Dieser Mann will Österreich umkrempeln
Bundeskanzler Christian Kern hat große Pläne. Welche er umsetzen kann und wo es schwierig wird
Selten hat ein österreichischer Bundeskanzler mit einer einzigen Rede eine derartige Debatte ausgelöst. Kaum hatte der Sozialdemokrat Christian Kern seinen „Plan A“präsentiert, begann schon die Diskussion darüber, ob seine großen Pläne überhaupt umsetzbar sind. Darum geht es: ● Kern will Unternehmen entlasten, damit sie mehr Beschäftigte bezahlen können. Die Lohnnebenkosten sollen um sieben Prozent sinken, außerdem sind Zuschüsse zu Lohnfortzahlungen geplant. Und es soll einfacher werden, einen Betrieb zu gründen. Die tägliche Arbeitszeit soll nach den Plänen des Kanzlers auf zwölf Stunden ausgedehnt werden können. Dafür würden Arbeitnehmer in größeren Betrieben das Recht auf Teilzeit bekommen. Für Arbeitnehmer, die älter als 50 Jahre alt und ein Jahr arbeitslos sind, soll es sogar eine Beschäftigungsgarantie geben. Ihre Arbeitsplätze würden nach Tarif entlohnt und vor allem in der Pflege, bei der Altenbetreuung oder in der kommunalen Infrastruktur angesiedelt. Unternehmen, die Ältere einstellen, sollen zusätzlich gefördert werden. Die geplante Finanzierung dieses Projekts durch eine „Wertschöpfungsabgabe“lehnt der konservative Koalitionspartner ÖVP allerdings ebenso ab wie eine Erbschaftsund Schenkungssteuer für Beträge über eine Million. Für höhere Steuern für internationale Konzerne ist die ÖVP schon eher zu begeistern. Dass am Ende 200000 neue Jobs geschaffen werden, wie Kern es anstrebt, halten Experten für sehr ambitioniert. ● Bildung In den 70er Jahren führte Kanzler Bruno Kreisky das GratisSchulbuch ein. Kern will nun rund 170 000 Kindern gratis Tablets und Laptops zur Verfügung stellen. Schulen an Brennpunkten sollen speziell unterstützt werden. Der Unterricht in Mathe, Informatik, Naturwissenschaften und Technik soll ausgebaut werden. Die ÖVP steht hinter einer stärkeren Förderung von Universitäten. Kriterium dafür soll die Zahl der Absolventen sein, nicht der Studienanfänger. ● Kern hat eine Energiewende ausgerufen, die Österreich von Stromimporten unabhängig machen soll. Zur Zeit liegt der Eigendeckungsgrad bei 85 Prozent. Bis zum Jahr 2030 sollen 40 Milliarden Euro private Investitionen durch ein verändertes Förder- system mobilisiert werden, das sich am deutschen Modell orientiert. 45 000 neue Jobs könnten nach Einschätzung Kerns in der Branche entstehen. Die Ökostrommenge soll um 260 Prozent gesteigert werden und der Energieverbrauch um 24 Prozent sinken. Die Energiewirtschaft begrüßt eine solche Umstrukturierung. Der Biomasseverband kritisiert allerdings, dass ein Teil des Ausbaus über die Abschaltung der Biomasse-Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen finanziert werden soll. ● Mit der Auflösung der Rücklagen der Krankenkassen sollen die unterschiedlichen Kassenleistungen angeglichen werden. Zum Ausgleich will die Regierung die Selbstbeteiligung für Selbstständige und Beamte abschaffen. Gegen diese Vorschläge spre- chen sich allerdings sowohl die Beamtenversicherung als auch die Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft aus. Die Umsetzung dürfte damit schwierig werden. ● In Österreich liegt der tarifliche Monatslohn für viele Berufe unter 1500 Euro. Das Sozialministerium will einen „Generalkollektivvertrag“von 1500 Euro brutto umsetzen. Wirtschaft und Gewerkschaften geht der Vorschlag zu weit. ● Weil sich die Große Koalition in Wien seit Jahren blockiert, will Kern das Wahlrecht dahingehend ändern, dass die stärkste Partei automatisch mit der Regierungsbildung beauftragt wird und im Parlament zusätzliche Mandate bekommt. Für eine solche Wahlrechtsreform ist aber eine Zweidrittelmehrheit nötig. FPÖ, Grüne und Neos sehen Kerns Plan skeptisch, insofern ist eine Umsetzung unwahrscheinlich. ● Ende 2016 gab es in Österreich etwa 170000 Arbeitskräfte, die aus dem Ausland kamen, viele aus osteuropäischen EUMitgliedsstaaten. Kern fordert, dass Bürger aus Staaten, deren Lohnniveau nicht einmal 80 Prozent des österreichischen erreicht, nur in Österreich arbeiten dürfen, wenn keine heimische Arbeitskraft zur Verfügung steht. Er will im Zuge der Brexit-Verhandlungen mit der EUKommission eine „Lohnschutzklausel“für Branchen mit hoher Arbeitslosigkeit vereinbaren.
Der Koalitionspartner ÖVP hält das zwar im Prinzip für eine gute Idee. Sie sei aber rechtlich schwer durchsetzbar.
Experten sind nicht so optimistisch wie Kern
am Dienstag, 17. Januar, zwischen 16 und 18 Uhr.
Auskunft geben Pflegebegutachterin des MDK Bayern, Pflegeberater AOK Bayern und von der Compass-Pflegeberatung.