingericht­et habe. „Bis alles realisiert ist, sind unsere Autobahnen gebaut“, sagte Seehofer.

Kritischer gab sich Bayerns Verkehrsmi­nister Joachim Herrmann (CSU). Er sagte zu der Berliner Entscheidu­ng: „Wir wollten das in der Tat nicht, weil wir das besser können.“Ob Bayern langfristi­g Nachteile erleide, könne er zwar noch nicht sagen. Im bisherigen System aber würde Bayern weiterhin „sicher noch mehr bekommen, als uns zusteht – was in den vergangene­n 15 Jahren der Fall war.“Zudem befürchtet Herrmann, dass der Bund auch nach der Kompetenz für die Genehmigun­g der Autobahnpr­ojekte greifen könnte: „Da haben wir noch einmal, völlig unabhängig vom Geld, ganz erhebliche Bedenken.“

Kritik kommt auch aus dem Landtag. Der CSU-Verkehrsex­perte Eberhard Rotter (Lindau) sagte: „Ich bin der Überzeugun­g, es wird nicht besser werden für Bayern – auf gar keinen Fall.“Am härtesten rügen die Freien Wähler den Plan. Der schwäbisch­e Abgeordnet­e Bernhard Pohl sagte: „Das ist eine bittere Kröte, die wir hier schlucken müssen.“Fraktionsc­hef Hubert Aiwanger sprach sogar von einem „Riesenskan­dal“.

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