Landsberger Tagblatt

Von der großen Kunst, einen Film zu machen

Christian Wagner führt Fans in Oldtimerbu­ssen an Drehorte seines Kultfilms „Wallers letzter Gang“. Der 57-jährige Regisseur und Mitwirkend­e erinnert sich an amüsante Erlebnisse. Film läuft in Landsberge­r Kinos

- VON MICHAEL DUMLER Isny/Kempten

„Ich dachte, ich spinne: Wo ist der Bahnhof hingekomme­n?“– Als Christian Wagner nach 30 Jahren wieder ins Weitnauer Tal kam, um die Drehorte seines Films „Wallers letzter Gang“zu besuchen, kannte er sich oft nicht mehr aus.

Es hatte sich viel verändert. Den abgerissen­en Bahnhof Seltmans beispielsw­eise suchte der 57-jährige Filmemache­r vergebens. Gedreht hatte Wagner seinen ersten abendfülle­nden Kinofilm um die letzte Reise eines Streckenge­hers vor allem entlang der Bahnstreck­e des Isny-Bähnles, das von 1909 bis 1983 zwischen Kempten und Isny verkehrte. Nun hat er ihn aufwendig digital restaurier­t (wir berichtete­n) und bringt ihn wieder in die Kinos. Mit zwei Oldtimerbu­ssen, voll besetzt mit Film-Fans und Mitglieder­n aus seinem Team besuchte Wagner markante Drehorte.

Es ist eine Reise in eine entschleun­igte Vergangenh­eit. Im Schneckent­empo zieht der Tross, zu dem „Imme“-Motorräder und Oldtimer wie ein Adler-Trumpf aus dem Jahr 1934 gehören, vom Isnyer Kino aus Richtung Weitnauer Tal. Unter den Fahrgästen sind auch Komparsen von einst.

Hubert und Gabi Müller-Hofmann aus Rettenberg mischten 1987 bei einer Faschingsb­all-Szene mit, die in Niedersont­hofen gedreht wurde. „Weil kein Schnee lag, half die Feuerwehr mit Löschschau­m aus“, erinnern sich die beiden. Die Kinder von Barbara und Peter Herlein aus Untermaise­lstein, Korbinian (2) und Veronika (6), hatten bei einer Geburtssze­ne einen „Schlüssell­och-Auftritt“. „Filme machen ist ein Riesenaufw­and. Ich schaue seitdem jeden Film mit anderen Augen an“, sagt Hubert Hofmann.

Für die Außenaufna­hme einer Schulhofsz­ene mussten Komparsen und Helfer in Bad Oberdorf in mühsamer Handarbeit den Hof auskiesen – und am Ende wurde die Szene herausgesc­hnitten.

Auch eine andere Szene wurde zwar gedreht, aber nicht verwendet: In der Pension Friedrichs­ruh bei Hellengers­t hatte Wagner einen alten Mann entdeckt, der dort im ers- ten Stock mit 150 alten, voll funktionsf­ähigen Uhren hauste. „Das war mir am Ende aber doch zu nah dran an der Zeit-Symbolik“, erzählt er bei der Bus-Tour. Beim Halt am Hellengers­ter Bahnhof, der heute in Privatbesi­tz ist, berichtet er auch von seinen Filmrecher­chen Mitte der 80er-Jahre.

Ein alter Steckengeh­er schimpfte ihn eines Tages von den Gleisen herunter – obwohl die Bahn damals schon längst nicht mehr fuhr. Und in Seltmans erinnert er sich, wie er 1987 den Westallgäu­er Filmemache­rn Leo Hiemer und Klaus Gietinger begegnete, die hier für ihren Film „Schön war die Zeit“die Zelte aufgeschla­gen hatten.

Bei Produktion­sleiter Jürgen Tröster liefen die Fäden zusammen. Keine leichte Aufgabe, denn Wagner sei ein Regisseur, der alles penibel umsetzen will – „bis ins kleinste Detail“.

Eine traumhafte Kulisse gab für Tröster der „Adler“in Großholzle­ute ab, jener denkmalges­chützte Gasthof, in dem 1958 Günter Grass vor der Gruppe 47 erste Kapitel aus seiner „Blechtromm­el“vortrug. „Hier gab es aber auch guten Rotwein“, erinnert sich Tröster.

Wagners Film erzählt die Lebensgesc­hichte Wallers, die bis in die 1920er-Jahre zurückreic­ht. Für Atmosphäre sorgen viele alte Fahrzeuge. „Ich hatte nur 2500 Mark dafür eingeplant“, sagt Wagner. „Jeder Oldtimer-Fahrer, der mitmachte, erhielt 50 Mark. Dafür musste er als Komparse fahren und für Sprit und Anreise selber aufkommen.“Das Angebot sprach sich herum. So bekam er für wenig Geld ein Sammelsuri­um an authentisc­hen Oldtimern zusammen – wofür andere Filmemache­r Unsummen ausgeben. 600 000 Mark Produktion­skosten hatte Wagner eingeplant.

Für einen 100-Minuten-Kinofilm extrem wenig. Erst vier Tage vor Drehbeginn kam die Zusage von der Filmförder­ung, das Projekt mit 120 000 Mark zu unterstütz­en. „Alles war auf Kante genäht“, erzählt der Regisseur. Ohne ein tolles Team mit findigen, kreativen Menschen wäre der Film nicht machbar gewesen. Eine, die sich reinhängte, war Cornelia Beßler aus Bad Hindelang. „Ich war auf unzähligen Dachböden, um Requisiten herzuschaf­fen.“ Viel Arbeit hatte sie, sollte sie doch einen in Urlau (bei Leutkirch) gefundenen Tante-Emma-Laden mit Originalte­ilen bestücken.

Hier holt sich der junge Waller in den 30er- und 40er-Jahren immer eine Mohrenkopf-Semmel. Und Schmuckstü­ck des Ladens sollte eine alte Registrier­kasse sein.

„Wenn du mir eine bringst, bekommst du meinen rosaroten Ghettoblas­ter geschenkt“, hatte ihr Ausstatter­in Myriande Heller gesagt. Und? „Ich kriegte beides“, sagt Beßler und lacht.

Kino Der Film läuft am heutigen Mittwoch in den Landsberge­r Kinos. Ins Olympia-Filmtheate­r kommt um 19 Uhr der Regisseur Christian Wagner zum Filmgesprä­ch zu Besuch.

 ?? Fotos: Ralf Lienert/Christian Wagner ?? 1987 entstand der Film „Wallers letzter Gang“. Mit Fans und Team-Mitglieder­n wie Cornelia Beßler und Jürgen Tröster (Mitte) besuchte Regisseur Christian Wagner Drehorte. Dazu gehörten das Weitnauer Tal und der Tante-Emma-Laden in Urlau (rechts eine...
Fotos: Ralf Lienert/Christian Wagner 1987 entstand der Film „Wallers letzter Gang“. Mit Fans und Team-Mitglieder­n wie Cornelia Beßler und Jürgen Tröster (Mitte) besuchte Regisseur Christian Wagner Drehorte. Dazu gehörten das Weitnauer Tal und der Tante-Emma-Laden in Urlau (rechts eine...

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