Gute Nachrichten
Reden wir über Journalismus Das Jahr hat gut begonnen, und zwar mit kritischen und konstruktiven E-Mails von Lesern. In meiner Kolumne am 30. Dezember war das verbreitete Misstrauen gegenüber Medien ein Thema: „Die Debatte um Funktion und Probleme des Journalismus wird im Jahr 2017 weitergehen. Gut so. Hoffentlich aber in gemäßigterem Ton. Wenn Sie mit mir diskutieren möchten, schreiben Sie mir“, schrieb ich – und das haben Sie getan. Danke!
Ein Leser aus Buchloe regt an: „Könnten Sie in Ihrer Zeitung nicht einmal pro Woche eine Seite ausschließlich mit guten Nachrichten bringen?“Er meine damit „Meldungen über das ganz alltägliche und damit langweilige Gute“. Wenn eine Firma etwa neue Mitarbeiter einstelle, wäre das eine Meldung wert auf der „Gute-NachrichtenSeite“. Denn ein Übermaß an schlechten Nachrichten führe leider gerade in diesen Zeiten dazu, „dass Ängste geschürt werden, die in keinem Verhältnis zur Realität stehen“. Dieser Punkt ist auch einem anderen Leser wichtig: „Schlechte Nachrichten werden meines Erachtens überbewertet dargestellt.“
In der deutschen Medienbranche wird seit Sommer 2015 verstärkt darüber diskutiert, ob Medien zu negativ berichten. Damals erschien Ulrik Haagerups Buch „Constructive News“auf Deutsch. Der dänische Journalist rät Kollegen, nach konstruktiven Aspekten in dem zu suchen, über das sie berichten. Journalisten sollten Lösungsansätze für ein Problem in ihren Berichten (mit-)liefern. Dabei gehe es nicht darum, die Welt durch eine rosarote Brille zu sehen oder sich auf positive Nachrichten zu konzentrieren.
Dass Letztgenanntes nicht funktioniert, zeigte in Großbritannien (unser Foto). Die Zeitungsneugründung – Werbeslogan: „Das Leben ist kurz, lasst es uns gut leben“– wurde im Mai 2016 nach nur neun Wochen eingestellt.
Haagerups Ansatz ist weder neu noch bahnbrechend, erfuhr durch sein Buch jedoch einen Schub: Redaktionen renommierter Printmedien und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks setzten verstärkt auf eine betont konstruktive Berichterstattung; unter anderem mit dem Start-up entstand ein „lösungsorientiertes“OnlineMedium, dessen Website im Juni 2016 startete und das nach eigenen Angaben mehr als 14000 zahlende Mitglieder hat. Auch in unserer Redaktion wird täglich diskutiert, welche
The New Day Perspective Daily
Themen wie aufgearbeitet werden. Auch gute Nachrichten im Sinne des Lesers aus Buchloe finden sich täglich in der Zeitung oder deren Online-Auftritt; nicht auf einer eigenen Seite oder in einer Rubrik, sondern an vielen Stellen.
„Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten“? Das ist gewiss nicht (mehr) so. Aber natürlich ist und war es schon immer so: Nicht „Hund beißt Mann“ist eine Nachricht, sondern „Mann beißt Hund“.
Im Journalismus geht es seit jeher um den Neuigkeitswert. Die Zeiten, in denen dieser das entscheidende Kriterium war, sind allerdings längst vorbei. Viele Medien bauen zum Beispiel ihre Hintergrundberichterstattung aus und erklären mehr – und das ist schließlich die Voraussetzung für „Lösungen“.