Herzversagen kann jeden treffen
Die Trauer nach dem plötzlichen Tod von Markus Kennerknecht ist groß. Dass junge sportliche Menschen an Herzversagen sterben, ist aber gar nicht so selten
Herr Professor Beyer, es ist gut eine Woche her, da ist der Memminger Oberbürgermeister Markus Kennerknecht beim Joggen plötzlich an Herzversagen gestorben. Er war nur 46 Jahre alt: Wie kann das sein?
Prof. Michael Beyer: Das ist immer das, was uns am meisten irritiert, wenn junge sportliche Menschen an plötzlichem Herzversagen sterben. Aber das ist gar nicht so selten. Im Jahr sterben etwa 900 bis 1000 sportliche junge Menschen am plötzlichen Herzversagen. Insgesamt sterben im Jahr deutschlandweit sogar zwischen 100 000 und 200 000 Menschen daran.
Und was sind die Ursachen dafür?
Das kann unterschiedliche Ursachen haben. Entweder man hat eine strukturelle Herzerkrankung. Das heißt, man hat vielleicht eine Verengung der Herzkranzgefäße oder eine Entzündung am Herzmuskel oder eine zu dicke Herzwand. Eine sehr häufige Ursache sind auch Herzrhythmusstörungen. Das alles führt zu Kammerflimmern und das wiederum zum plötzlichen Herztod. Für Herzrhythmusstörungen gibt es auch andere Auslöser, etwa wenn dem Körper Elektrolyte fehlen, vor allem Kalium. Das passiert bei sehr starker Anstrengung, wenn man schwitzt und der Körper viel Wasser verliert. Ein weiterer Grund kann sein, dass eine Hauptschlagader platzt. Auch das kann zu einem plötzlichen Herztod führen.
Merkt man es, wenn man etwa Herzrhythmusstörungen hat?
Es gibt Warnzeichen. Wenn man schon eine Vorerkrankung der Herzkranzgefäße hat, kann es sein, dass man spürt, dass das Herz stolpert. Oder man hat unspezifische Beschwerden, wie etwa ein Brennen im Brustbereich. Auch wenn man viel zu früh Luftnot bekommt und spürt, dass die Belastbarkeit nicht mehr so ist, wie sie früher war, kann es ein Anzeichen sein. Für koronare Herzerkrankungen und den plötzlichen Herztod gibt es außerdem eine familiäre Vorbelastung.
Gibt es noch andere Risikofaktoren?
Alle Menschen, die Bluthochdruck haben oder einen zu hohen Cholesterinspiegel, die starke Raucher sind oder Diabetes haben, sind besonders gefährdet. Auch der Konsum von Drogen kann zu Herzrhythmusstörungen führen.
Es muss sich also nicht jeder davor fürchten, an plötzlichem Herzversagen zu sterben?
Beyer: Prinzipiell ist niemand dagegen gefeit. Es ist aber natürlich immer eine Risikoabschätzung. Wenn man keinen Bluthochdruck hat, keine familiäre Veranlagung besteht, man nicht raucht, kein Unwohlsein hat oder schon mal kurz bewusstlos war, dann ist das Risiko extrem gering, plötzliches Herzversagen zu bekommen.
Das Tragische und Verwunderliche am überraschenden Tod von Markus Kennerknecht ist, dass er sehr sportlich war. Es heißt doch, Sport beugt Herzerkrankungen vor. Beyer: Das stimmt auch. Ich bin ein absoluter Verfechter davon. Sport ist der beste Faktor, um einer koronaren Herzerkrankung vorzubeugen. Aber die sportliche Betätigung muss mit Maß vollzogen werden. Es gibt immer wieder Sportler, die sich überlasten. Vor allem, wenn man nicht trainiert ist, sollte man vorsichtig sein und seinen Puls fühlen.
Und wenn man beim Sport merkt, dass man sich komisch fühlt?
Beyer: Sollte man unbedingt aufhören. Man sollte nicht glauben, man muss das überwinden. Wenn man beim Joggen merkt, dass es im Brustbereich brennt oder man keine Luft bekommt, muss man aufhören.
Gibt es außer Sport noch Möglichkeiten, solchen Erkrankungen vorzubeugen?
Natürlich sollte man alle Risikofaktoren vermeiden. Es fängt beim Rauchen an und geht beim Alkoholkonsum weiter. Der sollte ein gewisses, vernünftiges Maß nicht übersteigen. Dieses Maß ist ziemlich niedrig, etwa ein Viertelliter Wein am Tag. Man sollte auf die Ernährung achten und jedwede Form von Übergewicht vermeiden. Und das Schwierigste ist, Stresssituationen zu vermeiden. Wobei schon die Überlegung, Stress unbedingt aus dem Weg gehen zu wollen, ein Stressfaktor sein kann.
Hilft es, sich regelmäßig von einem Kardiologen durchchecken zu lassen, oder ist das übertrieben?
Beyer: Was jeder machen kann, und ab einem bestimmten Alter auch machen sollte, ist, sich ein Blutdruckmessgerät zuzulegen und seine Werte regelmäßig anzuschauen. Wenn man keine Symptome hat, muss man nicht regelmäßig ein EKG machen lassen. Bemerkt man aber ein Herzstolpern, sollte man in jedem Alter zum Kardiologen gehen und nachgucken lassen. Denn nur weil jemand jung ist, heißt das nicht, dass ihm nichts passieren kann.
Wie erkennt man, ob jemand Kammerflimmern hat, und wie hilft man?
Beyer: Der Patient ist dann nicht mehr ansprechbar und bewusstlos. In der Regel spürt man auch keinen Puls, wenn man danach tastet. Und irgendwann setzt die Atmung aus. Dann muss man sofort mit der Reanimation, also der Herzdruckmassage, beginnen.
Wie hoch ist die Überlebenschance?
Beyer: Nach Kammerflimmern und einer gelungenen Wiederbelebung liegt die Überlebenschance bei etwa zehn Prozent. Patienten, die nur eine Kammertachykardie haben, deren Herz also schnell und unregelmäßig schlägt, die aber noch bei Bewusstsein sind, haben eine Überlebensrate von 70 Prozent.