Endlich glücklicher
Lange waren die Deutschen nicht wirklich zufrieden. Das hat sich jetzt geändert
Berlin Seit Jahren hat Bernd Raffelhüschen darauf gewartet, dass die Deutschen endlich ein bisschen glücklicher werden. Raffelhüschen ist Finanzwissenschaftler an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und Mitautor des deutschen Glücksatlasses. Die repräsentative Umfrage erhebt, auf einer Skala von 0 bis 10, wie glücklich sich die Deutschen fühlen. Und dieses Jahr stieg der deutsche Durchschnittswert von 7,02 Punkt auf 7,11.
Endlich, findet Raffelhüschen. Denn für Glücksforscher spielen bei der Zufriedenheit auch objektive Faktoren wie Beschäftigung, Einkommen und Gesundheit mit. Doch obwohl die Arbeitslosenquote zwischen 2005 und 2015 von 11,7 auf 6,4 Prozent sank und der ReallohnIndex seit 2008 um 7,3 Prozent kräftig zulegte, passierte beim Glück erst einmal nichts.
In reinen Zahlen klingt der Glückssprung nicht gerade nach einer Sensation. Doch für Glücksforscher heißt er, dass die sonst eher ängstlichen und sicherheitsbewussten Deutschen etwa Bedrohungen wie die Terrorgefahr oder Entwicklungen wie Zuwanderung bisher nicht als Bremse für ihre private Lebenszufriedenheit begreifen.
Das Glück, das der Atlas misst, hat nichts mit der emotionalen Tagesform zu tun – und auch nicht mit Zufällen wie einem Lottogewinn. Hier geht es um eine Langzeit-Bewertung des eigenen Lebens, um Wünsche, Ziele, Erwartungen und Einstellungen.
Für eines der reichsten Länder Europas ist eine gefühlte Zufriedenheitsmarke um die 7 kein beachtlicher Wert. Deutschland liegt im europäischen Vergleich auf dem neunten Rang, Nachbar Dänemark steht an der Spitze. Warum? „Für einen Spitzenplatz reicht das Materielle nicht aus“, sagt Karlheinz Ruckriegel, Ökonom und Glücksforscher an der Technischen Hochschule Nürnberg. „Das sieht man schon daran, dass Südbayern als wirtschaftliche Powerstation in Deutschland nicht die glücklichste Region ist.“Denn diesen Titel trägt sein Jahren das „ärmere“Schleswig-Holstein. Auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bescheinigt Deutschland Defizite, ergänzt Ruckriegel. „Sie sagt, dass sich die Bundesrepublik zum Beispiel mehr um Bildung, Chancengleichheit und ein faires Steuersystem kümmern muss.“
Je toleranter und hilfsbereiter Menschen sind, desto glücklicher fühlen sie sich. „Dieser Effekt ist auch aus anderen Studien bekannt“, sagt Glücksforscher Ruckriegel. „Die größte Bedeutung für unsere Lebenszufriedenheit aber haben Partnerschaft, Familie, Kinder, Freunde, Nachbarn und die Arbeitskollegen“, betont er. „Der wichtigste Glücksfaktor sind gelingende, liebevolle soziale Beziehungen.“