Mit einem „Schalömsche“geht es auf eine wechselvolle Zeitreise
Ein Abend mit dem jüdischen Künstler Dany Bober in der Christuskirche
Er trägt Käppi, nicht Kippa und bezeichnete sich selbst als einen liberalen Juden. Dany Bober, wie er als Künstler bekannt ist, Dan der Sohn des Moses, so sein jüdischer Name, beeindruckte die circa 50 Zuhörer in der Evangelischen Christuskirche, die er mit einem hessischen „Schalömsche“begrüßte. Pfarrer Detlev Möller verwies am Vorabend des großen Gemeindefestes auf die einzigartige Kultur, die aus dem Judentum hervorgegangen sei. Mit „Jerusalem, du Goldene Stadt“Deutsch und Jiddisch, gefühlvoll mit Gitarrenbegleitung gesungen, startete Dany Bober eine Zeitreise, die lange vor der Zeitrechnung, wie Nichtchristen die vorchristliche Epoche bezeichnen, begann.
In Einzelheiten erzählte er die wechselvolle jüdische und etwas verschmitzt seine eigene Familiengeschichte. Geboren 1948 in Israel, wohin die Familie vor den Nationalsozialisten geflohen war, kehrte er 1956 mit seinen Eltern in die Geburtsstadt seines Vaters nach Frankfurt zurück und lebt nun seit 40 Jahren in Wiesbaden. Nach zwei fröhlichen eigenen Vertonungen aus Psalm 149 besang Bober gefühlvoll die innere Trauer über die Zerstörung Jerusalems durch die Babylonier, (Psalm 137). Ergriffen lauschten die Besucher den Erzählungen von Flüssen in Babylon, von Verschleppung und Rückkehr, vom Wiederaufbau des Tempels in Jerusalem und von Alexander dem Großen, den die Juden mit größter Hochachtung verehren. Unterdrückt von den Ägyptern, Syrern, Griechen und Römern, ging es den Juden auf der Iberischen Halbinsel zunächst noch gut. Das änderte sich 1492 mit dem Alhambra-Edikt, das Isabella von Kastilien erließ, mit dem alle Juden, die nicht zum christlichen Glauben übertraten, ausgewiesen wurden. Für ein wunderbar inniges spaniolisches Liebeslied, das eine andalusische Vollmondnacht beschreibt, in der ein junger Mann unter dem Balkon einer wunderschönen Señora um Einlass bittet, gesungen in der Eigensprache der spanischen Juden, gab es verdient Riesenapplaus.
Bereits mit den Römern sollen die ersten Juden an den Rhein gekommen sein. Nachdem sie nicht Mitglieder einer Zunft werden durften, betrieben sie Handel. Es entstand das „Judenteusch“und Jiddisch wurde für das jüdische Volk sehr wichtig. Goethes Vater hatte den kleinen Johann Wolfgang einmal mit ins Frankfurter Ghetto genommen, in dem grauenvolle Enge und fürchterliche Zustände herrschten. Der große Goethe setzte sich später in „Dichtung und Wahrheit“damit auseinander. Der einzigartige jüdische Witz und der typische Humor kamen an diesem Abend nicht zu kurz.
In der Nachlass Bobers verstorbenen Vaters befand sich eine Witzesammlung, aus der er einiges schmunzelnd zum Besten gab. Ein Zitat des Religionsphilosophen Martin Buber, „Gläubigkeit ohne Humor führt zur Engstirnigkeit“gefiel auch den Zuhörern. Alle deutschen Lieder, sogar „Hänschen klein“seien ins Hebräische übersetzt worden und beim vorgetragenen „Tochter Zion freue dich“, dachte er lange Zeit, dies sei ein altes jüdisches Lied. Dany Bober zeigte sich begeistert über den Nobelpreis für Bob Dylan. „Dos Kelbl“aus dem Warschauer Ghetto, das Bob Dylan, Joan Baez und Donovan in der englischen Übersetzung mit „Donna Donna“berühmt gemacht hatten, interpretierte Dany Bober auf höchstem musikalischen Niveau, und nachdem die Anwesenden den Refrain mitsangen, entstand ein Gemeinschaftschor. Nach lustigen Flüsterwitzen und den „zehn kleinen Mäckerlein“sang er noch ein Stück aus dem Warschauer Ghetto: „Sage niemals, du gehst den letzten Weg“, das noch heute zum Unabhängigkeitstag in Israel gesungen wird.
Verabschieden wollte sich Bober mit einem Lied voller Fröhlichkeit und Heiterkeit, jedoch das Publikum ließ ihn nicht ziehen. Nach lang anhaltendem Beifall fragte der Künstler: „Sie wollen eine Zugabe? Sie können siebzehn Zugaben haben, wenn Sie meine CD kaufen“. Mit einem Friedensmedley gab es doch noch den geforderten Zuschlag, und in das bekannte „Hewenu Schalom Alechem“stimmten die ergriffenen Besucher mit ein. Pfarrer Detlev Möller bedankte sich für eine wundervolle Zeitreise, aus der jeder als Beschenkter herausgehe.