Der See ruft
Segler müssen jetzt Frühjahrsputz halten und die Schiffe präparieren für die Monate im Wasser
Auch wenn es das Wetter noch nicht vermuten lässt – die Segelsaison 2017 steht unmittelbar bevor. Einige Schiffe liegen bereits an Bojen und Stegen im Ammersee, andere warten in einer der Werften darauf, endlich zu Wasser gelassen zu werden und wieder andere „genießen“noch eine umfangreiche „Wellness-Behandlung“in diversen Scheunen, Stadeln oder Unterständen. Der Winterschlaf aber ist definitiv vorbei, geschäftiges Treiben macht sich unter Freunden des Wassersports breit.
Da wird geschraubt, geschliffen, lackiert, gestrichen und geputzt. Schließlich soll das Boot als eines von rund 1850 zugelassenen Segelbooten auf dem See eine gute Figur machen. Auch wenn vermutlich nie alle Segelboote gleichzeitig auf dem Ammersee unterwegs sind, kann es – bei schönem Wetter und optimalen Windbedingungen – schon mal eng werden auf dem „Bauernsee“. Schließlich kommen zu den Segelbooten noch 447 Elektro- und 150 Motorboote dazu. Und die Ausflugsschiffe der Bayerischen Seenschifffahrt.
Multitalente müssen Bootseigner sein, wenn sie an ihrem schwimmenden Untersatz selbst Hand anlegen wollen. Denn Kenntnisse über die Pflege des Unterwasserschiffs, Arbeiten an Segel, Rigg und Tauwerk, Behandlung des Holzes bis hin zur Funktionsweise der Bordelektronik oder des Bootsmotors und die Mechanik von Winschen und Beschlägen sind unumgänglich, soll das Boot auf eine tolle Segelsaison vorbereitet werden.
Auch wenn die meisten Besitzer ihr Schiff vor dem Winterschlaf vom gröbsten Schmutz und vor allem Kalk befreit haben, hat die vergangene Saison doch ihre Spuren hinterlassen. Ausgeblichenes Teakholz, abgeblätterter Lack und Kratzer oder sogar Löcher im KunststoffRumpf sind nur einige davon. Und vom Antifouling, dem UnterbodenAnstrich, der das Schiff vor Algen, Muscheln oder zu starker Verkalkung schützen soll, ist so gut wie nichts mehr übrig.
Frühjahrsputz ist also angesagt: erst mal runter mit der Plane, die das Boot über den Winter vor allzu starker Verschmutzung geschützt hat. Staub und Spinnen haben es sich trotzdem gemütlich gemacht an Bord. Also ran an den Staubsauger – vorausgesetzt am Überwinterungsplatz gibt es Strom. Wenn nicht, ist Muskelarbeit gefragt. Beim Ab- und Auskehren ist das ja noch ganz gut zu bewerkstelligen. Weniger Spaß macht dann das Abschleifen der hölzernen Teile am Schiff. Wer stolzer Besitzer eines komplett aus Holz gefertigten Schiffes ist, hat alle Hände voll zu tun, außerdem benötigen Holzschiffe eine gänzlich andere Behandlung, bevor das erste Mal zum Segeltörn aufgeriggt werden kann.
Die Mehrheit der Bootseigner – auf dem Ammersee – dürfte aber im Besitz eines Schiffes mit sogenanntem GFK-Rumpf sein. Ein Kunststoff-Rumpf, der in erster Linie aus optischen Gründen mit dem einen oder anderen TeakholzAccessoire versehen ist.
Meist ist das die Pinne, also der Teil des Ruders, mit dem der Steuermann manövriert. Manchmal auch die Sitzflächen und der Bodenbelag in der Plicht (Cockpit) sowie Kojen-Rand, Handläufe oder der Tisch. Diese Holzteile bleichen im Laufe der Saison stark aus, sind sie doch Wind und Wetter des bayerischen Voralpenlandes ausgesetzt. Vorsichtig angeschliffen und mit entsprechenden Pflegemitteln versehen, kommt bald die ganze Schönheit des Teakholzes wieder zum Vorschein.
Eventuelle Risse oder gar Löcher im Kunststoff-Rumpf müssen natürlich geschlossen werden. Laminieren heißt das Zauberwort, wobei die Arbeit mit einem Epoxidharz eine ganz schön „batzlige“Angelegenheit ist.
Wer vor dem Einwintern das Tauwerk, also die Leinen, mit denen die Segel gesetzt werden, noch nicht gewaschen hat, der sollte das jetzt tun. Segeln ist ein Wassersport, und so bleibt es nicht aus, dass Leinen nass werden und mit der Zeit ein wenig Grünspan ansetzen. Nicht dramatisch – aber was gibt es schöneres, als den ersten Törn auf einem blank polierten Schiff mit strahlend weißen Segeln und sauberem Tauwerk antreten zu können?
Beim Einziehen der unterschiedlichen Leinen kann dann auch gleich überprüft werden, ob alle Winschen (Seilwinden) noch leichtgängig sind, die Klampen zum Befestigen der Leinen gut verschraubt und die Curryklemme nicht ausgeleiert ist. Übrigens: Die Curryklemme wurde vom passionierten Segler Manfred Curry erfunden, der unter anderem in Riederau lebte. Sie dient dem schnellen Festmachen und Lösen eizumindest ner Schot an Bord. Und ganz nebenbei bietet es sich an, jetzt noch einmal die Handgriffe aufzufrischen, mit denen ein Achterknoten, ein Palstek oder ein Halbschlag entstehen. Weil in den Wintermonaten selten gebraucht, hat so manches Seglerhirn dieses Wissen nämlich ganz weit hinten eingemottet.
Eine bei Schiffsbesitzern wenig beliebte Arbeit ist das Streichen des Unterwasserschiffes. Die aber ist nötig, weil Bewuchs, Korrosion und – im schlimmsten Fall Osmose (der Kunststoff ist nicht mehr wasserfest) – die Freude am Segeln trüben können. Unter Fachleuten als „Antifouling“bekannt, wird ein mehr oder weniger zähflüssiges Gebinde auf den gereinigten und vorbehandelten Schiffsrumpf aufgetragen.
Ist der Anstrich getrocknet, kann es auch schon in Richtung See gehen. Kleinere Boote lassen sich recht einfach an den öffentlich zugänglichen Slip-Anlagen ins Wasser bringen oder gegen Bezahlung bei den Werften. Größere hingegen werden von Mitarbeitern der Werften rund um den See zu Wasser gelassen. Dabei wird das Schiff per Hebeanlage oder Kran auf den sogenannten SlipWagen gehievt, der Mast, der natürlich auf dem Landweg nicht aufrecht stehend mitgeführt werden kann, aufgerichtet. Je nach Wunsch des Bootseigners werden auch noch die Segel angeschlagen.
Ist das Schiff endlich im Wasser, ist die erste Anlaufstelle der Stegplatz beim Segelverein oder eine der 1225 Bojen rund um den See. Ein Liegeplatz am Steg hat den großen Vorteil, dass die Segler ihr Boot ganz einfach erreichen können.
Wer an der Boje liegt, braucht hingegen ein zweites „Wasserfahrzeug, ein Schlauchboot oder festes Dinghi (Ruderboot), um dorthin zu gelangen. Doch all’ die Mühe lohnt – vor allem an Tagen mit konstantem Wind, blauem Himmel und einem herrlichen Blick in Richtung Berge!