Löw wehrt sich gegen Kritik
Nationalmannschaft Der Bundestrainer verteidigt sein Vorgehen, Spieler aus der zweiten Reihe für den Confed Cup nominiert zu haben. Wichtiger als der sportliche Erfolg seien andere Sachen
Die Vorfreude wächst, die neue deutsche Fußball-Generation brennt auf der letzten Vorbereitungsetappe für den WM-Probelauf in Russland. Und auch Joachim Löw hat nach der ersten Schnupperwoche im eigentlich ungeliebten Sommerturnier in Russland schon jetzt einen ganz speziellen Reiz ausgemacht. „Ich sehe beim Confed Cup überhaupt kein Risiko, ganz im Gegenteil“, sagte der Bundestrainer entschlossen.
Die Herausforderung, die für eine völlig neuformierte deutsche Nationalmannschaft ohne ihre großen Stars am kommenden Montag in Sotschi gegen Australien beginnt, sei „eine Chance“und „eine HorizontErweiterung“für sein Personal, betonte Löw: „Es wird für einige Spieler eine wichtige Erfahrung sein, mit der A-Mannschaft gegen Australien, Kamerun oder Chile zu spielen. Denn das ist noch etwas anderes als Bundesliga oder Europa League. Das sind andere Mentalitäten, andere Ideen vom Fußball als das, was wir hier kennen.“
Dass in seinem 22-köpfigen Ka- die Stammkräfte und Fanlieblinge fehlen, verteidigte Löw nochmals mit deutlichen Worten: „Die Russen werden unsere Stars im kommenden Jahr sehen. Der Confed Cup ist ein Turnier zum Testen – für den Gastgeber genauso wie für uns.“Der Bundestrainer will in Russland mit seinen Spielern die für eine erfolgreiche WM-Titelverteidigung 2018 mitentscheidenden Kleinigkeiten ausloten. Das betrifft die Fähigkeiten seiner Akteure ebenso wie die Bedingungen im Land des Gastgebers: „Nächstes Jahr müssen wir top in Form sein und eine gute Performance abliefern.“Ein klares Ziel in Form einer Platzierung für diesen Sommer mag Löw nicht vorgeben, auch wenn der Test gegen Dänemark (1:1) und das WM-Qualifikationsspiel gegen San Marino (7:0) als Hoffnung weckende Proben zu werten sind.
Am Donnerstagmorgen fliegt der DFB-Tross ans Schwarze Meer. Die Schwerpunkte der finalen Präparation hat Löw bereits benannt: Verfeinerung der Offensive, Aufbau einer stabilen defensiven Organisation und das Einüben von Standardsituationen. Der Ehrgeiz der Spieler um Jung-Kapitän Julian Draxler ist groß. Sie möchten im kommenden Jahr auch auf dem WM-Teamfoto wieder auftauchen – und sie wollen den aktuellen Erfolg. „Das ist nicht irgendein Freundschafts-Turnier. Wenn wir spielen, wollen wir auch gewinnen“, ergänzte Joshua Kimmich, der einzige Bayern-Profi im Kader. Löw sagt: „Natürlich wird von der deutschen Nationalmannschaft immer erwartet, erfolgreich zu sein. Aber ich glaube, dass es jeder so einschätzen kann, dass eine WM oder EM im sportlichen Wert noch über dem Confed Cup steht.“
Vor allem international wird seine Kaderauswahl kritisch gesehen. Europameister Portugal und Löws Turnierfavorit Chile haben alle Asse dabei. „Ich kann natürlich eine gewisse Enttäuschung bei manchen verstehen. Doch die Fans wollen gerade bei uns diese Topspieler noch ein paar Jahre auf gutem Niveau sehen“, unterstrich Löw. Der Freiburger betrachtet den Confed Cup auch als „willkommene Gelegender heit, um einfach noch mehr Erfahrung zu sammeln, das Land und die Menschen besser kennenzulernen, die Bedingungen vor Ort, die Stimmung aufzusaugen. Das hilft uns vielleicht dann im nächsten Jahr.“
Das WM-Stammquartier für 2018 will er deshalb auch erst nach den aktuellen Turniereindrücken benennen. Es sei zudem wichtig, dass man „auch hinter die Kulissen“des Gastgeberlandes blickt. „ Wofür unsere Mannschaft steht, ist ja bekannt: für Werte wie Offenheit, Vielfalt, Integration, Toleranz, Fair Play, aber auch Spielfreude, Teamwork und Erfolg. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn solche Werte überall auf der Welt gelten würden“, sagte der Bundestrainer. Man sollte vom Fußball aber nicht verlangen, „dass er Probleme überwindet, die auch die Politik nicht lösen kann“, so Löw: „Wir wissen, dass wir in Russland auch mit Themen des gesellschaftlichen Lebens konfrontiert werden. Darüber werden wir unsere Spieler in angemessener Form auch informieren und aufklären.“