Landsberger Tagblatt

Ausverkauf bei Tengelmann

Warum Eigentümer Haub es so eilig hat

- Mülheim/Ruhr

Bei rund 100 Kaiser’s-Tengelmann-Filialen in Nordrhein-Westfalen wird potenziell­en Käufern der erste Schritt ganz einfach gemacht. Als ginge es um die Zubehörlis­te für das neue Auto, müssen die Interessen­ten für sie attraktive Filialen auf der verschickt­en Angebotsli­ste einfach nur ankreuzen. „Streng vertraulic­h“steht über der drei Seiten umfassende­n „Standortli­ste Nordrhein“. Aufgeführt sind darin insgesamt 97 Filialen zwischen Mülheim an der Ruhr und Frechen sowie fünf sogenannte Pipeline-Standorte – die geplant waren, aber noch nicht eröffnet wurden.

Tengelmann-Eigentümer KarlErivan Haub hat es eilig. Bis Mittwoch kommender Woche sollen mögliche Käufer ihr Interesse an den angebotene­n Filialen in Nordrhein-Westfalen mitteilen, heißt es im Anschreibe­n. Tengelmann werde den Interessen­ten dann „kurzfristi­g eine Antwort zukommen lassen“. Angesichts der unsicheren Prognose über die juristisch­en Verfahren zur umstritten­en Ministerer­laubnis sei das Familienun­ternehmen zu dem Entschluss gelangt, „Alternativ­optionen für Kaiser’s Tengelmann zu prüfen“.

Aus dem Schreiben wird deutlich, dass die Kaiser’s-Tengelmann-Beschäftig­ten bei der Zerschlagu­ng deutlich schlechter dastehen werden als bei einem Verkauf im Rahmen der Ministerer­laubnis. Garantiert­e die Ausnahmege­nehmigung von Wirtschaft­sminister Sigmar Gabriel (SPD) ihnen Job-Sicherheit für fünf Jahre, geht bei der nun angestrebt­en Regelung zwar das Arbeitsver­hältnis auf den Käufer über. Nach der neuen Regelung wäre aber lediglich die Kündigung wegen des Betriebsüb­ergangs ausgeschlo­ssen. „Das Recht zur Kündigung des Arbeitsver­hältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt“, heißt es im Paragrafen 613a BGB, auf den sich Tengelmann beruft.

In dem Tengelmann-Schreiben kündigt das Unternehme­n ausdrückli­ch an, „großteilig­e Paketlösun­gen“bevorzugt zu behandeln. Das Verkaufsve­rfahren für die Geschäfte in Berlin und München soll laut früheren Angaben wahrschein­lich erst Anfang 2017 starten.

Für Haub könnte die Zerschlagu­ng der kriselnden Supermarkt­kette möglicherw­eise am Ende sogar lukrativer sein als der Komplettve­rkauf, glaubt Joachim Stumpf, Geschäftsf­ührer der Handelsber­atung BBE: „Gerade bei den attraktive­n Märkten dürfte es ein Wettbieten geben, das die Preise in die Höhe treibt.“

Erich Reimann, dpa

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