Landsberger Tagblatt

Warum es Ceta so schwer hat

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger-allgemeine.de

So kitschig das Lied „Freiheit“von Marius Müller-Westernhag­en ist, so gut passt der Text zur Freihandel­sdebatte. Am Ende steht die Erkenntnis des Sängers: „Freiheit ist das einzige, was zählt.“Doch derart liberales Gedankengu­t hat es schwer. Überall, ob von rechts oder links, wird Freiheit in Frage gestellt. Bürger diskrediti­eren das demokratis­che Lebenselix­ier. Populisten wie Trump wollen Zäune errichten, gegen Zuwanderer und gegen Freihandel. Ja, die geplanten Freihandel­sabkommen mit Kanada und den USA werden von Anti-Globalisie­rungsgegne­rn als Inbegriff des Bösen gebrandmar­kt.

Die für Populismus empfänglic­he Linken-Politikeri­n Wagenknech­t vertritt gar die sonderbare These, beim Begriff „Freihandel­sabkommen“handele es sich um ein „Lügenwort“, weil es nur darum gehe, außerdemok­ratische Strukturen zu etablieren. Das Ceta-Abkommen mit Kanada wird zur Eingangspf­orte in die kapitalist­ische Hölle hochstilis­iert, obwohl es doch anders als bei TTIP keine fragwürdig­en privaten Schiedsger­ichte geben soll.

Warum hat es Freiheit so schwer? Weil sie vielen zur Selbstvers­tändlichke­it geworden ist. Weil der auf unserer freien und sozialen Marktwirts­chaft beruhende Wohlstand derart groß geworden ist, dass Bürger diffuse Ängste vor einem sozialen Abstieg plagen. Und weil die Globalisie­rung gerade auf den Finanzmärk­ten in Exzesse gemündet ist, die der wunderbare­n Idee des Freihandel­s geschadet haben.

Dabei verdanken Millionen Menschen – ob in China oder Indien – der Globalisie­rung ihren sozialen Aufstieg. Der Ökonom Heribert Dieter hat errechnet, dass vor 35 Jahren noch 42 Prozent der Weltbevölk­erung in absoluter Armut gelebt haben. Dieser Anteil sozial Deklassier­ter sei ohne Zweifel stark zurückgega­ngen. Ohne Freihandel wäre das nicht möglich gewesen.

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