Seit Herbst wird nach heißem Wasser gebohrt
Bei Weilheim ist Deutschlands größtes Kraftwerk geplant. Projekte in Dießen und Utting wurden nicht weiterverfolgt. In der Lichtenau ist man jetzt auf 3000 von 5000 Metern Tiefe angelangt
Geothermie: Viel mehr als heiße Luft ist von diesem vor etlichen Jahren auch am Ammersee hitzig diskutierten Thema nicht entstanden. Ein paar Kilometer südlich von Dießen sieht die Sache freilich anders aus: Seit dem Herbst wird dort – im Dreiländereck zwischen Raisting, Weilheim und Wielenbach – nach heißem Wasser gebohrt. Nachts kann man den beleuchteten Bohrturm im weiten Umkreis sehen.
Geothermie – bei diesem Stichwort brach vor etlichen Jahren auch am Ammersee regelrecht Goldgräberstimmung aus. In Utting sicherte sich eine Firma namens Geoenergie Bayern einen Claim, in Dießen ging es richtig turbulent zu: Zunächst erwarb eine Firma G-Therm Energy & Water das Aufsuchungsrecht. Danach zog es die Marktgemeinde an sich, die es jedoch bald an die Stadtwerke München weitergab. In diesem Kommunalunternehmen wurde ein seriöserer Partner gesehen, doch auch dieses legte den Standort Dießen schnell zu den Akten.
Ganz anders entwickelte sich die Angelegenheit im Raum Weilheim: Hier soll in naher Zukunft das größte Geothermie-Kraftwerk Deutschlands Strom produzieren – in einer ziemlich abgelegenen und schwer erreichbaren Ecke in der Lichtenau westlich von Weilheim. Realisiert wird dieses von der „Erdwärme Oberland“. Die Bezeichnung hört sich zwar an, als handle es sich um ein regional tätiges Unternehmen, tatsächlich gehört es aber zu 78,6 Prozent einem der ganz großen Player in der Strombranche, dem italienischen Konzern Enel. Die restlichen Anteile besitzt die Erdwärme Bayern GmbH & Co. KG mit Sitz in München. 26 Megawatt soll die Leistung der Lichtenauer Geothermie einmal betragen. Das entspricht ungefähr einem Fünfzigstel der Leistung eines der noch in Betrieb befindlichen deutschen Atomkraftwerke. Die zu erwartende Strommenge von jährlich über 200 Millionen Kilowattstunden dürfte reichen, um 30000 bis 40000 Haushalte mit elektrischer Energie zu versorgen. Rund 30 Prozent des erzeugten Stroms dürfte jedoch für den Eigenbetrieb benötigt werden, so die Angaben des Betreibers.
Noch ist es allerdings nicht so weit: Das heiße Wasser mit einer geschätzten Temperatur von 140 Grad befindet sich in einer Tiefe von 3700 Metern, da schräg gebohrt wird, wird das Bohrloch rund 5000 Meter lang werden. Die momentan erreichte Tiefe beträgt 3000 Meter, berichtet Antonio Marabotto, Projektmanager bei der Firma Enel Green Power. Bislang habe sich der Untergrund so dargestellt wie erwartet, sodass Marabotto auch im weiteren Verlauf keine Überraschungen erwartet. Wann die Tiefenwärme genutzt werden kann, lässt er aber noch offen: „Zuerst muss das Bohrloch fertiggestellt werden. Im Anschluss daran wird dieses einem ausführlichen Test unterzogen. Nach Auswertung dieser Ergebnisse werden wir mehr wissen.“Vor diesem Hintergrund ist auch unklar, ob das Lichtenauer Tiefenwasser auch für ein Wärmenetz im Raum Weilheim genutzt werden wird. Ein grundsätzliches Interesse an dieser Wärmenutzung haben derweil die Stadtwerke Weilheim bereits zu erkennen gegeben.
Zumindest betriebswirtschaftlich ist für das Projekt keine besondere Eile geboten. Während die auf 20 Jahre garantierten festen Einspeisevergütungen für Fotovoltaik und Windenergie inzwischen Geschichte sind, läuft die Förderung von Geothermie-Strom mit einer Einspeisevergütung von 25,2 Cent pro Kilowattstunde erzeugten Stroms erst Ende 2020 aus. Diese staatliche Förderung sei notwendig, um die Geothermie, die durch hohe Anfangsinvestitionen geprägt ist, zu beschleunigen, sagt Marabotto. Tatsächlich ist diese Form der Energiegewinnung durchaus mit Risiken verbunden. Nicht immer wird man bei Bohrungen im erwarteten Rahmen fündig. Das hat sich schon verschiedentlich, zum Beispiel auch in Mauerstetten im Ostallgäu, gezeigt.
Zuletzt gerieten GeothermieBohrungen bei Poing östlich von München auch in den Verdacht, leichte Erdstöße ausgelöst zu haben. Droht eine solche Gefahr auch im Ammertal? Dazu Marabotto: „Weltweit gibt es keine Berichte von einer signifikanten Zunahme der seismischen Aktivität oder Schäden, die durch ein Geothermiekraftwerk verursacht wurden.“Ein Zusammenhang zwischen Bergbau und Erdbeben sei aber beim Einsatz der Fracking-Methode festgestellt worden. Doch damit sei das Projekt in der Lichtenau „in keiner Weise vergleichbar“.
Ganz außer Acht lässt das Unternehmen das Thema aber nicht, wie der Projektmanager ausführt: „Dennoch überwachen wir in Abstimmung mit den Auflagen des Bergamts die Umgebung unseres Projektes mit seismischen Messstationen. Damit können wir die Seismizität in der Gegend permanent überwachen und bemerken jede außergewöhnliche Aktivität im Untergrund sofort. Außerdem stellen wir die gewonnenen Daten dem Bayerischen Erdbebendienst zur Verfügung.“