Was hat die Wahl entschieden?
Die Analysen der Wahlforscher geben Aufschluss, warum die CDU punktet und welchen Einfluss die Bundespolitik hat
Noch vor Wochen war außerhalb Schleswig-Holsteins Daniel Günther ein völlig Unbekannter für die meisten Deutschen. Gestern feierte sich der 43-Jährige selbst in Kiel bereits als neuer Ministerpräsident – auch wenn es für seine CDU nicht leicht sein dürfte, ein ausreichend breites Regierungsbündnis zu schmieden. Wie gelangen Günther und seinen Christdemokraten der Überraschungserfolg an der Küste? Die Wahlanalysen der Meinungsforscher für ARD und ZDF liefern eine ganze Reihe klarer Antworten, auch auf die Frage, welche Rolle etwa der neue SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz dabei spielte.
Für die meisten Wähler war klar die Landespolitik ausschlaggebend für ihre Stimme. Und hier lieferte die SPD-geführte Regierung mit Grünen und Südschleswigschem Wählerverband (SSW) eine nur durchwachsene Regierungsbilanz, wie die Forschungsgruppe Wahlen anhand von 1300 Wählerbefragungen für das ZDF analysiert. Zudem habe die SPD mit Ministerpräsident Torsten Albig nur vergleichsweise schwach überzeugen können. Anders als andere Landesregierungschefs konnte er mit keinem wirklichen Amtsbonus punkten.
Zwar lag Albig bei der Frage, wen die Wähler lieber als Regierungschef haben wollen, mit 43 Prozent zu 37 vor seinem CDU-Herausforderer. In der Beliebtheitsskala lag Günther dagegen sogar vor dem Ministerpräsidenten. Kurios im Vergleich zu allen anderen Bundesländern: Der beliebteste Politiker kommt von der FDP. Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki übertraf mit dem Wert 1,8 auf der Beliebtheitsskala alle Mitbewerber. Der FDPPolitiker erhält dabei sogar lagerübergreifend Anerkennung. Laut den Wahlforschern verdankt die FDP einen Großteil ihres Erfolgs dem 65-Jährigen, der im September in den Bundestag wechseln will, wenn es die Liberalen dort über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen.
Bei den Sozialdemokraten verschafft ihr neuer Parteivorsitzender und Kanzlerkandidat Martin Schulz der Landespartei keinen zusätzlichen Auftrieb. Laut Forschungsgruppe Wahlen lag dies vor allem daran, dass die meisten Wähler bei dieser Landtagswahl die Politik in ihrem Land ein Vielfaches wichtiger als die Bundespolitik hielten. Und hier trauten die Wähler der CDU als bisheriger Oppositionspartei bei den wichtigsten Themen wie Bildung und Schule sowie Verkehr deutlich mehr zu als der SPD.
Vor allem fielen die Sozialdemokraten in dem eher strukturschwachen Bundesland, in dem die Wähler die Wirtschaftssituation eher verhalten bewerten, neben der Bildungspolitik auch bei den Politikthemen „Wirtschaft“und „neue Jobs“klar hinter die CDU zurück. So war das Thema „Wirtschaft und Arbeit“laut den ARD-Wahlforschern von Infratest dimap für 53 Prozent der CDU-Wähler wahlentscheidend. Einzig beim Thema „soziale Gerechtigkeit“lag die SPD mit 46 zu 21 Prozent vor der CDU. Das relativ schwache Abschneiden der AfD von unter sechs Prozent hat der Forschungsgruppe Wahlen zufolge viele Gründe: Zu einem außerhalb der eigenen Anhängerschaft miserablen Partei-Image und mangelhafter Abgrenzung nach rechts kommt, dass es die Partei an der Küste auch thematisch schwer hat. In Schleswig-Holstein spielen die Themen Flüchtlinge und Asyl anders als auf Bundesebene nur eine Nebenrolle. Im Norden sind zudem 80 Prozent der Befragten der Ansicht, dass ihr Bundesland die Flüchtlinge verkraften kann. Zudem zeigten sich 62 Prozent der Wähler zufrieden mit der Flüchtlingspolitik von Albigs Regierung. Was schließlich die nächste Landesregierung betrifft, kann in Schleswig-Holstein kein Koalitionsmodell wirklich überzeugen. Ein erneutes SPD/Grüne/SSWBündnis hätten 39 Prozent gut und 37 Prozent schlecht gefunden. Schwarz-Gelb hätte mit 42 Prozent die höchste Zustimmung, eine Ampel aus SPD, Grünen und FDP mit 25 Prozent die niedrigste Zustimmung. Eine Große Koalition wollen 38 Prozent, Jamaika 35 Prozent.