Weiter, immer weiter
Geschichte Er wühlt sich durch, wo andere stecken bleiben: der Unimog wird 70 Jahre alt – und hat so einiges zu erzählen
Der SUV-Markt wächst und wächst, doch wirklich geländegängige Offroader sind die meisten Hochbeiner heutzutage kaum mehr. Wer richtig über Stock und Stein kraxeln will, muss schon zu den Klassikern greifen: Jeep Wrangler, Mercedes G-Klasse oder Toyota Landcruiser stehen heute wie damals für Weiterkommen, wo andere schlapp machen. Aber: Irgendwann stoßen auch sie an ihre Grenzen. Dann schlägt die Stunde des Unimogs. Die schwäbischen „Universal-Motor-Geräte“finden fast überall einen Weg - und das seit inzwischen 70 Jahren.
Dass die robusten Schwergewichte zum Welterfolg werden sollen, haben sich die beiden Erfinder in den 40er Jahren sicher nicht träumen lassen. Albert Friedrich und Heinrich Rößler waren Ingenieure bei der Daimler-Benz AG, mussten ihren Posten dort nach dem Krieg aber aufgeben.
Nicht aufgegeben haben sie dagegen ihre Idee eines landwirtschaftlichen Nutzfahrzeugs. Sie tüftelten weiter und konnten 1946 stolz das erste fahrbereite Chassis präsentieren. Nur drei Jahre später lief die Serienproduktion bei der Firma Boehringer in Göppingen an und gleich der erste Kunde war eine – zumindest lokale – Berühmtheit: der Bürgermeister von Backnang. Der war, neben seinem Amt als Stadtoberhaupt, Obstbauer und Winzer und bestellte mit dem Unimog erfolgreich seine Weinberge und Plantagen.
es sollte nicht lange dauern, bis Daimler sich der beiden verlorenen Ingenieure entsann: 1950 übernahm der Autobauer das gesamte Projekt und verlegte die Fertigung nach Gaggenau, wo heute noch das Unimog-Museum beheimatet ist. Seit 2014 wird im nahegelegenen Wörth produziert.
Die ersten Unimogs waren behäbige Arbeitstiere, mit denen der Fahrer alle Hände voll zu tun hatte. Wegen des ins Fahrerhaus hinein ragenden und nur mit einem dünnen Blech verkleideten Motors ging es zudem ziemlich laut und vor allem heiß zu. Inzwischen aber haben sich die Offroad-Lkw zu Hightech-Maschinen gemausert, die sich gut klimatisiert und von einem weich gefederten Sitz aus mit kleinen Handbe- wegungen über Stock und Stein manövrieren lassen. U5023 heißt das aktuelle Flaggschiff, das nicht zuletzt dank der klassisch knappen Überhänge und einem halben Meter Bodenfreiheit kaum aufzuhalten ist. Mehr als 100 Prozent Steigung meistert das 6,6 Tonnen schwere Kraftpaket problemlos, marschiert seelenruhig durch bis zu 1,20 Meter tiefes Wasser und klettert über Felsen, bei denen man zu Fuß schon Schwierigkeiten hätte.
Als Kraftquelle dient ein nur 231 PS starker Vierzylinder, der rau klingt und sich beim Anlassen schüttelt wie ein nasser Hund. Mehr als Leistung oder Laufruhe aber zählt das Drehmoment: Der Diesel holt satte 900 Newtonmeter aus seinen 5,1 Liter Hubraum. Ein AchtUnd gang-Getriebe verwaltet die Kraft, die standardmäßig komplett an die Hinterräder geht. Der Allradantrieb wird bei Bedarf zugeschaltet, ebenso wie das Untersetzungsgetriebe. Eine Taste mit Esel-Symbol aktiviert die Arbeitsgruppe, dann schleicht der Unimog mit wenigen Kilometern pro Stunde durchs Gelände.
Für manchen Einsatz ist selbst das noch zu schnell: Mit den zusätzlichen Kriechgängen schafft der Lastesel im ersten Gang nur noch 80 Meter pro Stunde. Wo man das braucht? Sicher nicht im Gelände. Aber der Unimog ist nicht nur ein unaufhaltsamer Wegbereiter, sondern auch ein hervorragender Geräteträger, auf dem sich zum Beispiel allerlei Baumaschinen befestigen lassen. Rund 3500 verschiedene Aufbauten sind inzwischen zugelassen und machen den Unimog zum Winterdienst-Wagen, FeuerwehrEinsatzfahrzeug oder zur AckerbauMaschine – damit hat schließlich vor 70 Jahren alles angefangen.
Aber noch ein Einsatzzweck erfreut sich immer größerer Beliebtheit: Mehr und mehr Privatpersonen entdecken den Unimog als Abenteuerauto und unternehmen damit ausgiebige Reisen durch Afrika, Südamerika oder den wilden Osten. Dafür empfiehlt sich allerdings die Suche nach einem gut erhaltenen Oldtimer. Ein neuer Unimog würden die Reisekasse nämlich schon vor der Abfahrt empfindlich schröpfen: Rund 140 000 Euro muss man für den U5023 schon einkalkulieren.