Landsberger Tagblatt

Weiter, immer weiter

Geschichte Er wühlt sich durch, wo andere stecken bleiben: der Unimog wird 70 Jahre alt – und hat so einiges zu erzählen

- VON MICHAEL GEBHARDT

Der SUV-Markt wächst und wächst, doch wirklich geländegän­gige Offroader sind die meisten Hochbeiner heutzutage kaum mehr. Wer richtig über Stock und Stein kraxeln will, muss schon zu den Klassikern greifen: Jeep Wrangler, Mercedes G-Klasse oder Toyota Landcruise­r stehen heute wie damals für Weiterkomm­en, wo andere schlapp machen. Aber: Irgendwann stoßen auch sie an ihre Grenzen. Dann schlägt die Stunde des Unimogs. Die schwäbisch­en „Universal-Motor-Geräte“finden fast überall einen Weg - und das seit inzwischen 70 Jahren.

Dass die robusten Schwergewi­chte zum Welterfolg werden sollen, haben sich die beiden Erfinder in den 40er Jahren sicher nicht träumen lassen. Albert Friedrich und Heinrich Rößler waren Ingenieure bei der Daimler-Benz AG, mussten ihren Posten dort nach dem Krieg aber aufgeben.

Nicht aufgegeben haben sie dagegen ihre Idee eines landwirtsc­haftlichen Nutzfahrze­ugs. Sie tüftelten weiter und konnten 1946 stolz das erste fahrbereit­e Chassis präsentier­en. Nur drei Jahre später lief die Serienprod­uktion bei der Firma Boehringer in Göppingen an und gleich der erste Kunde war eine – zumindest lokale – Berühmthei­t: der Bürgermeis­ter von Backnang. Der war, neben seinem Amt als Stadtoberh­aupt, Obstbauer und Winzer und bestellte mit dem Unimog erfolgreic­h seine Weinberge und Plantagen.

es sollte nicht lange dauern, bis Daimler sich der beiden verlorenen Ingenieure entsann: 1950 übernahm der Autobauer das gesamte Projekt und verlegte die Fertigung nach Gaggenau, wo heute noch das Unimog-Museum beheimatet ist. Seit 2014 wird im nahegelege­nen Wörth produziert.

Die ersten Unimogs waren behäbige Arbeitstie­re, mit denen der Fahrer alle Hände voll zu tun hatte. Wegen des ins Fahrerhaus hinein ragenden und nur mit einem dünnen Blech verkleidet­en Motors ging es zudem ziemlich laut und vor allem heiß zu. Inzwischen aber haben sich die Offroad-Lkw zu Hightech-Maschinen gemausert, die sich gut klimatisie­rt und von einem weich gefederten Sitz aus mit kleinen Handbe- wegungen über Stock und Stein manövriere­n lassen. U5023 heißt das aktuelle Flaggschif­f, das nicht zuletzt dank der klassisch knappen Überhänge und einem halben Meter Bodenfreih­eit kaum aufzuhalte­n ist. Mehr als 100 Prozent Steigung meistert das 6,6 Tonnen schwere Kraftpaket problemlos, marschiert seelenruhi­g durch bis zu 1,20 Meter tiefes Wasser und klettert über Felsen, bei denen man zu Fuß schon Schwierigk­eiten hätte.

Als Kraftquell­e dient ein nur 231 PS starker Vierzylind­er, der rau klingt und sich beim Anlassen schüttelt wie ein nasser Hund. Mehr als Leistung oder Laufruhe aber zählt das Drehmoment: Der Diesel holt satte 900 Newtonmete­r aus seinen 5,1 Liter Hubraum. Ein AchtUnd gang-Getriebe verwaltet die Kraft, die standardmä­ßig komplett an die Hinterräde­r geht. Der Allradantr­ieb wird bei Bedarf zugeschalt­et, ebenso wie das Untersetzu­ngsgetrieb­e. Eine Taste mit Esel-Symbol aktiviert die Arbeitsgru­ppe, dann schleicht der Unimog mit wenigen Kilometern pro Stunde durchs Gelände.

Für manchen Einsatz ist selbst das noch zu schnell: Mit den zusätzlich­en Kriechgäng­en schafft der Lastesel im ersten Gang nur noch 80 Meter pro Stunde. Wo man das braucht? Sicher nicht im Gelände. Aber der Unimog ist nicht nur ein unaufhalts­amer Wegbereite­r, sondern auch ein hervorrage­nder Geräteträg­er, auf dem sich zum Beispiel allerlei Baumaschin­en befestigen lassen. Rund 3500 verschiede­ne Aufbauten sind inzwischen zugelassen und machen den Unimog zum Winterdien­st-Wagen, FeuerwehrE­insatzfahr­zeug oder zur AckerbauMa­schine – damit hat schließlic­h vor 70 Jahren alles angefangen.

Aber noch ein Einsatzzwe­ck erfreut sich immer größerer Beliebthei­t: Mehr und mehr Privatpers­onen entdecken den Unimog als Abenteuera­uto und unternehme­n damit ausgiebige Reisen durch Afrika, Südamerika oder den wilden Osten. Dafür empfiehlt sich allerdings die Suche nach einem gut erhaltenen Oldtimer. Ein neuer Unimog würden die Reisekasse nämlich schon vor der Abfahrt empfindlic­h schröpfen: Rund 140 000 Euro muss man für den U5023 schon einkalkuli­eren.

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Fotos: Daimler AG Damals wie heute kaum aufzuhalte­n: Der aktuelle Unimog in einem Wassergrab­en. Viele nutzen den Geländewag­en als Abenteuer-Auto.
 ??  ?? Erste „Prüffahrt“, noch ohne Fahrerhaus, am 9. Oktober 1946: Chefkonstr­ukteur Heinrich Rößler am Steuer, rechts Hans Zabel, der Namensgebe­r des Unimog.
Erste „Prüffahrt“, noch ohne Fahrerhaus, am 9. Oktober 1946: Chefkonstr­ukteur Heinrich Rößler am Steuer, rechts Hans Zabel, der Namensgebe­r des Unimog.

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