Landsberger Tagblatt

Ein Benediktin­er im Gottesstaa­t

Religionen Bruder Josef Götz aus St. Ottilien pflegt nicht erst seit der weitgehend­en Aufhebung der Sanktionen Kontakte in den Iran. Bald will man sich wieder treffen

- VON HEDWIG SPIES

St. Ottilien Früher von westlicher, US-amerikanis­cher Seite als „Schurkenst­aaten“oder als „Achse des Bösen“eingestuft­e Länder wie der Iran sind für die katholisch­e Kirche längst keine „No-go-area“mehr. Dafür steht der Cellerar der Erzabtei St. Ottilien, Bruder Josef Götz, als leidenscha­ftlicher Brückenbau­er zwischen den Religionen mit dem Interrelig­iösen Dialog, den das Zweite Vatikanisc­he Konzil mit seinem Dokument „Nostra aetate“– „in unserer Zeit“zum Umgang mit anderen Religionen einläutete.

„Religion ist eine Brücke zwischen den Kulturen“, betonte Bruder Josef bei einem Gespräch mit dem LT. Der Theologe will zusammen mit anderen Ordensleut­en eine Schneise schlagen. 1983 nahm er am ersten Austausch zwischen ZenMönchen und Benediktin­ern in Japan teil. Gegenbesuc­he folgten. Und 2014 bereiste Bruder Josef erstmals den „Gottesstaa­t“Iran.

Mit dem früheren Abtprimas Notker Wolf plant Bruder Josef einen weiteren Besuch im Iran, der Termin stehe noch nicht fest. Die Iraner seien nach seinem Eindruck „todfroh“, dass sie nach dem Ende des Atomstreit­s aus ihrer Isolation herausgeko­mmen seien. „Das war ein Befreiungs­schlag für sie“, glaubt Bruder Josef. Die Menschen im Iran seien ihm bei seinem Aufenthalt mehrheitli­ch „tolerant“erschienen.

Anerkennun­g verdiene, dass der Iran rund eine Million Flüchtling­e aus den Nachbarlän­dern aufgenomme­n hat. Die Situation der Bevölkerun­g sei allerdings weiterhin geprägt durch eine hohe Arbeitslos­igkeit und damit einhergehe­nder Perspektiv­losigkeit und Unzufriede­nheit vor allem in der jungen Akademiker­schicht.

Bruder Josef, der sich in seinem benediktin­ischen Habit in Ghom (persisch Qom) akzeptiert­er fühlte als in München, betont: „Religion und religiöse Symbole haben einen hohen Stellenwer­t im Iran. Es besteht eine Einheit zwischen Religion und Staat.“Und: „Eine Religionsf­reiheit nach unserem Verständni­s existiert nicht.“Das erkläre die pre- käre Situation christlich­er Kirchen im Iran, in dessen Parlament neben den Schiiten auch eine winzige Minderheit von jüdischen, sunnitisch­en, christlich­en und anderen Religionen vertreten ist. Im Iran bilden die Schiiten mit rund 92 Prozent die Mehrheit, in der weltweiten islamische­n Religionsg­emeinschaf­t sind die Sunniten mit 90 Prozent aller Muslime die größte Gruppe.

„Es ist ein Gang auf rohen Eiern“, so beschreibt Bruder Josef die Situation. Dass die christlich­e Kirche im Iran durch die Polizei bespitzelt werde, sei ihm bei seinem letzten Besuch durch einen Europäer bestätigt worden. Themen wie Frauenrech­te würden nicht angesproch­en, wohl aber die Unterschie­de zwischen Arm und Reich, Umweltschu­tz oder der richtige Umgang mit dem Internet für Kinder. „Stolze Patrioten“seien die Iraner, aber es träten auch viele Missverstä­ndnisse auf, man müsse lernen, damit umzugehen, wenn man mit Vertretern des Islam den Dialog zwischen den Religionen pflege. Bruder Josef drückt es diplomatis­ch aus: „Drei Schritte vor, einer zurück. Aber das ist auch ein Weg zum Ziel.“

Papst Franziskus hat in Sorge um das weltweite Haus 2015 die Enzyklika „Laudato si“vorgelegt. Darin geht es um Umweltschu­tz, Ernährung und Stadtentwi­cklung. Die iranische Geistlichk­eit fühle sich sehr davon angesproch­en, hat Bruder Josef bei Gesprächen über die Religionen erlebt.

Der Benediktin­ermönch und weitere deutsche Ordensleut­e besuchten 2014 Ghom (das LT berichtete). 2013 war Sheikh Taher Amini Golestani, der in München seine Deutschken­ntnisse vertiefte, Gast in St. Ottilien. Das Logo „Pax“– Friede – auf den Servietten im Speisezimm­er erfreute den iranischen Geistliche­n sehr, und er interpreti­erte dies als eine besondere Geste der Gastfreund­schaft, zumal die Benediktin­er jeden Gast „wie Christus“aufnehmen wollen. Der Kontakt mit iranischen geistliche­n Würdenträg­ern wird regelmäßig aufgefrisc­ht: Noch im Frühjahr erwartet das Kloster erneut Sheikh Taher Amini Golestani und seine Familie. Dr. Golestani, Sohn eines Ayatollahs, unterricht­et Theologie in der Heiligen Stadt Ghom.

Diese gilt nicht nur als das wichtigste Ausbildung­szentrum der Schiiten, sondern auch wegen der Grabmosche­e und dem Schrein von Fatima Masuma, der Schwester des achten Imams der Zwölfersch­iiten Reza, als der zweitwicht­igste schiitisch­e Wallfahrts­ort Irans. 50 Hochschule­n sind in Ghom angesiedel­t, darunter die Islamisch-Theologisc­he Hochschule.

Dem „Himmel“war Bruder Josef Götz übrigens schon immer verbunden: Zuerst bei seinem Studium der Luft- und Raumfahrt in Stuttgart und nach dem Studium der Mathematik und Physik für das Lehrfach sowie durch sein späteres theologisc­hes Studium in Straßburg, als er sich entschloss, dem Konvent der Benediktin­er beizutrete­n. Seine Kindheit verbrachte der Sohn einer Diplomaten­familie in Amsterdam, Algier und Brazzavill­e/Kongo.

 ?? Foto: Cassian Jakobs ?? Bruder Josef Götz (Zweiter von rechts) pflegt den Kontakt zu den anderen Weltreligi­onen, hier sieht man ihn unter anderem mit schiitisch­en Vertretern beim islamisch christlich­en Dialog im April 2016 in St. Ottilien.
Foto: Cassian Jakobs Bruder Josef Götz (Zweiter von rechts) pflegt den Kontakt zu den anderen Weltreligi­onen, hier sieht man ihn unter anderem mit schiitisch­en Vertretern beim islamisch christlich­en Dialog im April 2016 in St. Ottilien.

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