Qualität hat ihren Preis
Bauökologin Prof. Susanne Runkel zum Thema „Ökologisch bauen“
Alle Bauherren würden gern ökologisch bauen – aber Qualität hat ihren Preis. Die Regio Augsburg Wirtschaft GmbH befragte Professor Susanne Runkel, Bauökologin und Expertin für nachhaltiges Bauen, von der Hochschule Augsburg zum diesem Thema.
Regio: Die Immobilienpreise steigen wie verrückt, überall wird mit hoher Geschwindigkeit gebaut – ist nachhaltiges Bauen da überhaupt noch ein relevanter Faktor?
Auf den ersten Blick kann in den deutschen Großstädten natürlich derzeit fast jedes Gebäude vermarktet werden, ob Billigbau, Standard oder eines mit Nachhaltigkeitszertifizierung. Langfristig entstehen durch Gebäude ohne Nachhaltigkeitsanspruch aber Risiken, wie zum Beispiel einen hohen Instandhaltungsaufwand, hohe Betriebskosten, Schadstoffemissionen, schlechte Vermarktbarkeit und außerdem ein Abfallthema.
Warum sollte es Bauherren interessieren, ob und wie sich ihr Gebäude eines Tages entsorgen oder recyceln lässt? Prof. Runkel: Nicht recycelbare Baustoffe
zu entsorgen, kann sehr teuer werden. Deshalb kann der Bauherr bereits in der Planung auf die Wahl der Baustoffe und deren Einbau achten. Es gilt die Devise: langlebig, wiederverwendbar, trennbar und schadstofffrei. Dann besteht die Chance, enthaltene Ressourcen später wieder nutzen zu können. Ich hatte zum Beispiel vor Kurzem einen Fall, bei dem die gesamte Natursteinfassade eines Bürogebäudes entsorgt werden sollte, weil man sich eine neue Fassade wünschte. Anstatt die Natursteinplatten als Bauschutt zu downcyclen, sind hochwertige Verwendungen erneut als Fassadenbekleidung, als Innenwandoder Möbelbekleidungen oder als Bodenbelag möglich.
Wie entwickelt sich das Thema Baustoffrecycling aus Ihrer Sicht?
Prof. Runkel: Das Thema wird zunehmend wichtiger, zum einen, was die Herstellung von Baustoffen aus Recyclingmaterial angeht. Zum anderen was das Recycling von Baustoffen angeht. Unbehandeltes Konstruktionsholz kann zum Beispiel zunächst als Dachpfette, dann als Sparren, danach als Fußbodendielen und schließlich als Brennstoff verwendet werden.
Für die Zukunft ist entscheidend, dass Baustoffrecycling schon in der Planungsphase verankert ist. Denn man kann nur Baustoffe wiederverwenden, die schadstofffrei, trennbar und homogen sind. Klebeverbindungen und Verbundbaustoffe vergeben die Chance einer späteren Wiederverwendung oder Verwertung.
Wer baut eigentlich nachhaltiger: Unternehmen oder private Bauherren?
Prof. Runkel: Das kann man nicht pauschal sagen. Es gibt allerdings einen deutlichen Unterschied zwischen Bauherren, die ihr Gebäude selbst betreiben wollen und Bauherren, die das Gebäude nur errichten und dann verkaufen. Für Letztere sind in der Regel ausschließlich die Investitionskosten entscheidend. Selbstnutzer haben dagegen ein höheres Interesse daran, das Gebäude und dessen Kosten im gesamten Lebenszyklus im Griff zu haben.
Welche Fehler werden Bauherren mit Blick auf die Nachhaltigkeit ihres Gebäudes langfristig am meisten bereuen?
Prof. Runkel: Bauherren von WohnNeubauten sind häufig junge Familien oder Paare. Sie planen ihr Gebäude nach jetzigen Ansprüchen. Barrierefreiheit oder die Einplanung einer Abtrennbarkeit einer separaten Wohneinheit zum Beispiel für erwachsene Kinder, Au-pairs oder Pflegekräfte kosten Geld und werden oftmals als nicht so wichtig erachtet. Im Hinblick auf die Nachhaltigkeit sind Flexibilität und eine gewisse Barrierefreiheit die wesentlichen Stellschrauben für eine dauerhafte Nutzung des Gebäudes. Ein besonders wichtiges Thema sind darüber hinaus die Schadstoffe in den Baustoffen und in Einrichtungen, was natürlich eng mit der Materialwahl – zum Beispiel der Bodenbeläge – verknüpft ist.
Beides: Flexibilität und Schadstoffminimierung sind ebenso für gewerbliche Bauherren wichtige Aspekte, die in der Planung häufig wenig beachtet werden: Die Mitarbeiter sollen sich wohlfühlen und gute Leistungen erzielen, daher ist das Raumklima – also Temperatur, Luftfeuchte, Licht, Gerüche, Schadstoffe – von besonderer Bedeutung. Fehler, die hier gemacht werden, können dazu führen, dass das Gebäude nur sehr kostenintensiv zu bewirtschaften ist oder dass unzufriedene Nutzer wiederholte Sanierungen erforderlich machen.
Mit welchen Fragen könnten sich Unternehmen an Sie wenden?
Prof. Runkel: Firmen, die interessante Fragestellungen zum Thema nachhaltiges Bauen haben, die im Rahmen einer Masterarbeit bearbeitet werden können, dürfen mich gerne kontaktieren. Studierende entwickeln im Rahmen von Projekt- oder Masterarbeiten Nachhaltigkeitsstrategien für Wohn-, Büro- oder Produktionsgebäude sowie für Stadtquartiere. Darüber werden bauökologische Fragestellungen, zum Beispiel zur Materialwahl erarbeitet.