Landsberger Tagblatt

Wenn die Weltmeiste­rin klingelt ...

Nikki Adler ist derzeit weltweit die erfolgreic­hste Faustkämpf­erin, dennoch muss sie arbeiten, wie jeder andere. Ein Problem hat die Postzustel­lerin damit nicht

- VON WOLFGANG LANGNER

Augsburg Nikki Adler ist ein fröhlicher Mensch. Immer ein Lächeln auf den Lippen, dazu charmant, geerdet und gradlinig. Die Momente, in denen ihr Lächeln verschwind­et und sie hoch konzentrie­rt wirkt, sind rar. Das passiert nur, wenn sie im Ring steht. Spätestens dann vergeht auch ihren Gegnerinne­n das Lachen. Die 29-jährige Augsburger­in schlägt zu „wie ein Pferd“, hat einer ihrer Trainer mal gesagt. Etliche bekamen das zu spüren. Derzeit ist Adler die weltbeste Boxerin. Sie ist amtierende WBU-, WBF-, WBC- und WIBA-Weltmeiste­rin im Supermitte­lgewicht. Das sind die Gürtel der vier wichtigste­n Verbände. Zum Vergleich: Bei den Männern gibt es nur einen, der ebenfalls diese vier Titel gewonnen hat – und zwar der im Jahr 2016 verstorben­e Champion Muhammad Ali.

Ansonsten haben Ali und Adler nichts gemeinsam. Denn von den Summen, die ihre männlichen Kollegen im Ring verdienen, kann Adler nur träumen. Die KlitschkoB­rüder kassieren angeblich sieben Millionen Euro pro Kampf. Andere deutsche Boxer wie Artur Abraham oder Robert Stieglitz nehmen für einen Fight mindestens 500 000 Euro mit nach Hause. Nikki Adler muss seit kurzem wieder arbeiten. Als Paketund Briefzuste­llerin in Meitingen (Landkreis Augsburg). Das bedeutet um fünf Uhr früh aufstehen. Zuvor hat sie sich für ihre Karriere als Boxerin bei der Deutschen Post insgesamt acht Jahre beurlauben lassen. „In dieser Zeit habe ich ein gutes Geld verdient, aber es ist nicht so, dass ich ausgesorgt habe. Ich brauche ja auch eine Sicherheit für später“, sagt sie. Adler nippt am Cappuccino und zuckt mit den Schultern: „Ich könnte auch heute gut über die Runden kommen ohne zu arbeiten, aber das ist mir zu gefährlich. Wenn mir im nächsten Kampf etwas passiert, dann habe ich vielleicht gar nichts mehr.“Was Adler pro Kampf verdient, darüber will sie nicht sprechen, aber man kann davon ausgehen, dass ein „Titelfight“bei den Frauen im Super- mittelgewi­cht zumindest einen vierstelli­gen Betrag (zwischen 6000 und 10000 Euro) ausspuckt. Laut einer Leitlinie des Boxverband­s WBC sollen Weltmeiste­rinnen bei Titelverte­idigungen 20000 Euro verdienen, aber diese Mindestbör­se wird nicht vorgeschri­eben, damit mögliche Kämpfe an dieser Vorgabe nicht scheitern. „20 000 Euro“, versichert Adler, „habe ich noch nie kassiert.“

Dafür hat Adler noch ein paar großzügige Sponsoren. Der Autoherste­ller Subaru stellt ihr einen Wagen zur Verfügung. Dazu kommen Werbepartn­er für Sportbekle­idung oder Kosmetikar­tikel. Schließlic­h hat sie ja ihre Boxkarrier­e nicht beendet und hat es auch nicht vor. „Man weiß nie, was kommt. Man muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein“, lächelt Adler. Sie nennt das Beispiel Regina Halmich. Die Karlsruher­in sorgte im Fliegengew­icht jahrelang für Furore. Allein in ihrem besten Jahr 2007 hat Halmich angeblich drei Millionen Euro verdient. „Ihre Karriere begann doch auch erst richtig, als sie im Fernsehen Stefan Raab die Nase gebrochen hat“, grinst Adler. Frauenboxe­n im Fernsehen findet momentan aber nicht statt. „Es ist derzeit allgemein schwierig mit Boxen. Bei den Fernsehsen­dern sitzt das Geld auch nicht mehr so locker“, weiß Adler.

Aber das Medium Fernsehen ist für die Faustkämpf­erin entscheide­nd: „Da ist es wichtig, präsent zu sein.“Ihre Managerin Jule Schutz versucht sie dort immer wieder unterzubri­ngen. So bekam sie eine Gastrolle in der Daily Soap „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, im „Tiger-Enten-Club“brachte Adler den „Kids“das Boxen näher und sie bewies ihre Kochkünste in „Das perfekte Dinner“. Dann kommt es auch vor, dass der Pay-TV Sender Sky die Boxerin wegen einer Einschätzu­ng zum Bundesligi­sten FC Augsburg an das Mikrofon holt.

„Jule knüpft immer die Kontakte und es müssen seriöse Formate sein. So etwas wie zum Beispiel ‚Frauentaus­ch‘ (ein Format auf RTL 2, Anm. d. Red.) ginge gar nicht“, schüttelt Adler den Kopf. Auch Einladunge­n bekommt sie jede Menge. Beim Wiener Filmball war sie ebenso, wie auch bei der Premiere des Action-Krimis „Tschiller: Off Duty“, mit Til Schweiger. Die Resonanz anschließe­nd sei dann schon groß, erzählt sie, „dann kommen auch mal die größeren Zeitschrif­ten auf einen zu.“

Vor ein paar Monaten bekam sie eine Einladung aus den USA. „Rocky“Sylvester Stallone wollte sie für seine Fernseh-Show „Beastmaste­r“haben. Aufgrund ihres WM-Kampfes in Saarbrücke­n gegen Elena Sikmashvil­i hat sie abgesagt. Vielleicht wäre die Fernsehsho­w in den Staaten der entscheide­nde Schritt gewesen? Adler verschwend­et daran keinen Gedanken: „Wenn ich nach Amerika geflogen wäre, hätte ich den Kampf absagen müssen und mir wäre der Titel ab– erkannt worden. Aber Boxen ist mein Leben.“

Momentan besteht ihr Leben aus Boxen und ihrer Arbeitsste­lle bei der Post. Nikki Adler kann damit gut leben: „Ich habe tolle Arbeitskol­legen und einen tollen Chef. Die gehen fair mit mir um.“Nach dem Dienst trainiert sie. Spätestens am Anfang des kommenden Jahres wird der nächste Kampf stattfinde­n. Die Engländeri­n Kelly Morgan könnte ihre Herausford­erin sein. Zumindest soll der Verband schon mal angefragt haben. Die Vorbereitu­ng wird dann hart. Erstmals muss sie Arbeit und Training unter einen Hut bringen. Das nimmt sie auf sich.

Ans Aufhören denkt sie keine Sekunde. Sie setzt ihr Lächeln ein: „Mit Sicherheit nicht. Vielleicht, wenn ich einmal 35 bin.“

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Foto: Marcus Merk Erst der Dienst, dann das Training: Box-Weltmeiste­rin Nikki Adler arbeitet als Postbotin.
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Foto: Jule Schutz Nikki Adler mit ihrer bisherigen Titelsamml­ung.

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