Wo sind all die Vögel hin?
Aktion Die Naturschützer rufen wieder dazu auf, die Tiere zu zählen. Doch viele Gärten sind schon seit November leer
Helmut Brüderle hat gut zwei Pfund Vogelfutter auf Vorrat gekauft. Wie in den Jahren zuvor hat er frühzeitig damit begonnen, das Vogelhäuschen zu befüllen und Meisenknödel aufzuhängen. „Anfüttern“nennt der 69 Jahre alte Rentner aus Lengenfeld das. Spatzen, Meisen und Amseln kamen in schöner Regelmäßigkeit, gelegentlich auch ein Rotschwänzchen. Und in diesem Winter? Nichts. Seit November wartet Brüderle auf die Gartenvögel. Wie ihm geht es vielen Gartenbesitzern. Sie alle fragen sich: Wo sind all die Vögel hin?
In den vergangenen Wochen erreichten nicht nur unsere Zeitung, sondern auch den Landesbund für Vogelschutz Meldungen, dass die zu dieser Jahreszeit üblichen Vögel am Futterhäuschen oder im Garten vermisst werden. Als Ursache wurde dabei oft ein Zusammenhang mit der Vogelgrippe vermutet. Diesbezüglich gibt der Landesbund aber Entwarnung: Singvogelarten würden nicht von der aktuellen Form der Vogelgrippe befallen. Aufschluss über mögliche Hintergründe könne dagegen Deutschlands größte Vogelzählung geben. Die „Stunde der Wintervögel“findet vom 6. bis 8. Januar in Bayern statt.
Bei der Aktion ruft der Landesbund zusammen mit seinem bundesweiten Partner, dem Naturschutzbund, alle Naturfreunde auf, eine Stunde lang die Vögel am Futterhaus zu zählen und zu melden. Im Jahr 2016 beteiligten sich auch im Landkreis über 300 Natur- und Gartenliebhaber und zählten 8561 Vögel. Dabei wurden vor allem Feldsperlinge und Haussperlinge (Spatzen) beobachtet. Auf den Plätzen folgten Kohlmeise, Amsel und Blaumeise. Amsel und Kohlmeise wurden in fast allen Gärten beobachtet. Der Vogel des Jahres 2016, der Stieglitz wurde deutlich häufiger beobachtet als zuletzt.
Die Zahlen der gefiederten Gäste an Gartenfutterstellen können im Verlauf des Winters stark schwanken, teilt der Landesbund für Vogelschutz in einer Pressemeldung mit. Gebe es dann Phasen, an denen im eigenen Garten nichts los ist, werde schnell ein allgemeines Vogelsterben befürchtet. Vor allem wenn in den Medien über Vogel- neben der Vogelgrippe auch das Amselsterben durch das Usutu-Virus und das Grünfinkensterben, berichtet wird.
Die aktuellen Hinweise sprechen aber dafür, dass derzeit tatsächlich weniger Vögel in Gärten zu sehen sind. „Eine umfassende Erklärung dafür gibt es bisher jedoch nicht“, sagt Martina Gehret vom Landesbund. Wahrscheinlich sei, dass viele Vögel derzeit in den Wäldern aufgrund eines guten Baumsamenjahres und anhaltend milder Witterung noch genug Nahrung finden, und deshalb bisher Futterstellen in Gärten weniger nutzen.
Helmut Brüderle kann das bestäkrankheiten, tigen. Bei seinen Spaziergängen rund um Lengenfeld habe er immer wieder Singvögel gesehen. Er habe unter anderem beobachtet, dass sich Spatzen über den gehäckselten Mais her machen, der an vielen Stellen unter Planen gelagert werde. Ansonsten glaubt auch er, dass die Vögel bisher genug Nahrung auf Feldern, in Hecken oder eben im Wald gefunden haben. Nach dem Schneefall der vergangenen Tage sei es gut möglich, dass Spatz und Meise wieder die Futterplätze in den Gärten ansteuern. Der 69-Jährige steht in den Startlöchern. Das Futter hat er ja schon auf Vorrat.
Vogelschützer warten mit Spannung auf die Zählung
Die Vogelschützer erwarten jetzt mit Spannung die „Stunde der Wintervögel“. Laut Pressemeldung ist es die größte wissenschaftliche Mitmachaktion Deutschlands, bei der möglichst viele Menschen gemeinsam große Datenmengen sammeln und so wichtige Hinweise zur Entwicklung der heimischen Vogelbestände geben. Die Langzeitstudie liefert Naturschützern eine Fülle wertvoller Informationen zum Schutz der Artenvielfalt. Um die Zahlen mit den Ergebnissen der vergangenen Jahre abgleichen zu können, hofft der Landesbund, die Rekordbeteiligung aus dem Vorjahr erneut übertreffen zu können.
Die Zählung funktioniert einfach: Von einem ruhigen Beobachtungsplätzchen aus wird von jeder Art die höchste Anzahl notiert, die im Laufe einer Stunde gleichzeitig zu beobachten ist. Die Beobachtungen können im Internet bis zum 16. Januar gemeldet werden, die Ergebnisse werden dort ausgewertet. Auch per Post (Einsendeschluss ist der 16. Januar) und am Telefon (kostenlose Rufnummer am 7. und 8. Januar von 10 bis 18 Uhr: 0800/1157115) ist die Meldung möglich.