Sprachkurse allein reichen nicht zum Verständnis
Asyl Ohne Übersetzer werden Behörden- oder Arztbesuche oft zum Vabanquespiel. Flüchtlinge als Laiendolmetscher ausgebildet
Landkreis Wer in einer Verwaltung einmal einen Antrag amtlichen Charakters stellen musste, der weiß vermutlich, dass dies kein einfaches Unterfangen ist. „Amtsdeutsch“, Fachbegriffe und großer Umfang lassen das Ausfüllen der Formulare schon für deutsche Staatsbürger oft zu einer Qual werden. Wie soll es da Asylsuchenden gehen, wenn sie noch nicht oder nur unzureichend der Sprache ihres neuen Wunschheimatlandes mächtig sind? Dann sind sie auf die Hilfe von Sprachmittlern oder gar professionellen Dolmetschern angewiesen. Doch davon gibt es im Landkreis Landsberg zu wenig, weiß Marianne Asam, Leiterin Soziale Dienste beim Roten Kreuz Landsberg: „Der Bedarf an Übersetzern wird immer größer“– zum Beispiel bei Arztbesuchen, vor notwendigen Operationen, aber auch bei Notfällen oder beim Anwalt, vor Gericht.
Dort kann auf Übersetzer als Vermittler zwischen Entscheidern und Asylsuchenden nicht verzichtet werden. Doch wer sorgt für Übersetzer, wer übernimmt deren Kosten? Die Sachgebietsleiterin für Asylangelegenheiten im Landratsamt, Barbara Rösner, nennt Beispiele: „Wenn das Kindswohl bedroht ist oder in besonderen Krankheitsfällen wie auch bei Lebensgefahr sind die Kosten bei uns.“In weniger schwerwiegenden Fällen sind jedoch die Asylbewerber angehalten oder verpflichtet, sich von Mitbewohnern, Freunden, Bekannten oder Familienmitgliedern, die der deutschen Sprache mächtig sind, helfen zu lassen. Die Behörde selbst verfüge über einige Mitarbeiter, die etwa Arabisch oder die gängigen Fremdsprachen wie Englisch und Französisch beherrschen. Doch was ist mit Farsi etwa, Paschtu oder Tigrinya, die Sprache vieler Eritreer? Missverständnisse und Fehleinschätzungen könnten für die Betroffenen weitreichende Konsequenzen haben. Zum Beispiel bei Vorfällen in Asylunterkünften, wenn es dort zu Auseinandersetzungen kommt. Die Polizei zum Beispiel versucht erst einmal vor Ort jemanden zu finden, der als Übersetzer dienen kann. Franz Kreuzer, Sprecher der Polizeiinspektion Landsberg: „Wir stufen anschließend nach dem Grad der Vernehmungen ab.“Bei massiven strafrechtlichen Maßnahmen, kurz bevor es zum Staatsanwalt gehe, würden dann durchaus professionelle Dolmetscher hinzugezogen. Eine Liste mit den Kontaktdaten vereidigter und unvereidigter Dolmetscher ist den Inspektionen seitens der Einsatzzentrale zur Verfügung gestellt.
Evelyn Koch, Asylsozial- und Migrationsberaterin beim BRK, nennt aber weitere „Problemfelder“, in denen den Laiendolmetschern durchaus wichtige Rollen zukämen: Innerhalb von Familien, wenn es sich um die Themen Trennung, Sorgerecht oder Gesundheit dreht. Sensibilität, Diskretion, Neutralität, Zuverlässigkeit und das Wissen um entsprechende soziale und interkulturelle Kompetenzen müsse ihnen, so Evelyn Koch, unbedingt vermittelt werden.
Antje Bommel ist selbst Dolmetscherin und Übersetzerin und kann da nur zustimmen: „Damit Integration von Flüchtlingen funktionieren kann, muss mithilfe von Dolmetschern Kommunikation überhaupt erst einmal ermöglicht werden.“Vor rund zwei Jahren hatte sie selbst am Klinikum zufällig miterlebt, welche Probleme durch eine schlechte Übersetzung eines Flüchtlings entstehen können. Da reifte in ihr die Idee, gerade Flüchtlinge als Laiendolmetscher auszubilden. In LandsAid und dem evangelischen Gemeindeverein Kaufering fand sie die benötigten Partner, um zwei Seminare für Laiendolmetscher mit Migrationshintergrund durchzuführen. Im vergangenen Winter erhielten zwölf Teilnehmer, sieben Frauen, fünf Männer – mit den Muttersprachen Arabisch, Persisch, Wolof (Senegal) und Tigrinya ihr Zertifikat.
Der Kurs beinhaltete neben der Vermittlung von Grundlagen etwa zur Notiztechnik beim Dolmetschen, Verhalten oder Schweigepflicht, auch einen Besuch am Landratsamt, wo die Teilnehmerinnen mit Mitarbeitern des Jugendamtes, der Asylbehörde oder des Ausländeramtes diskutieren und sich informieren konnten. Der zweite Kurs mit 15 Teilnehmern, ebenfalls von LandsAid finanziert, ging vergangene Woche zu Ende.
Die insgesamt 27 zertifizierten Laiendolmetscher – den Begriff Sprachmittler hält sie für eine politische Kreation – bilden nun den Grundstock eines Pools, auf den künftig sowohl Polizei, Landratsamt Verwaltungen, Runde Tische Asyl sowie Organisationen wie das Rote Kreuz bei Bedarf zugreifen können. Antje Bommel: „Ich werde in den nächsten Tagen die Namensliste flächendeckend im Landkreis an die Stellen weiterleiten.“Wie sich die Geschichte weiterentwickelt, vermag sie nicht einzuschätzen. Einen Bestand an etwa 50 Laiendolmetschern, um den Bedarf abzudecken, hält sie aber für angebracht.
Die Laiendolmetscher arbeiten alle ehrenamtlich, sollten allerdings, so hofft die Ausbilderin, bei längerfristiger Zusammenarbeit auch entsprechend entlohnt werden. Sie weiß, dass dabei sehr unterschiedliche Maßstäbe angelegt werden – bis hin zu unentgeltlichen Einsätzen. Das möchte das BRK auf alle Fälle vermeiden. Steigt jedoch der Bedarf, mehren sich auch die Kosten. Daher hofft Marianne Asam für ihren Bereich auf externe Unterstützung: „Schon mit kleinen Spendenbeträgen kann ein entscheidender Beitrag geleistet werden, um zuweilen große Probleme zu vermeiden oder zu beheben.“