Im Sex Club mit John le Carré
Der Thriller-Autor erzählt zum 85.
Es ist schon viele Jahre her. Da bat mich David Cornwell – ich nannte ihn stets Sir David –, ihm einen Sexclub in Hamburg zu zeigen. Er brauche eine solche Lokalität für eine Szene in seinem nächsten Roman. Ich holte ihn am Flughafen ab, wir fuhren stracks in die „Amphore“, ein exquisites Etablissement, am Rand der Reeperbahn gelegen. Leicht bekleidete und unbekleidete Damen drängten sich auf den Schoß von Sir David, der Mühe hatte, seine Impressionen in sein kleines Notizbüchlein einzutragen. Als „Blue Diamond“erschien die „Amphore“und ihre Damen dann im „Agent in eigener Sache“auf.
David Cornwell oder John le Carré, wie er sich als Schriftsteller nannte, tauchte mit seinen ersten großen Romanen „Der Spion, der aus der Kälte kam“und „Dame König As Spion“in die Welt der Geheimdienste zu Zeiten des Kalten Krieges ein. In seinen jungen Jahren war er, schlicht gesagt Spion, getarnt als britischer Diplomat, auf Posten in Bonn und in Hamburg, wo wir uns anfreundeten. Bald verließ er den Kreis der Schlapphüte, der Erfolg seiner Bücher machte ihn unabhängig, er widmete sich ganz der Schriftstellerei.
David Cornwell war und ist ein engagierter Zeitgenosse. Mit Unbehagen beobachtet er die Zustände in dieser Welt, und es gelingt ihm wie kaum einem anderen Schriftsteller, dies in spannende und Anteil nehmende Literatur zu übersetzen. Seine Themenpalette ist weit gespannt, von Guantanamo, dem amerikanischen Hochsicherheitstrakt auf Kuba, bis zum BND. Tatsachen und Fiktion in seinen Romanen überlappen sich, es ist ihm aber wichtig die Orte, wo seine Handlung spielt, genau zu recherchieren – ob nun den Sexclub in Hamburg, das Hotel in Panama, die Farm in Afrika oder den „Anglo-German-Club“an der Hamburger Alster für den Roman „Marionetten“, wo er einem anglophilen, siebzigjährigen Banker und Strippenzieher meinen Vornamen verpasst, Haug von Westerheim. Solche Spielchen liebt er.
Nun hat er, der heute 85 Jahre alt wird, ein herrliches Buch vorgelegt mit Geschichten aus seinem Leben. Es sind nicht herkömmliche Memoiren. Es sind aneinandergereihte, wunderbar leicht zu lesende, oft sehr komische und vortrefflich übersetzte Streifzüge durch die Jahrzehnte. Von seinem hochstaplerischen Vater erzählt er, von seiner Internatszeit in der Schweiz, von Geheimdienstlern, von Schauspielern wie Richard Burton, Alec Guinness, von Regisseuren und von Politikern. Auch wer seine Romane nicht kennt, wird garantiert Freude an der Lektüre dieser Erinnerungen haben.
Auch mit 85 ist John le Carré noch drahtig, strahlt weiterhin Souveränität aus. Seit vielen Jahren lebt er mit seiner zweiten Frau in Cornwall bei Penzance, direkt über der felsigen Steilküste. Dort geht er täglich spazieren. Das helfe ihm, fit zu bleiben – wie auch das Schwimmen und ab und zu ein Drink, erklärt er.
Garantierte Freude an der Lektüre dieser Erinnerungen