Winzer in Kalifornien fürchten Cannabis Boom
Das Geschäft mit Gras läuft gut in den USA. Auch in Kalifornien stehen die Cannabis-Anbauer bereits in den Startlöchern. Doch die Legalisierung der Droge macht der wichtigen Weinindustrie Sorge
Michael Silacci prüft die reifenden Trauben an den Reben im kalifornischen Napa Valley, er prophezeit eine gute Ernte in diesem Herbst. Seit dreizehn Jahren leitet der amerikanische Winzer das Edelweingut Opus One, die Rotweine zählen zu den besten und teuersten Tropfen an der US-Westküste. Ausreichend Wasser und genügend Arbeitskräfte seien seine größte Sorge, sagt Silacci. Doch mit „Weed“haben die Weinmacher in Kalifornien bald ein neues Problem.
Alicia Rose sagt einen „grünen Goldrausch“voraus. Nach 15 Jahren als Beraterin in der Weinindustrie stieg die Kalifornierin 2015 ins „Gras“-Geschäft ein. Über das Kollektiv HerbaBuena vertreibt sie hochwertige Cannabis-Produkte, darunter Joints, Tee oder Lotionen. Noch muss sich Rose an die Auflagen für medizinisches Marihuana halten. Mit Rose sitzen nun tausende Anbauer und Geschäftsleute in den Startlöchern, wenn Kalifornien ab Januar den Verkauf von Marihuana als Genussmittel erlaubt.
Beim ersten „Wine & Weed“-Symposium im nordkalifornischen Santa Rosa gehen Winzer und Vertreter der Cannabis-Industrie diese Woche erstmals auf Tuchfühlung. Die Konferenz mit mehr als 400 Teilnehmern sei komplett ausgebucht, erzählt Tagungsleiter George Christie. „Der Dialog ist extrem wichtig, denn beide Industrien bauen in denselben Gebieten an, konkurrieren um Arbeiter vor allem in der Erntezeit, ringen um Käufer und Touristen“.
Wein „Made in California“– von mehr als 4000 Weingütern – ist ein Milliardengeschäft. Nach Frankreich, Italien und Spanien gehört der Westküstenstaat zu den wichtigsten Produzenten weltweit. 2016 war ein neues Rekordjahr, wie die jüngste Studie des Analysehauses Wine Institute zeigt. Allein in den USA erzielte kalifornischer Wein ein Verkaufshoch von mehr als 34 Milliarden Dollar. Auch der legale Handel mit Marihuana boomt. Allein im vergangenen Jahr legte der USMarkt um 34 Prozent zu, so das Ergebnis einer im März veröffentlichten Studie von Arcview Market Research. Verbraucher gaben demnach landesweit über 6,7 Milliarden Dollar für Cannabis-Produkte aus.
„Wein und Weed, das sind zwei Sachen, die wir in Kalifornien wirklich gut machen“, sagt Phil Coturri. Der 64-jährige Winzer in Sonoma Valley ist als Meister der Bioweine bekannt. Aus seiner Vorliebe für Marihuana macht der Kalifornier keinen Hehl. Dass Weingutbesitzer nun auch offiziell ins Cannabis-Geschäft einsteigen, sieht er allerdings nicht. „Das müssen wir vorerst streng trennen, solange die Bundesbehörden nicht mitspielen.“
Weinbauer in den USA benötigen eine Bundeslizenz. Hanfpflanzen zwischen den Rebstöcken könnten dies gefährden, denn das Bundesgesetz verbietet die Droge nach wie vor, auch wenn einzelne Staaten Cannabis längst legalisiert haben.
Winzer fürchten zudem einen Konkurrenzkampf mit CannabisUnternehmen um die längst knapp gewordenen Latino-Arbeitskräfte. Der Rückgang von Landarbeitern aus Mexiko sei deutlich zu spüren, sagt Opus One-Winzer Michael Silacci. „Auch die Rhetorik der Trump-Regierung verschlimmert das noch, die Leute haben Angst“, meint Silacci. Al Winter macht sich ebenfalls jetzt schon Sorgen, im Herbst rund 500 Saisonarbeiter für die Weinernte zu beschaffen. Als Verwalter des Unternehmens Foley Family Wines betreut er zwei Dutzend Weingüter, von Santa Barbara in Südkalifornien bis in den nördlichen US-Staat Washington, wo Marihuana für Genusszwecke schon 2014 legalisiert wurde.
„Die Cannabis-Farmer machen uns ganz schön Druck, sie zahlen hohe Stundenlöhne, bis zu 20 Dollar, gewöhnlich bar auf die Hand“, sagt Winter. Nun müssten auch die Weinbauer tiefer in die Tasche greifen, um Arbeiter zu halten. Einige Weingüter werden diesen Kostenanstieg nicht verkraften, prophezeit der Verwalter. „Wer weiß, vielleicht kommt es einmal so weit, dass sich Winzer von einem Hektar Wein trennen und darauf Weed anbauen.“
Barbara Munker, dpa